Ihre „Filiale“ im Internet (Teil 2)

Entscheidend ist die Strategie


Simon Nattler

Mit dem Schritt in die Online-Welt ergeben sich für die Apotheke viele Möglichkeiten. Wollen Sie sich z.B. einer Plattform anschließen? Oder versuchen Sie es allein? Und wie handhaben Sie Ihr Pricing, wenn Sie sowohl online als auch vor Ort vertreten sind?

Auch in unserer Branche sind Plattformen, die ähnlich wie Amazon, Booking und Co. funktionieren, auf dem Vormarsch (vgl. AWA 10/2020). Dennoch sind die häufig herangezogenen Vergleiche mit den genannten Marktriesen nicht fair.

Aus dem Markt – für den Markt

Denn das einzige Geschäftsziel von Amazon und Co. ist es, Gewinne zu erzielen. Die einzelnen Händler werden natürlich gebraucht, sind aber beliebig austauschbar und lassen sich deswegen z.B. zu immer höheren Gebühren und anderen Zugeständnissen „erpressen“.

Im Gegensatz dazu sind „unsere“ Branchenportale, wie IhreApotheken.de oder Apora, aus dem Apothekenmarkt entstanden und wollen ihn daher auch stärken. Die genannten „Druckmittel“ gibt es hier nicht. Allein schon, weil die Plattformen flächendeckend sein wollen, können sie Apotheken nicht einfach ausschließen.

Statt also mit Amazon und Co., können Sie die Apothekenplattformen besser mit Ihrem lokalen Wochenmarkt vergleichen: Natürlich profitiert die Stadt vom florierenden Markttreiben, nicht zuletzt durch die Gebühren. Die Obst- und Blumengeschäfte aus der Region fahren aber trotzdem gute Umsätze ein. Und obwohl ein Stand dem anderen gleicht, kommt es doch immer auch auf den Händler selbst an: So werden auch Sie zukünftig vermutlich häufiger ein Ladengeschäft aufsuchen, wenn der Verkäufer Sie auf dem Markt überzeugt hat.

„Gemeinsam“ hat Vorteile, ...

Der riesige Vorteil von Marktplätzen ist der vergleichbar einfache Start: Es sind nur wenige Angaben nötig – und schon wird Ihre Apotheke gelistet. Dann können Sie auch gleich auf eine bestehende „Infrastruktur“ zugreifen. Zudem profitieren Sie direkt von den bisherigen Marketingaufwendungen und der Bekanntheit des Marktplatzes. Hierdurch treffen schnell die ersten Bestellungen von Kunden bei Ihnen ein, die bereits auf der Plattform unterwegs sind.

Eine besondere Herausforderung bei Plattformen ist das in allen Apotheken (zumindest mehr oder weniger) gleiche Sortiment. Anders als auf anderen Marktplätzen wird daher kaum jemand auf diesen Plattformen stöbern und sich inspirieren lassen. Vielmehr dürften die Kunden hier wohl vor allem die Verfügbarkeit eines gewünschten Artikels überprüfen – um dann die passende Apotheke in der Nähe aufzusuchen. Sofern Sie also darüber nachdenken, sich einer Plattform anzuschließen, sollten Sie darauf achten, dass Ihr Warenlager breit gestreut ist.

... „allein“ aber auch

Wer hingegen einen eigenen Online-Shop aufziehen will, muss eine Menge Zeit und Geld investieren, bis Kunden das neue Angebot wahrnehmen und anfangen, es in ihre Bestellroutine einzubeziehen. Dafür gewinnen Sie dann aber auch gegenüber den Plattformen deutlich an Flexibilität und vor allem an Individualität. Zudem sind Sie nicht dauerhaft darauf angewiesen, dass die Plattformbetreiber einen guten Job machen.

Auch das Warenmanagement im eigenen Online-Shop ist recht einfach. Durch die ausgefeilte Großhandelslogistik können viele Shop-Aufträge just in time bestellt, verpackt und geliefert werden. Dafür müssen Sie dann eben auch alle Einrichtungs- und Marketinganstrengungen selbst übernehmen.

Übrigens: Falls Sie sich fragen, ob Sie sich einer Plattform anschließen oder einen eigenen Online-Shop betreiben wollen, geht es im Idealfall gar nicht um ein „entweder – oder“, sondern vielmehr um ein „sowohl – als auch“, insbesondere weil die Kunden ihre Over-the-Counter (OTC)-Arzneimittel im Netz vor allem über Online-Shops beziehen, während sie ihre Rx-Arzneimittel häufig über Plattformen abfragen werden.

Wie weit wollen Sie gehen?

