Ihre „Filiale“ im Internet (Teil 4)

Heimvorteil statt Preisvorteil


Simon Nattler

Der Antrag ist gestellt, die internen Abläufe sind geregelt, und das Team brennt vor Motivation. Einem Start des Apotheken-Shops in die Onlinewelt steht nichts mehr im Wege. Wie aber gestaltet und bewirbt man den Shop so, dass er auffällt – und dass der Kunde auch tatsächlich kauft?

Wer sich mit der Innenarchitektur einer Vor-Ort-Filiale beschäftigt, wird auf die richtigen Laufwege für die Kunden achten. Schließlich soll sich der Kunde direkt beim Betreten der Apotheke willkommen fühlen. In Ihrer neuen „Online-Filiale“ ist das ganz ähnlich.

Mobile first

Wer online sichtbar sein möchte, kommt natürlich am Smartphone nicht vorbei. Hier gilt: Der Kunde muss die wichtigsten Informationen mit nur wenigen Klicks erhalten. Da der Bildschirm des Smartphones im Vergleich zum Laptop kleiner ist und sich schlechter überblicken lässt, stöbert der Kunde weniger und sucht stattdessen mehr konkret. Und was er so nicht findet, existiert für ihn im Zweifel nicht.

Das wiederum kann vorteilhaft für Sie sein, denn die Kunden lassen sich – ähnlich wie in der Offizin – steuern. Vor Ort fragen sie schließlich ebenfalls nicht nur nach konkreten Produktnamen, sondern auch nach Indikationen wie Schmerzen oder Husten. Sie sollten daher für jede Hauptindikation Ihre Empfehlungen, nicht aber alle infrage kommenden Produkte hinterlegen – ganz so wie im Freiwahlregal. Als Faustregel gilt dabei: Nie mehr als 20 bis 30 Artikel pro Kategorie!

Für Arzneimittel sind die Indikationen klar und können meist vom Shop-Anbieter eingespielt werden. Je nach Spezialisierung bietet es sich aber an, weitere Mischkategorien zu benennen, z.B. „Junge Familie“ oder „Fit im Alter“ – zumal gerade hier dann doch mal gerne gestöbert wird.

Der Inhalt zählt

Hat der Kunde ein Produkt gefunden, will er sich natürlich vergewissern, dass es auch das richtige ist. Dazu benötigt er ein aktuelles Packungsfoto. Solche Fotos werden teils vom Shop-Anbieter mitgeliefert. Ist das nicht der Fall oder reicht die Qualität nicht aus, können Sie Fotos bei speziellen Anbietern für wenig Geld hinzubuchen. Darüber hinaus sollte die Anbindung an die ABDA-Datenbank Standard sein. So kann der Kunde (zumindest bei Arzneimitteln) in die Packungsbeilage schauen und seine Entscheidung absichern.

Meistens lohnt es sich nicht, selbst weitere Informationen zu den Arzneimitteln zu erstellen. Denn das ist langwierig und muss rechtlich korrekt sein. Für das Nebensortiment (z.B. Kosmetika) kann das jedoch anders aussehen.

Da der Shop Bestandteil Ihrer Webseite sein sollte (vgl. AWA 14/2020, "Entscheidend ist die Strategie"), gilt es, hier nicht nur die Produkte vorzustellen, sondern auch die Basisinformationen zur Apotheke zu hinterlegen (selbst wenn viele davon über das Google-MyBusiness-Profil abgedeckt werden). Neben den Öffnungszeiten und den (prominent platzierten!) Kontaktmöglichkeiten ist es vor allem wichtig, Ihr aktuelles Team mit Fotos zu zeigen (natürlich nur mit dem Einverständnis der Mitarbeiter). Denn nichts schafft so viel Vertrauen wie die Gesichter der verantwortlichen Menschen! Gerade regionale Käufer erkennen dann, dass ihre Online-Bestellung von den gleichen Mitarbeitern bearbeitet wird wie eine Bestellung vor Ort.

Kurzer Prozess

Wer kaufen will, sollte nicht aufgehalten werden. Leider hapert es aber häufig gerade im Check-out-Prozess. Hier brechen die Kunden den Kaufvorgang am häufigsten ab – obwohl sie doch bereits alle Produkte im Warenkorb hatten! Achten Sie daher beim Bestellabschluss auf folgende Punkte:

  • Bestellmöglichkeit auch ohne Registrierung,
  • kurze Formulare mit nur den essenziellen Feldern sowie
  • bekannte Zahlungsarten wie PayPal und (ja!) auch Amazon Payments.

Bei den Zahlungsarten gilt: Je mehr, desto besser! Rechnungen sind zwar immer noch sehr beliebt, aber riskant – und werden auch nicht mehr zwingend von den Kunden gefordert. Sicherer ist da die Zahlung per Lastschrift. Oder Sie setzen auf Anbieter wie Klarna oder PayPal PLUS, auf die Sie das Ausfallrisiko für ein paar Gebühren übertragen können.

