Weg frei für die Telepharmazie, reloaded

An welchen rechtlichen Leitplanken Sie sich orientieren müssen


Dr. Bettina Mecking

Der Face-to-face-Kontakt ist weiterhin der Goldstandard für die Beratung in der Apotheke, da sich an den Reaktionen der Patienten ablesen lässt, ob die Kommunikation funktioniert hat. Die Telepharmazie eröffnet nun einen neuen Kommunikationskanal. Was müssen Sie rechtlich beachten?

Für die Ärzteschaft hat man das Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung schon vor mehr als einem Jahr gelockert – und damit die Büchse der Pandora geöffnet. Nach dem neuen §7 Abs. 4 der „(Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte“ (MBO-Ä) ist eine Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien – also per Telefon oder Internet – „im Einzelfall“ auch ohne persönlichen Erstkontakt dann erlaubt, „wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird“. Zugleich haben die Ärzte einer profitorientierten Callcenter-Medizin zwar eine klare Absage erteilt. Tatsächlich aber bieten immer mehr Unternehmen eine medizinische Beratung online an – häufig aus dem Ausland, und damit der hiesigen Rechtsaufsicht entzogen.

Die neue Rechtslage als Basis

Auch bei den Apotheken tut sich etwas in diesem Bereich: So sind 2019 nicht nur die Anforderungen an den Botendienst gelockert worden (vgl. AWA 8/2020). Vielmehr darf die dafür erforderliche Beratung laut §17 Abs. 2 Satz 7 ApBetrO nun ausdrücklich auch im Wege der Telekommunikation erfolgen.

Die Telepharmazie fußt auf der Prämisse, dass Verbraucher, die sich Arzneimittel liefern lassen, mit Empathie und Sachkunde vom vertrauten Personal ihrer Stammapotheke pharmazeutisch betreut und beraten werden wollen. Ein erklärtes Ziel der Telepharmazie ist es daher, den Kunden sowohl durch das gesprochene Wort als auch durch die Mimik und Gestik des bekannten Gegenübers über die Distanz hinweg ebenfalls Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln.

Unabhängig vom Botendienst denkt man die Telepharmazie für andere Fälle weiter, in denen Kunden nicht persönlich in die Apotheke kommen können (vgl. den Beitrag "Wie Sie per Videotelefonie neue Aufgabenfelder erschließen"). Mit der Zeit wird so wohl jede Apotheke ihre eigenen telepharmazeutischen Leistungen entwickeln. Bei allem Ideenreichtum sollte es wichtig sein, dass am Ende keine pharmazeutische Beratung erster und zweiter Klasse entsteht.

Zudem existiert die Gefahr, dass sich die persönliche Beratung als Kernaufgabe der apothekerlichen Tätigkeit immer weiter von der Apotheke als Institution löst. Dabei ist zu beachten, dass nach §4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ApBetrO nur eine ausdrückliche Ausnahme vom Grundsatz der Einheit der Betriebsräume besteht – nämlich für die Beratung im Rahmen des Versandhandels. Demzufolge wäre eine telepharmazeutische Beratung beim Botendienst nicht selbstverständlich erlaubt. Manch einer führt als Gegenargument allerdings den bereits genannten §17 Abs. 2 Satz 7 ApBetrO ins Feld.

Beratung aus dem Homeoffice – geht das?

Wer telepharmazeutisch tätig werden will, benötigt einen „virtuellen Arbeitsplatz“ – also einen Bereich, in dem das Team digital mit den Kunden kommunizieren kann. Fraglich ist, ob dieser Bereich in den Apothekenbetriebsräumen eingerichtet werden muss – oder ob das Personal auch aus dem Homeoffice via Telekommunikation beraten darf.

Das Thema Apothekenpersonal im Homeoffice stellt Sie als Inhaber vor eine Reihe von Hürden, deren Auswirkungen noch nicht abschließend geklärt sind. Sinnvoll jedenfalls können Homeoffice-Lösungen insbesondere sein, um Mitarbeiter zu binden, die Ihre Apotheke andernfalls verlassen würden (vgl. ausführlich AWA 10/2020).

Dabei obliegt Ihnen nach §7 Apothekengesetz (ApoG) stets die volle Verantwortung für den Apothekenbetrieb – und zwar nicht nur, wenn es darum geht, Kunden, die per Botendienst beliefert werden, telepharmazeutisch zu beraten. Relevant dürfte das vor allem in Sachen E-Rezept werden.

