Sie haben die Wahl!

Auf dem Erfolgs- oder Misserfolgspfad?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Der Einzelne kann seine Umwelt und die Marktbedingungen nur eingeschränkt verändern, erst recht nicht als „kleiner Einzelhändler“. Wohl aber kann er sich klügere und erfolgversprechendere Wege erschließen – oder aber gerne selbst immer wieder gegen die Wand laufen.

Bekanntermaßen kann man Dinge sehr kompliziert machen (wozu gerade wir Apotheker neigen). Oder man bricht die Herausforderungen auf die „Basics“ herunter. Letzteres wollen wir an dieser Stelle tun – wohlwissend, dass die Umsetzung im Detail knifflig sein kann. Grundsätzlich stellt sich dabei die Frage: Wie sollen überhaupt Ihre vielen Einzelmaßnahmen wirken, wenn weder die Richtung klar ist noch die eigenen Möglichkeiten abgesteckt sind? Bewegen Sie sich überhaupt noch vorwärts – oder rotieren Sie schon viel zu lange im bekannten Hamsterrad und treten insoweit beständig auf der Stelle?

Wichtig ist diese Bestandsaufnahme gerade in den jetzigen Umbruchzeiten. Der Wandel ist allenthalben spürbar. Besonders dann hilft es jedoch, eine Standortbestimmung auf der Metaebene vorzunehmen. Starke und zukunftsgerichtete Unternehmen jedweder Branche schaffen es, jeden der folgenden drei Erfolgsfaktoren hoch wirkungsvoll zu bespielen (Tabelle 1):

  • Intelligenz und Innovation: In Top-Unternehmen regieren die besten und klügsten (bisweilen schrillen oder nicht-konformistischen) Köpfe. Hier werden die Karten Innovation, Flexibilität, Kreativität und in die Zukunft gerichtetes „Out-of-the-box-Denken“ gespielt, kreative Zerstörung eingeschlossen. Im Gestern verharrende Bewahrer, Bedenkenträger und Hilfsbremser aller Art haben da kaum eine Chance.
  • Kapital: „Ohne Moos nichts los“ – aber es geht mitnichten nur um die blanke Kapitalmacht von Großkonzernen. Gerade kleine Unternehmen können einiges mehr unter dem Punkt „Kapital“ verbuchen: persönliche Netzwerke, beste Kundenkenntnis, aber auch familiäres „Kapital“. Nicht umsonst halten sich Familienunternehmen oft sehr gut, und das über lange Zeit – sofern der Zusammenhalt stimmt.
  • Durchsetzungskraft: Ohne eine gewisse Härte und Zähigkeit kann man sich nicht am Markt durchsetzen. Auch ein konsequentes Marketing, der Aufbau einer Markenstärke und die sorgfältige Beobachtung der Konkurrenz bestimmen diese Durchsetzungskraft.

Alle Säulen zählen!

Für den letztlichen Erfolg kommt es darauf an, alle drei Säulen zu stärken und auszubauen. Deshalb ergibt sich der Erfolg auch aus der Multiplikation dieser drei Faktoren. Patzen Sie nur bei einer Säule, ist das Gesamtresultat stark geschmälert und die Zukunftsfähigkeit in Gefahr.

Seien Sie ehrlich, und geben Sie sich und Ihrem Betrieb entsprechende Punkte für jede Säule (z.B. von 1 bis 5). Bitten Sie zudem Vertraute sowie Mitarbeiter um eine Bewertung. Möglicherweise differieren Eigen- und Fremdwahrnehmung deutlich. Gerade bei solchen Fragen ist die Neigung zur Selbstüberschätzung oder Fehleinschätzung recht ausgeprägt.

Was bleibt an Erkenntnis? Diese sicher etwas holzschnittartig-schematisierende Beurteilung zeigt Ihnen, ob Sie grundsätzlich in einer zukunftsweisenden Richtung unterwegs sind – und ob Sie die Ressourcen dafür besitzen. An vielen Punkten können Sie aktiv arbeiten, sei es an besserem Networking, an der inneren Einstellung, am Erkennen von „Komplexitätsfallen“ oder am Willen zu mehr Durchsetzungskraft am Markt.

Garantierter Misserfolg

Umgekehrt gibt es grundlegende Faktoren und Handlungsstränge, die fast mit Garantie in den Niedergang führen, zumindest aber den Arbeitsalltag wenig angenehm gestalten. Diese drei Punkte lassen sich wiederum wie folgt typisieren (Tabelle 2):

  • Überbordende Fortschrittskosten (hier auch als „Pseudofortschritt“ bezeichnet): Darunter verstehen wir das grassierende Phänomen des „abnehmenden Grenznutzens“. Es wird immer mehr Aufwand für einen stetig abnehmenden Zusatznutzen betrieben. Wir sehen das bei vielen „innovativen“ Arzneimitteln, bei denen Preis und Zusatznutzen in keinem vernünftigen Verhältnis mehr stehen. Die vielbeschworene Digitalisierung ist an vielen Punkten ein prominentes Beispiel für „Pseudofortschritt“. Oft wird Arbeit schlicht nur verlagert (gerne auf die Kunden) oder früher Selbstverständliches (wie ein direkter Anbieter-Kunden-Kontakt) auf „Plattformen“ transferiert, die dafür zusätzlich die Hand aufhalten. In der Apotheke kommen viel zu hohe Investitionen für einen nur geringen Nutzen in Betracht, z.B. eine „overdesignte“, gar nicht von den Kunden wertgeschätzte Einrichtung oder so manch teures, digitales Gimmick.
  • Komplexität: Diese erweist sich als die Großbaustelle schlechthin – mit enormen Kosten. Alles wird immer kleinteiliger, regulierter, undurchdringlicher – und somit aufwendiger. Das geht Hand in Hand mit dem bereits erwähnten „Pseudofortschritt“. Die Apothekenwelt mitsamt Standesführung bildet da ein Musterbeispiel für Verkomplizierungs-Experten. Allerdings gibt es diese Probleme in der gesamten Gesellschaft.
  • Misstrauen: Wir haben heute geradezu grotesk-überbordende Sicherheitsansprüche. Damit verbunden ist eine zunehmende Misstrauens-, Überwachungs- und Kontrollkultur, die durch die immer höher entwickelte (komplexere!) Technik befördert wird und somit wiederum zahnradartig in die obigen beiden Punkte greift.

Auch hier zählt die Multiplikation der Einzelfaktoren, wie bereits bei den Erfolgsfaktoren erläutert. Je größer das Produkt, umso wahrscheinlicher sind wachsende Probleme – und umso unerquicklicher dürfte Ihr Arbeitsalltag sein. Schon heute sind Ihre Kosten dann vermutlich überproportional hoch und Ihr Gewinn unterdurchschnittlich gering, was ebenfalls Ihre Zukunftsfähigkeit beeinträchtigt und Ihre Spielräume einengt.

Wettbewerbsvergleich

Ganz wichtig: Nehmen Sie die obigen Einschätzungen auch für Ihre wichtigsten Wettbewerber vor! Beurteilen Sie auf diese Art und Weise zudem scheinbar übermächtige „Lieblingsgegner“, z.B. aus der Versandbranche – und natürlich Ihre Konkurrenten im Umfeld. Lernen Sie dabei von den Stärken anderer, und umgehen Sie möglichst deren Schwächen! Bereits Aristoteles wusste: „Du kannst den Wind nicht ändern, aber Du kannst die Segel anders setzen.“

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(18):4-4