Die richtige Beratung gewährleisten (Teil 2)

Wie Sie die schlimmsten Fehler vermeiden


Karin Wahl

Wenn heutzutage ein Fehler im Handverkauf (HV) gemacht wird, kann sich das ganz schnell im Netz verbreiten – und ein Shitstorm bricht über die Apotheke herein. Was also muss Ihr Team im Beratungsgespräch unbedingt beachten? Und wie stellen Sie sicher, dass es sich auch daran hält?

Im ersten Teil dieser kleinen Serie haben Sie erfahren, auf welchen personellen und welchen fachlichen Voraussetzungen eine gute Beratung fußt (vgl. den letzten AWA 15/2020, "Welche Anforderungen Sie an Ihr Personal stellen sollten"). Worauf aber kommt es im Kundengespräch selbst an?

Die Must-Do-Liste für Ihr Team

Um die schlimmsten Fehler zu vermeiden, sollten Sie darauf achten, dass die folgenden Regeln fest in den Köpfen Ihrer Mitarbeiter verankert sind und von allen stets beachtet werden:

Um schon im Vorfeld der Beratung eine gute Atmosphäre zu schaffen, ist jeder Kunde, der die Apotheke betritt, zumindest mit einem Kopfnicken und Blickkontakt freundlich zu begrüßen. Denn wer sich wahrgenommen fühlt, wird auch eine volle Offizin nicht so schnell wieder verlassen. Behalten Sie dabei immer im Hinterkopf: Kommunikation ist Sprache und Körpersprache zusammen!

Damit die Kommunikation gelingt, gilt es, schon gleich zu Beginn die Verfassung des Kunden – nicht zuletzt über seine Körpersprache – wahrzunehmen:

  • Geht es ihm gut oder schlecht?
  • Muss er sitzen?
  • Hat er Zeit, oder hat er es eilig?

Tipp: Gerade mit jungen, unerfahrenen Mitarbeitern sollten Sie diese Art der „Kundenanalyse“ in einer Teamsitzung üben.

Weiterhin gilt: Jeder Mitarbeiter muss jedem Kunden ins Gesicht schauen. Sich während der Beratung abzuwenden und sich mit anderen Kunden oder Kollegen zu unterhalten, ist ein No-Go!

Im Beratungsgespräch muss auch tatsächlich beraten werden. Denn leider erlebt man den schlimmsten aller Fehler immer wieder: Es wird lediglich gefragt, ob der Kunde den Bon oder ein Tütchen braucht. Das mag zwar aufmerksam sein, darf aber nichtdie einzige Frage bleiben! Denn ansonsten wird unser Berufsstand seiner Qualifikation nicht gerecht – und macht sich selbst überflüssig!

Immer gestellt werden muss die wichtigste aller Fragen: „Ist das Medikament bzw. das Rezept für Sie selbst – oder besorgen Sie es für jemand anderen?“ Nur so wird eine sinnvolle, zeitsparende Beratung möglich. Denn wie oft müssen Sie ansonsten wieder ganz von vorne anfangen?

Auch auf offene, nämlich auf die allseits bekannten W-Fragen „Was? – Wie? – Wofür? – Warum?“, kommt es an. Denn diese Fragen kann der Kunde nicht nur mit „Ja“ oder mit „Nein“ beantworten. Vielmehr muss er sich erklären.

Tipp: Probieren Sie das doch auch mal in einer Teambesprechung aus: Führen Sie eine Übungsberatung zunächst mit offenen und dann erneut mit geschlossenen Fragen durch. Sie werden sehen: Das fördert nicht nur erstaunliche Erkenntnisse zutage und bleibt im Gedächtnis hängen, sondern macht überdies noch Spaß!

Ein wichtiges Thema: Diskretion! Jeder Mitarbeiter muss ein Gespür dafür haben, ob dem Kunden ein Thema bzw. Produkt peinlich ist. Wenn ja, sollte die Beratung ohne großes Aufsehen in den Beratungsraum oder die Beratungsecke verlegt und das Produkt am Ende ungefragt eingepackt werden. Mangelnde Diskretion hingegen treibt die Kunden laut Studienergebnissen in die Arme der Versandapotheken.

Wer bemerkt, dass er einen Fehler gemacht hat, muss das auch zugeben und darf sich weder herausreden noch einen Sündenbock suchen – am allerwenigsten natürlich den Kunden.

„Zugeben“ heißt auch die Devise, wenn jemand etwas nicht weiß. Das ist bei dem heutigen, stets weiter wachsenden Erkenntnisschatz keine Schande – weder für PTA noch für Approbierte. Erzählen Sie dem Kunden also nicht die Story vom Pferd, sondern sagen ihm, dass Sie zu diesem Problem erst einmal recherchieren müssen und sich zeitnah zurückmelden. Das erhöht Ihre Glaubwürdigkeit beachtlich – und gilt übrigens auch bei Anfragen durch Arztpraxen.