Im Einzelfall kann es erforderlich sein, insbesondere §5 Satz 1 Nr. 2 ApBetrO bei der Gestaltung des Homeoffice-Arbeitsplatzes zu berücksichtigen. Demnach sollten Sie Mitarbeiter im Homeofficemit denjenigen wissenschaftlichen Hilfsmitteln ausstatten, die sie zur Information und Beratung der Kunden über Arzneimittel benötigen.

Darüber hinaus muss nach §203 Strafgesetzbuch (StGB) bei Tätigkeiten im Homeoffice die apothekerliche Schweigepflicht bewahrt werden. Hier ist sicherzustellen, dass kein Außenstehender (also z.B. ein Familienmitglied) Einsicht in persönliche Unterlagen nimmt oder bei Beratungsgesprächen mithört. Die technischen und organisatorischen Vorkehrungen, um den datenschutzrechtlichen Anforderungen zu entsprechen, müssen nach Art. 25 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) Sie als Arbeitgeber treffen.

Kernbestandteil einer Homeoffice-Regelung ist, dass es sich bei den Personen, die von zu Hause aus arbeiten, um Apothekenmitarbeiter handelt. Dies dürfte eine arbeitsvertragliche Bindung voraussetzen. Denn ansonsten wären ungewollten gewerblichen Konstruktionen von Dritten, die systematisch Beratungsleistungen aus dem Homeoffice anbieten, Tür und Tor geöffnet.

Der Verordnungsgeber hat allerdings die Forderung der Apothekerschaft, dass auch Apothekenboten ausdrücklich arbeitsvertraglich zu binden sind, nicht umgesetzt. Hierdurch ergibt sich ein gewisses Risiko vor allem im Hinblick darauf, wie sich bestimmte arbeitsrechtliche Vertragsmodelle im Apothekenbereich weiterentwickeln – gedacht sei etwa an den Einsatz „selbstständiger“ Vertreter.

PTA als pharmazeutisches Personal dürfen wahrscheinlich auch telepharmazeutisch tätig sein. Allerdings ist dabei zu gewährleisten, dass sie nach §3 Abs. 5 ApBetrO von einem Approbierten beaufsichtigt werden.

Übrigens: Als Einwand gegen die Möglichkeit zum Homeoffice wird hin und wieder angeführt, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden die zu Hause durchgeführten Tätigkeiten eventuell nicht nach §64 Arzneimittelgesetz (AMG) effektiv überwachen können. Denn die Zutrittsmöglichkeiten in Wohnräume sind lediglich begrenzt möglich – und zwar ist der Zutritt im Wesentlichen nur dann erlaubt, wenn eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht.

Wann darf telepharmazeutisch beraten werden?

Rechtlich umstritten ist auch die Frage, wie es mit telepharmazeutischen Angeboten außerhalb der Vor-Ort-Öffnungszeiten aussieht. Hier kann man die Position vertreten, dass individuelle pharmazeutische Beratungsleistungen an den Apothekenbetrieb angebunden sind und daher auch zu dessen Öffnungszeiten erfolgen müssen.

Wer allerdings Videos aufzeichnet, in denen Medizinprodukte etc. generell erklärt werden, kann diese natürlich so ins Netz stellen, dass sie sich rund um die Uhr abrufen lassen.

Telepharmazie weitergedacht

Nicht zuletzt wegen der eben aufgeworfenen Frage dürfte sich die Telepharmazie auch auf die Öffnungs- und Arbeitszeiten auswirken. Denn während der normalen Öffnungszeiten können Sie wohl nur mit zusätzlichem Personal Video-Sprechstunden anbieten. In diesem Zusammenhang gilt es auch, sich zu überlegen, wie Ihre telepharmazeutisch tätigen Mitarbeiter fortzubilden sind.

Schließlich sollten Sie sich Gedanken über Ihren telepharmazeutischen „Marktauftritt“ machen. Wer z.B. mit dem Slogan„Willkommen in unserer Video-Sprechstunde“ wirbt, zieht sich möglicherweise Ärger mit der Arztpraxis nebenan zu: Eine „Sprechstunde“ ist zwar erst einmal nur ein vorher festgelegter Zeitraum, in dem man eine Person aufsuchen kann, um ein Anliegen mit ihr zu besprechen. Der Begriff „Sprechstunde“ wird jedoch meist als Synonym für die ärztliche Tätigkeit an sich benutzt, sodass entsprechende Ankündigungen von Apotheken irreführend sein könnten.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(14):14-14