Editorial

Zeitbombe?


Dr. Michael Brysch

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

"es ist ein großes Ding in der Welt, die Zeichen der Zeit richtig zu erkennen." Zwar hat der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) mit den Zeichen seiner Zeit sicher nicht die Digitalisierung gemeint. Dass diese aber unsere Zeit ganz entscheidend prägt, hat inzwischen hoffentlich jeder erkannt.

In den Apotheken sind Sie dabei von der Warenwirtschaft bis hin zur digitalen Sicht- und Freiwahl gut aufgestellt. Im Patientenkontakt läuft ebenfalls vieles digital, so etwa über die App oder im Online-Shop – und das eRezept steht ja bereits ante portas. In einem Gesundheitsmarkt jedoch, in dem nicht nur Dienstleistungen, sondern sogar Medikamente (z.B. Abilify MyCite®) zunehmend digitalisiert werden, dürfte es immer mehr darauf ankommen, sich auch Erträge über digitale Angebote an die Patienten zu sichern.

Ein Anfang wären vielleicht die zertifizierten Apps, die Ärzte neuerdings verschreiben dürfen. Dabei allerdings soll unser Berufsstand außen vor bleiben. Denn laut Bundesgesundheitsministerium ist es "grundsätzlich" nicht vorgesehen, Apotheken "im Abgabeprozess oder bei der Betreuung der Versicherten" zu beteiligen. Und weiter: "Für Anwendungen, die den Medikationsprozess betreffen, bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten." Andrew Ullmann (FDP) kommentiert das treffend: "Absurd, dass digitale Gesundheitsanwendungen und pharmazeutische Dienstleistungen fast gleichzeitig eingeführt, aber nicht gemeinsam gedacht werden."

Hier ist zum einen sicherlich unsere Standesvertretung gefragt. Zum anderen sollte sich aber auch jeder einzelne von uns Gedanken machen, wie man konkret auf die erkannten Zeichen der Zeit reagieren könnte.

Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Dr. Michael Brysch

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(17):2-2