Am Ende der Beratung heißt es: Sich aktiv erkundigen, ob es noch Fragen gibt und ob der Kunde alles verstanden hat, was ihm erklärt wurde. Das gilt insbesondere bei Schwerhörigen, bei Patienten mit beginnender Demenz und bei Menschen, die der deutschen Sprache nur bruchstückhaft mächtig sind.

Anschließend sollte der Mitarbeiter warten, bis der Kunde alles eingepackt hat – auch wenn das manchmal schwer fallen mag und der nächste Kunde schon drängelt. Gerade verunsicherten Kunden zollt man damit aber Respekt.

Sie als Chef und auch alle gerade nicht beratenden Kollegen sollten übrigens während der Beratung niemals einen Mitarbeiter ins Backoffice abrufen! Das ist ein Affront gegen den Kunden und bringt den Bediener in eine Zwickmühle.

Tipp: Teilen Sie daher Ihre Mitarbeiter in rollierende Schichten von jeweils ein bis zwei Stunden im HV ein. In der Nicht-HV-Zeit haben die Mitarbeiter dann Zeit, andere anfallende Aufgaben zu erledigen, etwas zu trinken und auch mal auf dem stillen Örtchen zu verschwinden. Ein zusätzlicher Vorteil: Wenn die Mitarbeiter danach wieder im HV stehen, sind sie in der Regel viel relaxter.

Der Motivation auf die Sprünge helfen

Damit die Mitarbeiter sich zum einen gerne fortbilden und zum anderen auch motiviert sind, am HV tatsächlich gut zu beraten, müssen Sie als Chef ihnen im Gegenzug auch ein paar „Bonbons“ bieten, z.B. in Form

  • einer fairen Bezahlung,
  • einer gerechten Personaleinsatzplanung,
  • einer Urlaubsvergabe, die niemanden benachteiligt,
  • der Möglichkeit zu einem spontanen Gespräch, wenn ein Problem auf den Nägeln brennt,
  • einer finanziellen Unterstützung bei speziellen Fortbildungen oder auch in Form
  • kleiner Geschenke (denn die erhalten bekanntlich die Freundschaft).

In manchen US-amerikanischen Apotheken kürt man übrigens den „Employee of the year“ – ein Konzept, das eher kritisch zu sehen ist. Denn wer nur einzelne Mitarbeiter honoriert, spaltet das Team und fördert den Wettbewerb gegeneinander. Das aber dient nicht dem Wohl der Apotheke! Um die allgemeine Motivation zu steigern, sollte man daher lieber das gesamte Team belohnen.

Eine interessante Methode: Sie legen zunächst ein bestimmtes Ziel (z.B. für den Umsatz im Jahr) fest und schreiben eine Prämie für den Fall aus, dass dieses Ziel tatsächlich erreicht wird. Die Prämie wird dann anteilig auf die Mitarbeiter verteilt. Die Höhe des jeweiligen Anteils aber bestimmen die Mitarbeiter selbst, indem sie sich gegenseitig und (zumindest den Kollegen gegenüber) anonym der wahrgenommenen Leistung entsprechend ranken.

Der Vorteil dieser Methode: Das Team kontrolliert sich selbst, weil es sein Ziel erreichen will. Sie als Chef hingegen sind fein raus und müssen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, jemanden zu privilegieren.

Vertrauen ist gut, aber ein wenig Kontrolle noch besser

Um zu überprüfen, ob die Mitarbeiter auch tatsächlich gut beraten, arbeiten manche Kollegen mit Kameras. Die allerdings sind nicht nur datenschutzrechtlich kritisch zu sehen. Denn damit suggerieren Sie, dass Sie Ihren Mitarbeitern nicht vertrauen – und das wirkt sich negativ auf die Motivation aus.

Sinnvoller hingegen ist es, auch als Chef zumindest hin und wieder mal den Kittel anzuziehen. Sofern Sie nämlich selbst im HV mitarbeiten, bekommen Sie am besten mit, ob Ihre Mitarbeiter auch in einer Form beraten, die der Apotheke nützt – und können Ihnen gleichzeitig in Ihrer Vorbildfunktion nochmals zeigen, wie man optimal mit den Kunden umgeht.

Wenn Sie dabei bemerken, dass es „Verbesserungsbedarf“ gibt, gilt es, das sofort in einem persönlichen, wohlwollenden Gespräch zu klären. Falls das Gespräch nicht fruchtet, sollten Sie bei mehrmaligem Fehlverhalten nicht zögern, den Mitarbeiter abzumahnen – und sich gegebenenfalls von ihm zu trennen.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Beraterin im Gesundheitswesen 70195 Stuttgart, E-Mail: karinruthwahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(16):10-10