Knöllchen und Co. im Botendienst

Sind Verwarnungsgelder lohnsteuerpflichtig?


Helmut Lehr

Bei der Medikamentenzustellung im Botendienst lassen sich vereinzelte Verwarnungsgelder wohl kaum vermeiden. Übernehmen Sie diese für Ihre Mitarbeiter, liegt darin womöglich ein geldwerter Vorteil.

Im Jahr 2004 hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Übernahme von Verwarnungsgeldern, die gegen Mitarbeiter verhängt werden, aus eigenbetrieblichem Interesse erfolgt und deswegen nicht der Lohnsteuer unterliegt. Damals ging es um Fahrer, die gegen das Halteverbot verstoßen hatten.

Knapp zehn Jahre später vollzogen die obersten Steuerrichter eine Kehrtwende (Urteil vom 14.11.2013, Aktenzeichen: VI R 36/12). Im Streitfall hatten sich Lkw-Fahrer nicht an die Lenk- und Ruhezeiten gehalten und sollten daher persönlich Verwarnungs- bzw. Bußgelder zahlen. Bei einem Verwarnungsgeld, so die Richter, stünde das rechtswidrige Tun des Arbeitsnehmers im Vordergrund, und dieses könne nicht durch "betriebliche Gründe" überlagert werden. Deshalb führe die Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber zu steuerpflichtigem Arbeitslohn.

Eigene Schuld?

Nun kommt erneut Bewegung in die Sache. Der Bundesfinanzhof musste nämlich kürzlich darüber entscheiden, ob die Übernahme von Verwarnungsgeldern, die gegen den Arbeitgeber als Fahrzeughalter festgesetzt werden, als Arbeitslohn für den jeweiligen Fahrer (Mitarbeiter) zu werten ist. Im ersten Schritt hat das Gericht nun festgestellt, dass die Zahlung durch den Arbeitgeber auf eine eigene Schuld (als Fahrzeughalter) erfolgt. Daher handele es sich nicht um Arbeitslohn für den Mitarbeiter, der sich durch Parkverstöße ordnungswidrig verhalten hat (Urteil vom 13.08.2020, Aktenzeichen: VI R 1/17).

Hinweis: Auch die Vorinstanz hatte zugunsten des Arbeitgebers, eines Paketzustelldienstes, entschieden (vgl. AWA 7/2017).

Ausgang weiter offen

Auf den ersten Blick setzt das aktuelle Urteil des Bundesfinanzhofs zwar ein sehr positives Signal für Apothekeninhaber, deren Mitarbeiter Medikamente mit apothekeneigenen Fahrzeugen ausliefern. Denn: Auch hier werden die Verwarnungsgelder wohl regelmäßig gegen den Fahrzeughalter festgesetzt, der dann auf seine eigene Schuld zahlt.

Aber: Den obersten Steuerrichtern war das offenbar zu einfach. Die Sache wurde nämlich an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Dieses müsse in einem zweiten Schritt prüfen, ob der Arbeitgeber zivilrechtlich einen Regressanspruch gegenüber seinen Mitarbeitern hat. Schließlich weise er seine Fahrer ja in der Regel an, sich an die geltenden Verkehrsregeln zu halten. Bestehe ein solcher Regressanspruch – egal ob auf gesetzlicher oder (arbeits-)vertraglicher Grundlage –, sähe die Sache schon wieder ganz anders aus. Denn dann müsse das Finanzgericht feststellen, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber auf diesen Anspruch "verzichtet" habe (Erlassvertrag gemäß §397 Bürgerliches Gesetzbuch).

Soll heißen: Die Zahlung des Verwarnungsgeldes auf eine eigene Schuld des Arbeitgebers führt zwar nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Macht der Arbeitgeber aber einen bestehenden Regressanspruch gegenüber seinen Mitarbeitern nicht geltend, gewährt er ihnen einen (lohnsteuerpflichtigen) geldwerten Vorteil.

Hinweis: Es sieht also momentan noch nicht danach aus, als ob vom Arbeitgeber gezahlte Verwarnungsgelder problemlos lohnsteuerfrei sind. Insoweit bleibt die weitere Prüfung des Finanzgerichts abzuwarten. Ohnehin dürfte die Chance auf "Lohnsteuerfreiheit" nur dann bestehen, wenn die Boten nicht in ihrem privaten Wagen, sondern in apothekeneigenen Fahrzeugen unterwegs sind.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(23):18-18