Editorial

Gerade jetzt


Dr. Michael Brysch

Liebe Leserinnen und Leser,

ein winziges Virus wirbelt unsere Weltordnung gerade gehörig durcheinander. Anders aber als etwa nach den Pandemien des Mittelalters werden wir, wenn das Schlimmste einmal vorüber ist, wohl kaum in den Status quo ante zurückkehren. Um mit dem Journalisten Gabor Steingart zu sprechen: "Damals gab es keine Alternative zur Gegenständlichkeit. Die Welt nach der Pest war die Welt vor der Pest. Heute aber existiert […] neben der Welt der anfassbaren Dinge eine Welt des vernetzten Virtuellen. Wir werden sie jetzt gemeinsam betreten."

Als ob die einzelne Vor-Ort-Apotheke gerade jetzt nicht schon mehr als genug damit zu tun hätte, sich neben dem alltäglichen Wahnsinn zusätzlich mit Schutzkonzepten, Mitarbeitern in Quarantäne oder der verunsichert-gereizten Stimmung herumzuschlagen: Gerade jetzt findet also die Verlagerung in die virtuelle Welt statt. Nicht nur, dass sich die Patienten immer stärker ins Netz orientieren. Gerade jetzt fahren auch die Großen und die ganz Großen mächtige Geschütze auf, um ihren Platz in der Gesundheitswelt von morgen zu zementieren. So hat der Zur-Rose-Konzern, der ja bereits im Juli mit der TeleClinic-Übernahme in den Telemedizin-Markt eingestiegen ist, über seine Tochter eHealth-Tec die Finger neuerdings auch beim E-Rezept-Fachdienst mit im Spiel. Und Amazon breitet die Fangarme mit "Amazon Pharmacy" (zunächst) im US-amerikanischen Apotheken-Sektor weiter aus.

Insofern ist es gerade jetzt an der Zeit, gemeinsam zu überlegen, was unser Berufsstand dem vereint entgegensetzen kann (vgl. auch den Beitrag "Warum wir den Digitalisierungsweg gemeinsam gehen sollten"). Wie sagte einst Kurt Tucholsky (1890–1935): "Wir sind stark, wenn wir zusammenhalten: die Starken und Schwachen, die Jungen und Alten."

Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Dr. Michael Brysch

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(23):2-2