Die Auswirkungen der Coronakrise abfedern (Teil 3)

Welche strategischen Ideen es gibt


Doris Zur Mühlen

Auch im strategischen Bereich bestehen zahlreiche Möglichkeiten, die Apotheke vor dem Hintergrund der Coronakrise gestärkt für die Zukunft aufzustellen. Lesen Sie, was Sie z.B. zu Investitionen, neuen Geschäftsbereichen oder auch zum E-Rezept wissen sollten.

Nachdem wir im letzten Beitrag mögliche Maßnahmen auf der Kostenseite veranschaulicht haben (vgl. AWA 14/2020, "Welche Maßnahmen es auf der Kostenseite gibt"), stellen wir Ihnen dieses Mal einige strategische Ideen und Best-Practice-Ansätze gegen die Auswirkungen der Coronakrise vor.

Alleinstellungsmerkmale schaffen

Trotz des weitgehend homogenen Produktangebots gelingt es einigen Apotheken immer wieder, sich aufgrund von Alleinstellungsmerkmalen – Unique Selling Propositions (USP) – von ihren Wettbewerbern abzuheben. Diese USP können z.B. besondere Dienstleistungen (wie die Bereitstellung von Gesundheitsnetzwerken für Patienten) oder spezielle Sortimente sein. Ein Patentrezept für die Entwicklung von USP gibt es nicht. Maßgeblich sind in der Regel die individuelle Standortsituation und die Neigungen von Inhaber und Team. Denn nur wer hinter seiner Idee steht, sie jeden Tag lebt und in die Praxis umsetzt, kann sie auch zum Erfolg führen. Dabei gilt: „Mindestens ein Tag im Monat gehört der Strategie!“

Den Standort analysieren

Der Standort („Lage, Lage, Lage!“) ist von langfristiger und entscheidender Bedeutung für den Erfolg einer Apotheke. Deshalb ist nicht nur bei der Gründung, sondern vielmehr regelmäßig zu evaluieren, ob und wie er sich verändert – und ob er auch zukünftig noch tragfähig sein wird. Nur so lassen sich rechtzeitig Chancen (z.B. durch eine Verlagerung des eigenen Standortes) und Risiken (z.B. durch die Verlagerung von Arztpraxen) erkennen, um zeitnah gegenzusteuern. Im Fokus der Standortanalyse stehen u.a.

  • Arztpraxen,
  • Wettbewerber,
  • die Passantenfrequenz,
  • das Einzugsgebiet und
  • die Verkehrssituation.

Nachhaltig investieren

Häufig lässt sich feststellen, dass nach der Gründung kaum noch Geld in die Apotheke gesteckt wird (mit Ausnahme für zwingend notwendige EDV-Maßnahmen). Dabei sind regelmäßige, nachhaltige Reinvestitionen notwendig, um sich im Wettbewerb behaupten zu können.

Nach einer Renovierung etwa steigt der Umsatz oft spürbar an. Zudem präferiert ambitioniertes Personal eine moderne und gut ausgestattete Apotheke bei der Arbeitgeberwahl – was in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsfaktor ist! Und auch bei der Veräußerung bzw. Nachfolgersuche ist ein modernes Erscheinungsbild in der Regel nicht nur hilfreich, sondern sogar wertsteigernd.

Filialisieren

Auch durch eine Filialisierung lässt sich zusätzliches Wachstum schaffen. Dabei können zum einen Synergieeffekte erzielt werden, z.B. beim Wareneinkauf, Personaleinsatz oder den Werbemaßnahmen. Zum anderen lässt sich das Risiko streuen, indem man z.B. neben einer Center- eine Stadtteil-Apotheke betreibt. Die aktuelle Krise mit leeren Einkaufscentern und Innenstädten zeigt, dass dies durchaus sinnvoll sein kann.

Egal ob durch Neugründung oder Zukauf – die Filialisierung sollte stets nach dem Grundsatz erfolgen: „Aus zwei schlechten Apotheken macht man keinen guten Verbund!“ Deshalb müssen zwingend eine sorgfältige Standortanalyse sowie eine Rentabilitäts-, Liquiditäts- und Investitionsrechnung vorausgehen. Stellt sich dabei heraus, dass die Filiale in der Gesamtschau keine Renditen erwirtschaftet, sollten Sie die Finger von der Investition lassen.

In der Praxis lässt sich feststellen, dass es nach wie vor gute Filialapotheken gibt. Allerdings eignen sich eine Vielzahl zum Verkauf stehender Apotheken oder angebotener Standorte nicht für eine Filialisierung. Insoweit ist hier äußerste Vorsicht geboten, da eine schlecht laufende Filiale das Gesamtunternehmen in finanzielle Schwierigkeiten bringen kann.

