Klimaschutz in der Apotheke

Mit Vernunft und guter Außenwirkung


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Obwohl die Apotheken mitnichten wenigen Herausforderungen gegenüberstehen, wird das Thema Klimaschutz jetzt wieder in den Mittelpunkt gerückt. Aus rein betrieblich-ökonomischer Sicht drohen gefährliche Mehrfachbelastungen, die es klug zu umschiffen bzw. positiv zu wenden gilt.

Unser kleines Deutschland mit 1% der Weltbevölkerung und gut 2% der weltweiten CO2-Emissionen wird das Klima nicht "retten", und selbst die EU kann dies mit 6% der Menschen und gut 10% der Emissionen nicht. Das Schicksal der Welt wird von anderen Mächten – vornedran China, die USA, Russland und Indien – bestimmt.

Doch unser "EU-Klimazug" rollt unaufhaltsam. Versuchen Sie erst gar nicht, hinter den größeren Sinn von jetzt immer weiter um sich greifenden Maßnahmen aller Art – von sehr sinnvoll bis vollkommen grotesk – zu kommen. Als Einzelner, noch dazu als haftender Unternehmer, können Sie nur versuchen, das Beste aus der Lage zu machen und sie sogar positiv für sich zu nutzen. Exorbitante Summen werden bewegt werden, und es liegt auch an Ihnen, ob Sie auf der Geber- oder Nehmerseite stehen. Einige Aspekte dazu haben wir übrigens bereits zu Jahresbeginn erörtert (vgl. AWA 1/2020).

Eigene Umweltbilanz

Im ersten Schritt soll es darum gehen, mit überschaubarem Aufwand einen Umwelt-Ist-Zustand zu beschreiben. Anfänglich mag das Denken "bis zur Ladentür" ausreichen. Das grundlegende Problem sind jedoch die Systemgrenzen. Wenn Sie alle Waren und Dienstleistungen, die Sie beziehen, auf den Öko- und CO2-Fußabdruck hin analysieren wollen, wird es extrem aufwendig – zumal Sie letztlich auf Angaben der Lieferanten und etliche Annahmen angewiesen sind.

Trotzdem müssen wir auch mit einbeziehen, was Sie quasi importieren und insoweit in Ihrer Bilanz stehen haben. Man denke an Betriebs- oder Konsumgegenstände aller Art, die einen hohen Energieaufwand sowie gegebenenfalls seltene oder hinsichtlich ihrer Gewinnung "schmutzige" Rohstoffe erfordern.

Auch die vielbeschworene Digitalisierung schneidet da nicht unbedingt gut ab. So benötigen die vielen Elektronikkomponenten seltene Rohstoffe und viel Energie. Unser digitaler Medienkonsum ist ebenfalls ein veritabler Energiefresser. Eine Stunde Nutzung von Streaming-Diensten wird im Bereich von 2 bis 3 kg CO2 gehandelt, was mithin 10 bis 20 km Autofahrt entspricht. Die immer höheren Datenmengen sind das Problem, selbst wenn die Serverfarmen an sich immer effizienter werden.

Wenn Sie eine persönliche CO2-Bilanz aufstellen möchten, schauen Sie einmal auf die Checkliste.

Im Grunde können Sie diese Liste sowohl für Ihren betrieblichen als auch – getrennt davon – für Ihren privaten Bereich verwenden. Entwickeln Sie auf dieser Basis eine eigene Vorstellung von Ihrem CO2-Fußabdruck. Ein einfaches Beispiel:

Die Raben-Apotheke habe eine Fläche von 200 m2, setze insgesamt 100.000 Packungen im Jahr um und weise folgende Energieverbrauchswerte pro Jahr auf, die aus den Abrechnungen der Energieanbieter ersichtlich sind:

  • Stromverbrauch: 30.000 KWh,
  • Heizung und Warmwasser (Erdgas): 35.000 KWh,
  • Spritverbrauch betriebliche Fahrzeuge: 550 l Benzin.

