Von der Umsatzsteuersenkung profitieren

So retten Sie die 16% für Ihr Bauprojekt


Helmut Lehr

Die Senkung der Umsatzsteuersätze zum 1. Juli 2020 kam für alle überraschend und sehr kurzfristig. Insbesondere bei größeren Bauvorhaben lassen sich jetzt mitunter einige tausend Euro sparen. Hierfür müssen Sie einen Gesamtauftrag eventuell rechtzeitig in Teilleistungen splitten.

Die zeitlich befristete Umsatzsteuersenkung bietet gerade bei größeren Bauprojekten besondere Gestaltungsmöglichkeiten – dies gilt vor allem für Privatpersonen oder Unternehmen, die nicht zum Vorsteuerabzugberechtigt sind.

Vermieten Sie z.B. Wohnungen, gelten Sie umsatzsteuerrechtlich auch als Unternehmer. Da eine Wohnungsvermietung in der Regel umsatzsteuerfrei erfolgt, können Sie allerdings insoweit keine Vorsteuern geltend machen. Die Umsatzsteuer aus Eingangsleistungen führt dann zu einer endgültigen Belastung.

Beispiel

Apothekerin Hildebrand lässt auf ihrem Grund und Boden ein neues Mehrfamilienhaus für 600.000 € netto zuzüglich Umsatzsteuer durch einen Generalunternehmer errichten. Sie möchte das Haus komplett vermieten. Die Fertigstellung ist für Februar 2021 geplant.

Verläuft alles planmäßig, berechnet das Bauunternehmen Hildebrand bei der Fertigstellung im Februar 2021 600.000 € zuzüglich 19% Umsatzsteuer (=114.000 €). Für die Bestimmung des Umsatzsteuersatzes kommt es nämlich darauf an, wann die Leistung insgesamt ausgeführt wurde. Da solche Bauleistungen als Werklieferungen gelten, ist dafür allein die Abnahme entscheidend – und weil die im Februar 2021 erfolgt, gilt wieder der Umsatzsteuersatz von 19%.

Hinweis: Auch wenn Hildebrand z.B. im zweiten Halbjahr 2020 mehrere Anzahlungsrechnungen zu 16% erhält und bezahlt, muss der Generalunternehmer mit der Schlussabrechnung für das gesamte Bauprojekt 19% einfordern und an sein Finanzamt abführen.

Abnahme „vorziehen“

Da es allein auf die Fertigstellung bzw. Abnahme des Bauprojekts ankommt, könnte eine vorzeitige Fertigstellung bis Ende Dezember 2020 natürlich dazu führen, dass der Bau insgesamt mit nur 16% Umsatzsteuer (=96.000 €) belegt werden muss. Hildebrand könnte so immerhin 18.000 € sparen, sofern dem keine anderweitigen vertraglich-zivilrechtlichen Abmachungen entgegenstehen (z.B. eine Bruttopreisvereinbarung).

Allerdings muss das Bauvorhaben zum angegebenen Zeitpunkt auch tatsächlich fertig sein. Eine allein aus steuerlichen Gründen vorgenommene (vorzeitige) Abnahme wird die Finanzverwaltung nicht anerkennen.

Hinweis: Außerdem hat sich im Nachgang zu den letzten Steuersatzerhöhungen zum 1. April 1998 bzw. zum 1. Januar 2007 herausgestellt, dass die Finanzämter gerade bei größeren Projekten Abnahmeprotokolle, die unmittelbar „vor dem Stichtag“ erstellt worden sind, einer ganz besonders kritischen Prüfungunterziehen. Prüfer könnten sich beispielsweise die Bauakte, die Stundenlohnzettel der Arbeitnehmer oder Ähnliches vorlegen lassen. Stellt sich dann heraus, dass nach dem 31. Dezember 2020 noch Arbeiten ausgeführt wurden, die nicht nur unwesentlich sind, könnte das die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts auf den Plan rufen.

Rechtzeitig Teilleistungen vereinbaren

Da Bauvorhaben in der Praxis meist länger dauern als geplant, dürfte eine vorzeitige Abnahme nur in vergleichsweise wenigen Fällen in Betracht kommen. Sie haben aber auch die Möglichkeit, eine Gesamtleistung rechtzeitig vor dem Jahreswechsel steuerwirksam in Teilleistungen aufzuspalten. Gelingt es Ihnen, eine bislang einheitlich geschuldete Bauleistung (=Fertigstellung des gesamten Objekts) in verschiedene „Einzelleistungen“ zu splitten, könnten zumindest diejenigen Leistungen gesondert abgenommen werden, die zum Jahresende bereits fertig sind.

Aus Sicht der Finanzverwaltung müssen hierfür folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es muss sich um wirtschaftlich abgrenzbare Teile einer Werklieferung oder Werkleistung handeln.
  • Der jeweilige geleistete Teil muss vor dem 1. Januar 2021 abgenommen bzw. – wenn eine Abnahme nicht vorgesehen ist – beendet worden sein.
  • Ebenfalls vor dem 1. Januar 2021 müssen die Beteiligten (möglichst) schriftlich vereinbart haben, dass für Teile einer Werklieferung oder Werkleistung entsprechende Teilentgelte zu zahlen sind.
  • Sind zunächst keine Teilentgelte gesondert vereinbart worden, muss die vertragliche Vereinbarung vor dem 1. Januar 2021 entsprechend geändert werden.
  • Das Teilentgelt muss gesondert abgerechnet werden – was aber wohl auch nach dem Jahreswechsel erfolgen kann.

Hinweis: Möchten Sie jetzt noch Teilleistungen vereinbaren, müssen Sie natürlich rechtzeitig mit Ihrem Projektpartner sprechen und ihm womöglich auch ein Entgelt für die zusätzliche „Verwaltungsarbeit“ anbieten. Außerdem sollten Sie sich zuvor gut überlegen, ob Sie eine frühere Abnahme von einzelnen Leistungen überhaupt möchten, weil dann ja unter Umständen auch Gewährleistungsfristen früher beginnen etc. Es gilt wie immer: Die reine Steuerersparnis ist nur eine Seite der Medaille!

Service

Die Vereinbarung von steuersparenden Teilleistungen steht und fällt natürlich mit der Frage, inwieweit zunächst einheitliche Bauleistungen aus Sicht der Finanzverwaltung tatsächlich teilbar sind. Hierzu sollten Sie sich an den Veröffentlichungen des Bundesfinanzministeriums orientieren. Auf diesem „Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft“ des Bundesfinanzministeriums sind zahlreiche Fälle aufgelistet. Hier sind zahlreiche Fälle aufgelistet.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(16):16-16