Sofern Sie einen eigenen Shop aufziehen, gibt es im Grunde zwei Möglichkeiten: Sie können sich entweder national oder regional ausrichten (vgl. auch Teil 1 im AWA 12/2020).

Weil der deutsche Markt mittlerweile hart umkämpft ist, bedarf es gerade bei einer nationalen Ausrichtung viel Ausdauer und Kapital, um Stammkunden zu gewinnen. Denn ohne gezielte Remarketing-Maßnahmen und Kundenbindungsprogramme schaut allenfalls ein Schnäppchenjäger nach dem anderen in Ihrem Shop vorbei, sodass Sie finanziell kaum auf einen grünen Zweig kommen.

Wenn Sie sich jedoch spezialisiert haben und/oder ein seltenes Sortiment führen, kann auch ein nationaler Shop gut funktionieren. Dann ist es aber Pflicht, dass Sie ein umfassendes Content Marketing betreiben und die Produkt- bzw. Shopseiten stets auf dem neuesten Stand halten. Andernfalls wird es schwierig, im Internet für die richtigen Kunden sichtbar zu werden und Vertrauen aufzubauen.

In den meisten Fällen ist daher ein starker regionaler Shop besser als ein schwacher nationaler. Voraussetzungen sind dann, dass Sie transparent mit den Kunden kommunizieren und den Shop in die Homepage integrieren. Das macht heute allerdings noch nicht jeder Kollege.

Denn manch einer fährt zwei Webseiten: Auf der „normalen“ findet der Besucher Informationen zu den Öffnungszeiten, zu den Serviceleistungen und zum Team. Erst über einen Link gelangt er in den Online-Shop, der nicht selten in einem eigenständigen Design daherkommt. Dies verwirrt den Kunden, sodass er seinen Einkauf oft abbricht. Überdenken Sie daher gegebenenfalls Ihre Webseiten-Strategie: Denn gerade auf dem Smartphone ist ein Klick mehr oft ein Klick zu viel.

Wie weit wollen Sie preislich auseinanderdriften?

Die Preise und Angebote sollten in Offizin und Shop größtenteils identisch sein. Von einer Zwei-Preis-Strategie sei ganz klar abgeraten! Es lässt sich keinem Kunden erklären, warum er beim Einkauf in der Offizin mehr bezahlen soll als bei einer Bestellung im Online-Shop, die vom gleichen Personal gepackt und zusätzlich noch ausgeliefert wird.

Ein Preisgefälle birgt dazu immer die Gefahr, gerade die besten Kunden zu verlieren. Stellen Sie sich vor, ein guter Stammkunde kauft seit Jahren sein Schmerzgel in der Offizin – und nun kann es ein Neukunde auf einmal online 30% günstiger bestellen. So etwas führt über kurz oder lang (zu Recht!) zu bösem Blut.

Das heißt aber nicht, dass Sie Ihre Offizinpreise auf Ramschniveau senken sollten. Im regionalen Umfeld erwartet das kaum jemand. Die Schnäppchenjäger sind sowieso längst schon bei medizinfuchs.de und Co. unterwegs – und wohl auch kaum Ihre Wunschklientel. Fokussieren Sie sich daher auch im Netz klar auf den Service, und betonen Sie Bequemlichkeit, Sicherheit und Schnelligkeit Ihrer „Online-Filiale“. Das bringt Ihnen nicht nur lukrative Online-Käufe, sondern fördert auch das Image des gesamten Unternehmens.

Nicht aller Anfang ist ganz schwer

Selbst wenn die starren Vorgaben von Gesetzgeber und Co. im Arbeitsalltag manchmal „stören“, hat diese Standardisierung doch viele professionelle Anbieter hochwertiger Shop-Systeme hervorgebracht. In diesen Systemen sind die Produktkategorien klar voneinander abgegrenzt und die Abbildungen ebenso wie die Packungsbeilagen der meisten Medikamente über die ABDA-Datenbank direkt eingebunden. Geht eine Bestellung ein, lässt sie sich in Ihrem Warenwirtschaftssystem bearbeiten. Und der passende Lieferdienst wird ohnehin seit Jahren mit angeboten.

Darüber hinaus sind Apothekenwaren, verglichen z.B. mit Möbeln oder Pflanzen, recht klein und damit (unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben) leicht zu versenden. Auch die Retourenquote ist nur minimal. Deswegen dürfte es in kaum einer Branche so einfach sein, mit einem eigenen Shop zu starten. Trauen Sie sich also an Ihren eigenen Online-Shop!

Simon Nattler, Inhaber der ELISANA-Apotheken, Gründer der Team-App apocollect, 45896 Gelsenkirchen, E-Mail: inbox@apocollect.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(14):10-10