Beachten Sie immer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Anbieter: So erlaubt z.B. PayPal keine Bezahlung von Bestellungen mit Rx-Arzneimitteln.

Wichtig: Klären Sie die Zahlungsarten auf jeden Fall vorab mit Ihrem Steuerbüro ab, damit es nicht zu Verwirrungen und Buchungsfehlern kommt!

Nichts ist für Kunden ärgerlicher, als nach der Bestellung zu erfahren, dass ein Produkt aktuell nicht lieferbar ist. Um schlechte Bewertungen zu vermeiden, sollten Sie daher eine Verfügbarkeitsanzeige in den Shop einbinden. Möglich wird das mithilfe von Großhändler-Schnittstellen, über die sich der Bestand mehrmals täglich abgleichen lässt.

3 – 2 – 1: Lift off!

Ein Problem: Kein Kunde läuft so zufällig an Ihrer nun fertigen „Online-Filiale“ vorbei wie an einer neuen Apotheke vor Ort. Deswegen müssen Sie anders auf sich aufmerksam machen. Auch wenn es nicht Ihre grundsätzliche Ausrichtung bestimmen sollte, spricht nichts dagegen, das für ausgewählte Produkte über kostenpflichtige Preissuchmaschinen zu tun. Denn die führen zu hohem Traffic. Dann jedoch zählt auch nur der nackte Preis! Zudem zahlen Sie zwischen 20 und 50 Cent – und zwar nicht pro Kauf, sondern pro Klick! Was abschreckend klingt, ist im Prinzip nichts anderes als Flyerwerbung: Hier sind die Druck- und Verteilungskosten auch einzuberechnen.

Ziel sollte es sein, Spontankäufer zu Stammkunden zu machen – was in der Realität aber oft schwierig ist. Daher bieten sich Preissuchmaschinen vor allem für Sortimente an, die Sie besonders günstig einkaufen. Auch wenn hier meist keine wirklichen Gewinne zu erwarten sind, können die kontinuierlichen Käufe doch dazu beitragen, die monatlichen Shop-Kosten zu amortisieren.

Weiterhin können Sie mit regionalen Marketing-Maßnahmen auf den Online-Shop aufmerksam machen. Stellen Sie dabei aber nicht den Preis in den Vordergrund – auch wenn vor allem wir Apotheker selbst uns häufig von den Lockangeboten der großen Versender beeinflussen lassen. Führen Sie den Kunden stattdessen mit regionalen Aktionen vor Augen, dass Sie andere Vorteile bieten: Sicherheit, Schnelligkeit und Regionalität.

Sicherheit

Natürlich sind auch bei DocMorris und Co. Bestellungen sicher und Fälschungen sehr selten. Aber kein Kunde kauft zu 100% online, Dringendes wird weiterhin in Laufnähe erworben. Der Vorteil, wenn ein Kunde alle On- und Offline-Käufe bei einer einzigen regionalen Apotheke tätigt: Er hat einen kompletten Medikations-Check.

Schnelligkeit

Kunden sind bereit, mehr zu zahlen, wenn das Produkt schneller geliefert wird. Das kann niemand besser bewerkstelligen als wir Apotheken mit unseren (teils seit Jahrzehnten!) optimierten Botendiensten. Nur: Viele Kunden wissen überhaupt nichts von diesem Service! Gerade die Jüngeren halten die vermeintlich schnelle Zwei-Tages-Lieferung der Versandapotheken für das Nonplusultra, weil sie in den Social Media jeden Tag damit konfrontiert werden!

Übrigens: Wenn Sie bei Abholung oder Lieferung Barzahlungen akzeptieren, erreichen Sie eine Zielgruppe, die bei Online-Bestellungen sonst außen vor bleibt.

Regionalität

Verbraucher stehen regionalen Angeboten heute so aufgeschlossen gegenüber wie nie – Bauernhofshops machen es vor. Kunden kaufen aber vor allem dann gerne regional, wenn das so bequem ist, wie sie es erwarten. Verdeutlichen Sie also, dass Sie für Ihre Region stehen und dass man bei Ihnen bequem einkaufen kann.

Mein Tipp zum Abschluss: Setzten Sie alles daran, Ihre Online- und Ihre Vor-Ort-Filiale(n) so eng miteinander zu vernetzen, wie es geht! Schaffen Sie keinen Graben zwischen beiden Welten, denn der existiert beim Kunden schon lange nicht mehr. Ein einfacher Apotheken-Online-Shop ist im Web verloren, aber eine „Online-Filiale“ profitiert vom lokalen Bezugspunkt. Und das ist ein Faustpfand, das Ihnen kein Versandkonzern streitig machen kann.

Simon Nattler, Inhaber der ELISANA-Apotheken, Gründer der Team-App apocollect, 45896 Gelsenkirchen, E-Mail: inbox@apocollect.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(18):6-6