Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen

"Postalische Erreichbarkeit" maßgebend


Helmut Lehr

Als Unternehmer können Sie die Vorsteuer aus Eingangsrechnungen nur dann geltend machen, wenn diese auch formal zutreffend sind. Die Finanzverwaltung hat jetzt klargestellt, dass der Rechnungsaussteller unter seiner Rechnungsanschrift postalisch erreichbar sein muss.

Der ganz überwiegende Teil Ihrer Eingangsrechnungen dürfte für Zwecke des Vorsteuerabzugs völlig unproblematisch sein, weil die Rechnungen von langjährigen Geschäfts-/Vertragspartnern bzw. Lieferanten stammen und alle Pflichtangaben enthalten. Im Rahmen von Betriebsprüfungen tauchen allerdings auch immer mal wieder Belege auf, die zumindest aus Sicht der Finanzverwaltung kritisch sind. Oft haben die Prüfer dann im Nachhinein eine bessere Erkenntnis und argumentieren, dass der Rechnungsaussteller z.B. lediglich eine "Briefkastenfirma" ist/war bzw. unter der angegebenen Adresse gar nicht ansässig bzw. registriert ist/war.

Hinweis: Wenn es schlecht läuft, wird der Vorsteuerabzug aus solchen Rechnungen dann wegen formaler Mängel nicht anerkannt.

Finanzverwaltung reagiert auf neuere Rechtsprechung

Bereits vor einiger Zeit haben die obersten Gerichte entschieden, dass die gesetzlich geforderte "Anschrift des Rechnungsausstellers" nicht den Ort seiner tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit benennen muss – es genüge eine "Adresse", unter der der Rechnungsaussteller postalisch erreichbar ist.

Das Bundesfinanzministerium hat nun nochmals klargestellt, dass die Finanzverwaltung dieser Rechtsprechung folgt (vgl. Schreiben vom 13.07.2020, Aktenzeichen: III C 2 – S 7280-a/19/10001 :001). Leider hat die Sache einen Haken: Für die postalische Erreichbarkeit ist der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung maßgebend. Die Beweislast dafür liegt beim Empfänger der Rechnung – also bei Ihnen.

Das bedeutet: Hat die Betriebsprüfung beispielsweise für das Prüfungsjahr 2016 im Jahr 2020 ermittelt, dass ein Rechnungsaussteller unter der angegebenen Adresse nicht mehr erreichbar ist, müssen Sie beweisen, dass er zum damaligen Zeitpunkt, also vier Jahre zuvor, dort noch postalisch erreichbar war. Dies wird Ihnen nicht immer möglich sein!

Treffen Sie Beweisvorsorge!

Um das Risiko zu minimieren, sollten Sie daher gerade Eingangsrechnungen von Unternehmen, zu denen Sie bislang keine besondere Geschäftsbeziehung gepflegt haben, besonders kritisch prüfen – und zwar bereits beim Empfang der Rechnung. Hier kann es sich empfehlen, Internetrecherchen durch entsprechende Ausdrucke zu dokumentieren. Dies gilt insbesondere für Einkäufe mit vergleichsweise hohem Bestellwert z.B. in Online-Shops o.Ä., die Sie nur sehr selten nutzen.

Hinweis: Generell sollten Sie jede Eingangsrechnung genau prüfen (lassen) und bei Auffälligkeiten (z.B. fehlende Handelsregister- oder Steuernummer) stutzig werden.

Identität zwischen Rechnungsaussteller und Lieferant

Im Grunde Selbstverständliches hat das Bundesfinanzministerium nun nochmals ausdrücklich verfügt: Für Zwecke des Vorsteuerabzugs muss der Rechnungsaussteller mit dem leistenden Unternehmer ("Lieferant") identisch sein. Nur so kann die Finanzverwaltung eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller herstellen.

Hinweis: Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass in der Praxis eine Rechnung im Namen und für die Rechnung des leistenden Unternehmers auch von einem Dritten (z.B. Dienstleister) ausgestellt werden kann. In diesem Fall muss aber in der Rechnung, die von dem Dritten ausgestellt worden ist, der leistende Unternehmer ("Lieferant") auch als solcher ausdrücklich bezeichnet werden.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(17):18-18