Rechnen wir mit den spezifischen CO2-Emissionen der einzelnen Energieträger nach Tabelle 1, kommen wir auf einen Gesamtausstoß von 20.265 kg bzw. rund 20 t. Pro Packung fallen also 203 g CO2 an – das wäre der entscheidende Vergleichswert für künftige Bilanzen. Nebenbei: Jeder Bundesbürger hinterlässt in unserer Republik einen Gesamt-CO2-Fußabdruck von rund 10 t jährlich (einschließlich weiterer Treibhausgase wie Methan etc., die hier bereits in CO2-Äquivalente umgerechnet sind).

Wie schon erwähnt, ist dies eine einfache, abgekürzte Bilanz – aber immerhin! Für Ihren reinen Betriebsbedarf "importieren" Sie eben zusätzlich noch eine ganze Menge unabhängig von Ihrer Verkaufsware. Vom Schreib- und Klopapier bis zu den Gerätschaften und Einrichtungsgegenständen, von den Reinigungsmitteln bis zu den diversen Chemikalien in der Apotheke: All dies wäre der Ladenbilanz noch zuzuschlagen. Praktisch wird das jedoch schwierig zu berechnen sein. In jedem Fall können Sie aber, wie in der Checkliste vorgesehen, all jene Waren kritisch sichten, bei deren Bezug Sie die freie Wahl haben. Erwägenswert ist z.B. eine "Plastik-Bilanz". Pragmatisch lässt sich die Anzahl der befüllten "gelben Säcke" bzw. Wertstoff-Tonnen als Grundlage nehmen.

Blick zum Kunden

Schauen wir über die Ladentür hinaus, fällt der Blick sofort auf den Kunden. Jeder Kunde nimmt pro Einkauf ungefähr 1,7 bis 2 Packungen mit. Je Kunde würden im obigen Beispiel damit im Minimum etwa 345 g bis 405 g CO2 für die "Inanspruchnahme" der Apotheke anfallen. Doch welchen CO2-Abdruck hinterlassen die Kunden zusätzlich beim Aufsuchen der Apotheke? Je nach Lage resultieren hier erheblich differierende Anfahrtsstrecken und Verkehrsmittel. Botendienste können da unter Umständen sogar auch eine ökologische Entlastung bedeuten.

Vergessen Sie nicht die Kommunikation! Gelingt es Ihnen, das Kundenverhalten zu beeinflussen, ist der mögliche "Multiplikatoreffekt" weit (klima-)wirksamer als nur die Optimierung der eigenen Apotheke. Zudem verschaffen Sie sich ein Image als nachhaltig wirtschaftender Betrieb und erarbeiten sich so eine starke Marke – sicher nicht zu Ihrem ökonomischen Nachteil.

Private Finanzen

Angesichts der enormen Beträge, die zur Umverteilung anstehen, wird es Gewinnerfirmen geben, die sich auch auf den Kurszetteln der Börsen finden. Achten Sie dabei auf eine hohe Kompetenz in den Bereichen Umwelt-, Wasseraufbereitungs- und/oder Batterie-/Energiespeicher-/Brennstoffzellen-Technologien. Manches ist aber bereits spekulativ überzogen.

Weniger bekannt sind die Gebäude- und die alternative Heiztechnik, wo Milliardeninvestitionen winken. Gute Geschäfte macht man mit weltmarktführenden, renditestarken Speziallieferanten, von denen selbst große Firmen abhängig sind. Man überlege sich jedoch sehr sorgfältig, inwiefern sich geschlossene Beteiligungen an Solar- und Windparks, Waldbeständen etc. lohnen. Denn hier lauern viele Fallstricke. Hingegen dürfte die Investition in CO2-Zertifikate ein zwar überschaubares, dafür aber recht sicheres Potenzial aufweisen.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(19):6-6