Wenn der Apotheker zusticht

Was Sie beim Impfen rechtlich beachten sollten


Dr. Dennis Effertz

Mit den Grippeschutzimpfungen betreten Apotheken rechtliches Neuland. Neben den Chancen für den Berufsstand ergeben sich auch neue (Haftungs-)Risiken, weil man Aufgaben übernimmt, die bisher originär ärztlich waren. Behandlungsrechtliche Elemente rücken dabei in den Fokus.

Eine Verbesserung der Impfquoten durch einen niedrigschwelligen Zugang – das ist die gesetzgeberische Idee, die hinter den Modellprojekten zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken steckt. Weil die Vertragspartner auf Krankenkassen- bzw. Apothekenseite jedoch bislang keine finalen Vereinbarungen gemäß §132j Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V getroffen haben, steht noch nicht fest, wie genau das Ganze ausgestaltet – also insbesondere durchgeführt und vergütet – sein soll.

Allerdings gibt der Gesetzgeber einige Rahmenbedingungen etwa zur erforderlichen Qualifikation (in Form ärztlich geleiteter Schulungen), zur Dokumentation, zu den Raumanforderungen sowie zur Beteiligung relevanter Bundesbehörden bei der Vertragsgestaltung vor.

Rechtliches Neuland erfordert besondere Vorsicht

Nicht nur praktisch, sondern insbesondere rechtlich begeben wir uns auf Neuland – beginnend mit rechtsdogmatischen Fragen. Letztlich verändert sich mit der Übertragung der neuen Tätigkeit auf die Apothekerschaft womöglich die Abgrenzung zum ärztlichen Beruf – je nachdem, wie die Frage beantwortet wird, ob Impfen eine heilkundliche Tätigkeit oder doch "nur" Prävention ist.

Fakt ist jedenfalls, dass eine bisher originär ärztliche und damit behandlungsrechtliche Tätigkeit auf Apotheker übergeht. Deshalb sollte der impfwillige Teil unseres Berufsstandes künftig einiges beachten – insbesondere in Bezug auf die Haftungsfragen. Denn Impfungen als Injektion sind grundsätzlich als Körperverletzung gemäß §223 Strafgesetzbuch (StGB) zu klassifizieren.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, die sozial- und vertragsrechtlich verankerten Voraussetzungen für die Impferlaubnis streng einzuhalten, da sie im Zweifel eng ausgelegt werden dürften. So lässt sich §132j SGB V z.B. entnehmen, dass nur Approbierte impfen dürfen – und das auch lediglich in der Apotheke. Damit darf die Impftätigkeit weder an pharmazeutisches Personal delegiert werden noch außerhalb der Apotheke stattfinden (z.B. im Rahmen der Heimversorgung). Auch empfiehlt es sich dringend, die Leitlinien der Bundesapothekerkammer (BAK) zur Grippeschutzimpfung in Apotheken einzuhalten (vgl. Service). Für alles Weitere lohnt sich der Blick in das Arztrecht.

Wer darf geimpft werden?

Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) gelten in der Rechtsprechung als medizinischer Standard und sind daher als verbindlich anzusehen. Denn wer medizinische Standards unterschreitet, behandelt falsch. Im Rahmen der Modellvorhaben betrifft dies insbesondere die Impfklientel, die Sie überhaupt impfen dürfen. Der STIKO zufolge ist die Grippeschutzimpfung lediglich ab dem 60. Lebensjahr Standard. Hinzu kommen einige sogenannte Indikationsimpfungen.

Der Gesetzgeber hat die apothekerliche Impfkompetenz in der Gesetzesbegründung zu §132j SGB V auf Volljährige beschränkt und die Modellvorhaben als Ganze sozialrechtlich verankert, sodass hier lediglich GKV-Versicherten erfasst sind. Im Übrigen rät die BAK davon ab, Schwangere zu impfen. Derartige Voraussetzungen sind also im Rahmen der Anamnese zu prüfen.

Was regelt der Behandlungsvertrag?

Zwar ist noch nicht klargestellt worden, inwieweit ein Behandlungsvertrag nach §630a ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch bei Impfungen durch Apotheker zustande kommt. Dennoch ist damit zu rechnen, dass die entsprechenden rechtlichen Vorschriften hier analog angewendet werden. Grund genug, sich den Behandlungsvertrag einmal genauer anzusehen.

