Die Qual der Plattformwahl

Worauf es juristisch ankommt


Moritz Diekmann

Corona, eRezept, stetig wachsender Versandhandel: Für Vor-Ort-Apotheken wird es immer essenzieller, ihre Kunden auch digital zu erreichen. Dafür bieten verschiedene Plattformbetreiber Lösungen an. Aber welche rechtlichen Anforderungen sollten diese Lösungen erfüllen?

Eine Apotheken-Online-Plattform ist – ähnlich wie Amazon und eBay – ein Marktplatz, auf dem verschiedene Anbieter (sprich: Apotheken) ihre Waren und Dienstleistungen einem breiten Publikum präsentieren können.

Einen Kaufvertrag schließt der Kunde dabei nicht mit dem Plattformbetreiber, sondern mit der jeweiligen Apotheke. Damit der Kunde eine informierte Kaufentscheidung treffen kann, muss er die rechtliche Identität seines Vertragspartners sowie dessen Vertragsbedingungen kennen. Dies setzt voraus, dass immer dann, wenn auf der Plattform eine Ware oder Dienstleistung zum Kauf angeboten wird,

  • das Impressum,
  • die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB),
  • die Widerrufsbelehrung und -erklärung sowie
  • die Datenschutzhinweise

der anbietenden Apotheke angezeigt oder verlinkt und vor Vertragsschluss vom Kunden akzeptiert werden.

Haftungsfälle vermeiden

Da Apotheken in Deutschland ein überwiegend identisches Sortiment anbieten und die einzelnen Produkte eindeutig anhand der Pharmazentralnummern (PZN) identifizierbar sind, bietet eine Plattform insoweit eine Erleichterung, als die einzelne Apotheke regelmäßig auf die Produkt-, Bild- und Textdatenbank zurückgreifen kann, die die Plattform zur Verfügung stellt. Sobald eine Apotheke Inhalte dieser Datenbanken nutzt, macht sie sich diese für ihre eigenen Angebote zu eigen und haftet somit auch für eventuelle Rechtsverstöße. Insbesondere das Angebot von Bioziden, Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten birgt eine Vielzahl von juristischen Fallen, die schnell zu einer Abmahnung oder einer behördlichen Beanstandung führen können.

Deswegen sollte darauf geachtet werden, dass der Plattformbetreiber die Apotheke insoweit im Innenverhältnis von sämtlichen Ansprüchen Dritter freistellt. Sofern die Apotheke allerdings auch eigene Produkte, Bilder oder Texte veröffentlicht, haftet sie hierfür üblicherweise selbst.

Nicht-Rx-Preise individuell gestalten

Die Verkaufspreise für die angebotenen rezeptfreien Produkte darf der Plattformbetreiber den Apotheken zwar vorschlagen, aus kartellrechtlichen Gründen allerdings nicht vorgeben. Apotheken sollten bei der Plattformwahl also darauf achten, dass sie die Verkaufspreise hier nach Belieben anpassen können.

Zahlungen richtig abwickeln

Problematisch ist regelmäßig die Zahlungsabwicklung. Da der Kaufvertrag zwischen dem Kunden und der Apotheke zustande kommt, ist der Plattformbetreiber lediglich Dritter. Nach dem Zahlungsdienstegesetz dürfen Dritte Zahlungen aus Kaufverträgen, an denen sie nicht selbst beteiligt sind, aber nur dann abwickeln, wenn sie über eine Banklizenz verfügen. Hat der Plattformbetreiber eine solche Lizenz jedoch nicht, muss er gewährleisten, dass die Zahlungen des Kunden unmittelbar diejenige Apotheke erreichen, mit welcher der Kunde den Kaufvertrag geschlossen hat. Um dies sicherzustellen, offerieren verschiedene Zahlungsdiensteanbieter, wie z.B. PayPal oder Heidelpay, speziell auf Online-Marktplätze zugeschnittene Lösungen.

Tipp: Es kann aber nicht schaden, einen eigenen Vertrag mit einem Zahlungsdiensteanbieter zu schließen und die eigenen Zahlungsinformationen im Profil auf der Plattform zu hinterlegen, um sich nicht vom Zahlungsdiensteanbieter des Plattformbetreibers abhängig zu machen.

Den Plattformbetreiber legitim vergüten

Da die Entwicklung und der Betrieb einer Online-Plattform mit einigen Kosten verbunden sind, verwundert es nicht, wenn für die Nutzung der Plattform eine Gebühr verlangt wird. Die von den Zahlungsdiensteanbietern bereitgestellten Marktplatzlösungen ermöglichen es ganz in diesem Sinne grundsätzlich auch, einen Teil des vom Kunden gezahlten Kaufpreises an den Plattformbetreiber abzuführen.