Neue Geschäftsbereiche erschließen

Weiterentwickeln kann man die Apotheke auch, indem man neue Geschäftsbereiche erschließt. Beispiele hierfür sind

  • eine Großhandelstätigkeit,
  • eine Belieferung von Großunternehmen und öffentlichen Einrichtungen,
  • eine Heimversorgung oder
  • eine Krankenhausbelieferung (für die ganz Mutigen).

Um den Erfolg zu überprüfen, sollte jeder neue Geschäftsbereich vorab geplant und anschließend anhand eines Soll-Ist-Vergleichs kontrolliert werden. In praxi stellen wir bei Rentabilitätsanalysen häufig fest, dass das Wachstum mit neuen Geschäftsbereichen ausschließlich umsatzgetrieben ist. Renditen werden aber keine erzielt, vielmehr sogar häufig Verluste. In solchen Fällen sollte man darüber nachdenken, das neue Geschäftsfeld wieder aufzugeben.

Tipp: Es hat sich als sinnvoll erwiesen, die neuen Bereiche von Anfang an buchhalterisch in separaten Kostenstellen abzubilden.

Inhaber, die solche „Expansionen“ planen, sollten zunächst über eine oder mehrere gut gehende Apotheken verfügen. Zudem brauchen sie bis zum Erfolg teils einen langen Atem – sowie natürlich auch eine gute (Rechts-)Beratung.

Sich auf das E-Rezept vorbereiten

Die Einführung des E-Rezepts wird die Karten im Wettbewerb noch einmal neu mischen und bietet auch den Vor-Ort-Apotheken die Chance, sich zu profilieren und den „Fernbesteller“ als neuen Kundentyp zu gewinnen. Gehen Sie das E-Rezept daher jetzt schon an. Möglichkeiten dazu sind z.B.:

  • Ebnen Sie den Kunden alle digitalen Wege (Internet, Apps, kontaktloses Bezahlen usw.), und führen Sie sie an das E-Rezept heran, indem Sie sie aktiv in der Apotheke, aber auch durch Flyer, die Homepage, Social Media etc. ansprechen.
  • Überprüfen Sie den Standort vor allem auf die Bequemlichkeit (Parkplätze, Nähe zu Arztpraxen etc.). Denn sie wird nochmals relevanter für die Entscheidung der Kunden, Ihre Apotheke aufzusuchen.
  • Schaffen Sie gegebenenfalls materielle Anreize über Kundenbindungsprogramme!
  • Nutzen Sie Vorbestell-Apps und -Plattformen in Verbindung mit Botendiensten und 24/7-Abholfächern. Versuchen Sie aber weiterhin, den Kunden aktiv in die Apotheke „zu ziehen“. Nur so können Sie Zusatzverkäufe generieren.
  • Durch die Nutzung mehrerer Vorbestell-Apps erreichen Sie einen größeren potenziellen Kundenkreis – ein Vorteil, da man schließlich heute noch nicht sagen kann, welche Apps sich tatsächlich am Ende durchsetzen werden.
  • Weiten Sie den Botendienst aus. Um ihn effektiv zu gestalten, stehen Apps mit automatisierter Routenplanung, Echtzeit-Tracking, Auswertungsfunktion etc. zur Verfügung.
  • Positionieren Sie Ihre Apotheke als „Kümmerer vor Ort“, die das Beste aus zwei Welten vereint, nämlich eine unkomplizierte schnelle Bestellung und Abholung/Lieferung gepaart mit einer qualifizierten persönlichen Beratung.

Digitalisieren und automatisieren

Um im Wettbewerb zu bestehen, sollten auch Vor-Ort-Apotheken ihren Kunden ausgewählte digitale bzw. automatisierte Services und Informationsangebote bereitstellen. Neben den bereits beim E-Rezept erwähnten Optionen können das z.B. sein:

  • Online-Informationen rund um die Apotheke (u.a. zu Öffnungszeiten, Dienstleistungen, Produktverfügbarkeiten),
  • personalisierte Werbeangebote,
  • Online-Terminvergabe und -Beratung (Telepharmazie),
  • Online-Rezeptübermittlung,
  • Online-Zahlung,
  • Visualisierung der modernen Ausrichtung, z.B. durch eine virtuelle Sicht- und Freiwahl, Kommissionierautomaten, und
  • E-Ladesäulen vor der Apotheke.

Bei alledem gilt: Die Digitalisierung ist nur Mittel zum Zweck, das Sie und Ihr Team nicht ersetzen kann. Denn verglichen mit dem Versandhandel schätzen die Kunden die hohe Beratungskompetenz, die Kundenorientierung und die Schnelligkeit ihrer Apotheke vor Ort.

Dipl.-Bw. Doris Zur Mühlen, Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, geschäftsführende Gesellschafterin der RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, 45128 Essen, E-Mail: dzurmuehlen@rst-beratung.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(16):6-6