Zentral sind die Aufklärungs- und Informationspflichten, die auf dem Grundrecht der Selbstbestimmung basieren – weshalb man auch von einer "Selbstbestimmungsaufklärung" spricht. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass der Patient in die Behandlung einwilligt. Daher muss vor einer medizinischen Maßnahme immer informiert und aufgeklärt werden. Bei der Grippeschutzimpfung sind die entsprechenden Details überwiegend durch die STIKO-Empfehlungen und die Fachinformationen vorgegeben.

Bei der Aufklärung sollten Sie besonders sorgfältig vorgehen. Denn wenn Sie einen Patienten nur unzureichend aufklären, kann er im Umkehrschluss nicht rechtsgültig einwilligen. Ohne Einwilligung allerdings droht bekanntlich der Vorwurf der Körperverletzung. Die Aufklärung ist somit aus juristischer Sicht mindestens ebenso wichtig wie die ordnungsgemäße Durchführung der Grippeschutzimpfung selbst.

Gemäß §630e Abs. 2 Nr. 1 BGB muss grundsätzlich mündlich aufgeklärt werden. Auf schriftliche (Aufklärungs-)Unterlagen dürfen Sie dabei lediglich ergänzend Bezug nehmen. Diese Unterlagen müssen Sie dem Patienten anschließend aushändigen.

Wie ist zu dokumentieren?

Der Gesetzgeber verweist insbesondere auf die Dokumentationspflichten gemäß §22 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Hierhinter verbirgt sich der Impfausweis, der unverzüglich – also ohne schuldhafte Verzögerung – ausgefüllt werden muss. Die gelebte und (rechtssichere) Praxis in diesem Zusammenhang ist es, mit dem Aufkleber des Impfstoffs dessen Bezeichnung und Charge zu dokumentieren. Sollte der Patient übrigens keinen Impfausweis dabei haben, lässt sich behelfsweise eine Impfbescheinigung ausstellen.

Ärzte dokumentieren ihre Impfungen in der Patientenakte, auf die Sie als Apotheker allerdings (noch) keinen Zugriff haben. Als vermutlich beste Übergangslösung sollten Sie "Ihre" Impflinge daher einen Aufklärungs- bzw. Einwilligungsbogen unterschreiben lassen, den Sie zehn Jahre aufbewahren müssen.

Gut gerüstet für den Notfall?

In seltenen Fällen können auch bei Grippeschutzimpfungen schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten. Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt – weshalb impfende Apotheker im Rahmen der Qualifizierungsschulungen Kenntnisse und Fähigkeiten zu Notfallmaßnahmen erwerben müssen (vgl. §132j Abs. 5 Nr. 3 SGB V). Die BAK hat dies in ihrem Curriculum konkretisiert. Als verbindliche Schulungsinhalte vorgeschrieben sind demnach

  • die Prüfungen von Bewusstsein bzw. Vitalfunktionen sowie
  • die Durchführung von Reanimationsmaßnahmen.

Eine Grenze zwischen Erste-Hilfe-Maßnahmen und den neuen Notfallkompetenzen lässt sich schwerlich ziehen. Das führt zu einem Spagat zwischen möglichen Rechtsübertretungen und dem Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung. Hier ist immer im Einzelfall abzuwägen, ob es sich um einen rechtfertigenden Notstand nach §34 StGB handelt – oder nicht. Grundsätzlich gilt jedoch, dass jeder seine erworbenen Qualifikationen auch anwenden muss. Wer sich aber vor eine (vermeintliche) Rechtsübertretung gestellt sieht, sollte zunächst alle "milderen Mittel" (z.B. den Notruf) wählen.

Knackpunkt Versicherung

Zwar schreiben die Berufsordnungen seit jeher eine Berufs- bzw. Betriebshaftpflichtversicherung als Voraussetzung für den Apothekenbetrieb vor. Doch sobald Approbierte selbst Impfungen durchführen, ändern sich die haftungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Das führt auch zu völlig neuen und gerichtlich noch nicht beurteilten Sachverhalten. Ob Ihre individuell geschlossenen Versicherungsverträge die hieraus resultierenden Schäden abdecken, kann wohl nur Ihr Versicherungsmakler oder der Versicherer selbst beantworten.

Service

Dr. Dennis A. Effertz, LL.M. Apotheker und Jurist (Medizinrecht), Experte für Apotheken- und Sozialrecht, 79110 Freiburg/Breisgau, E-Mail: kontakt@dr-effertz.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(17):10-10