Die Gebühr darf sich allerdings nicht nach dem Umsatz richten, den die einzelne Apotheke über die Plattform erwirtschaftet. Denn dies wäre nicht mit dem in §8 Satz 2 Apothekengesetz (ApoG) statuierten Fremdbesitzverbot vereinbar. Grundsätzlich denkbar sind aber z.B. monatliche Lizenz- und/oder transaktionsbasierte Bereitstellungsgebühren – sofern diesen eben nicht der Umsatz zugrunde gelegt wird.

Die Ware korrekt präsentieren und liefern

Ist ein Kaufvertrag geschlossen, muss die Apotheke die bestellten Produkte grundsätzlich liefern, wenn der Kunde den Kaufpreis zahlt. Allerdings sind Fälle denkbar, in denen insbesondere Arzneimittel nicht an bestimmte Personen abgegeben werden dürfen bzw. (sofern sie nicht lieferbar sind) gar nicht erst abgegeben werden können. Daher sollte die Warenpräsentation auf der Plattform den Kunden lediglich dazu einladen, ein Angebot zum Kauf bestimmter Produkte abzugeben. Dieses Angebot muss die Apotheke erst noch annehmen, nachdem sie geprüft hat, ob sich die Bestellung realisieren lässt. Erst dadurch kommt es dann zum Vertragsschluss.

Die Beratung und die Rezeptprüfung als pharmazeutische Tätigkeiten dürfen nur vom pharmazeutischen Personal einer Apotheke erbracht und damit nicht vom Plattformbetreiber übernommen werden. Sofern der Kunde einwilligt, darf der Plattformbetreiber ihm aber Informationen im Zusammenhang mit dem Bestell- und Lieferprozess geben.

Üblicherweise übernimmt die Apotheke die Lieferung der bestellten Ware an den Kunden – sei es per Botendienst, Versandhandel oder als Pick-Up vor Ort in der Apotheke. Falls der Plattformbetreiber auch die Abholung der Ware in der Apotheke und die Lieferung an den Kunden über einen externen Dienstleister organisieren soll, müsste die Apotheke zunächst eine Versandhandelserlaubnis beantragen.

Ebenso wie für die Lieferung der Ware ist die einzelne Apotheke auch für Reklamationen bzw. die Rückabwicklung eines Kaufvertrags nach erfolgtem Widerruf verantwortlich. Der Widerruf ist stets gegenüber der Apotheke zu erklären – und nach der aktuellen Rechtsprechung auch bei Arzneimitteln möglich. Optimalerweise stellt das Back-End der Plattform daher geeignete Funktionen bereit, mit denen sich entsprechende Vorgänge (inklusive Zahlungsabwicklung) möglichst automatisiert verarbeiten lassen und über die auch mit den Kunden kommuniziert werden kann.

Den Datenschutz nicht vernachlässigen

Auch das Datenschutzkonzept der Plattform sollte man sich genau anschauen. Apotheker sind Geheimnisträger im Sinne des §203 Strafgesetzbuch (StGB), sodass ein Datenschutzverstoß auch strafrechtliche Folgen haben kann. Zudem offenbart ein Apothekenkunde, der Bestelldaten in eine Online-Maske eingibt, regelmäßig gesundheitsbezogene Daten, die nach der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) einem besonderen Schutz unterliegen.

Daher muss der Kunde zum einen stets aufgeklärt werden, wenn der Plattformbetreiber bzw. die Apotheke Daten erhebt, speichert oder verarbeitet. Zum anderen hat der Kunde stets aktiv einzuwilligen, falls gesundheitsbezogene Daten zwischen dem Plattformbetreiber und der Apotheke ausgetauscht werden. Um dem Gebot der Datensparsamkeit gerecht zu werden, muss der Kunde zudem als Gast bestellen können, ohne ein Kundenkonto anzulegen.

Fazit

Weil Vor-Ort-Apotheken ihren Kunden das eigene Online-Angebot auf Plattformen kostengünstig und bequem präsentieren können, bieten solche Marktplätze zwar ein erhebliches Potenzial. Doch sind dabei verschiedene, insbesondere juristische Hürden zu beachten.

Moritz Diekmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, 20148 Hamburg, E-Mail: moritz.diekmann@diekmann-rechtsanwaelte.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(17):14-14