Geld sparen mit der Warenwirtschaft (Teil 2)

Warum eine Matrix keine Science-Fiction für die Apotheke ist


Florian Giermann

Die Warenwirtschaft bietet viele Möglichkeiten, Ihr Lager zu optimieren. In diesem zweiten Teil unserer kleinen Serie klären wir zunächst einige Grundlagen, um Ihnen anschließend vorzustellen, was es mit einer Matrix im Apothekenkontext auf sich hat.

Nach §1 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) müssen Apotheken die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Konkretisiert wird das u.a. in §15 Abs. 1 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Danach haben Apotheken neben dem Notfalldepot den Durchschnittsbedarf an Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten für eine Woche vorrätig zu halten. Das Warenlager muss also schon rein rechtlich einen Mindestbestand aufweisen.

Kosten versus Kunden

Die Artikel in Ihrem Lager haben Sie zwar schon ein-, aber noch nicht verkauft. Sie mindern somit die Liquidität und binden Kapital, das sich nicht anderweitig gewinnbringend anlegen lässt. Zudem generieren diese Artikel die folgenden indirekten Kosten:

  • Personalkosten (z.B. für die Aufgaben im Backoffice, die Reinigung und die Verwaltung des Lagers),
  • Mietkosten (sofern Ihnen das Gebäude nicht gehört),
  • Einrichtungskosten (z.B. für Regale, Kühlschränke oder den Kommissionierer) und
  • laufende Kosten (z.B. für die Beleuchtung, Heizung oder Kühlung).

Neben den genannten Kosten können auch noch Wertverluste zu Buche schlagen, z.B. wenn Ware verfällt oder der Preis nach dem Einkauf reduziert wird, sowie natürlich auch bei Festbetragsanpassungen.

Nun lässt sich die Kostenproblematik nicht lösen, indem Sie zu wenig Ware an Lager legen. Denn zum einen können Sie eventuelle Einkaufsvorteile eher realisieren, wenn Sie größere Mengen abnehmen. Und zum anderen sind häufige Nicht-Verfügbarkeiten die Folge. Diese wiederum führen bestenfalls dazu, dass Sie öfter per Botendienst nachliefern müssen (was trotz der zwischenzeitlich festgelegten Vergütung von 2,50 € – zumindest für sich gesehen – nicht unbedingt profitabel ist). Im schlechtesten Fall aber vergraulen Sie damit aktiv Kunden, die sich dann eine besser sortierte Apotheke suchen.

Das optimale Warenlager beinhaltet daher genau die "richtigen" Artikel: So wenige wie möglich, aber so viele wie nötig!

Mit der Warenwirtschaft in die Zukunft schauen

Die Antwort auf die Frage, welche Artikel in welcher Anzahl "richtig" sind, fällt von Apotheke zu Apotheke höchst unterschiedlich aus. Orientieren Sie sich daher stets an den derzeit für Sie relevanten Faktoren. Die wichtigsten sind:

  • Was verschreiben die Ärzte in Ihrer näheren Umgebung?
  • Wie häufig ist welche Krankenkasse bei Ihren Kunden vertreten (Stichwort: Rabattverträge)?
  • Wie hoch ist der Anteil von Rx- zu Over-the-Counter (OTC)-Arzneimitteln?
  • Wie sieht es mit der Kaufkraft Ihrer Kundschaft aus?
  • Was wird derzeit in (lokalen) Zeitungen, Radio, Fernsehen etc. am häufigsten beworben?
  • Ist Ihre Apotheke Mitglied in einer Kooperation, die bestimmte Hersteller präferiert?
  • Haben Sie sich auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert?
  • Welche Saison steht gerade vor der Türe (z.B. Allergiesaison)?
  • Gibt es weitere Besonderheiten (z.B. Lieferengpässe)?

Einige dieser Faktoren sind obendrein noch dynamisch, sie können sich also im Laufe der Zeit immer wieder ändern: Denken Sie etwa an das Verordnungsverhalten der Ärzte oder die Gültigkeit von Rabattverträgen. Und obgleich der Apothekentyp (Ärztehaus-, Innenstadt-, Land- oder Center-Apotheke) bis zur Corona-Pandemie als einzig konstanter Faktor mit Einfluss auf das Warenlager galt, mussten Inhaber von Innenstadt- oder Center-Apotheken seit März 2020 leider häufig sehr drastisch das Gegenteil erfahren.

Wenn es nun darum geht, wie Sie Ihr Warenlager konkret optimal bestücken können, kommt die Warenwirtschaft ins Spiel. Schließlich kennt sie alle relevanten Grundlagen. Vor allem ermittelt sie fortlaufend, wie häufig jeder Artikel durchschnittlich innerhalb eines bestimmten Zeitraums (meist eines Monats) abgegeben wird. Diese durchschnittliche Abgabemenge ist die Basis für alle weiteren Berechnungen und Optimierungen: Mit ihr kann die Warenwirtschaft zu jeder Zeit weitgehend akkurat vorhersagen, wann welcher Lagerartikel das nächste Mal in welcher Menge verkauft werden wird.

Die idealen Maße finden

Bei der Lagerhaltung ist zwischen der Lagerbreite und der Lagertiefe zu differenzieren:

  • Von einer hohen Lagerbreite ist die Rede, wenn es für ein bestimmtes Anwendungsgebiet viele verschiedene Artikel gibt. Nimmt die Lagerbreite zu, steigt auch die Lieferfähigkeit für dieses Anwendungsgebiet.
  • Von einer hohen Lagertiefe spricht man hingegen, wenn große Mengen eines bestimmten Artikels vorrätig sind.

In der Praxis hat es sich bewährt, das Lager insbesondere für die gängigsten OTC-Kategorien möglichst breit anzulegen. Dadurch kann der Kunde beispielsweise zwischen günstigen und weniger günstigen Präparaten wählen.

Die Lagertiefe hingegen sollte von den Abverkaufszahlen der einzelnen Artikel abhängen. Steuern kann man sie über die Parameter "Bevorratungszeit" (oder individuell ähnlich benannt) und "Mindestbestand" (in manchen Systemen auch "Auslösemenge").

Die Bevorratungszeit ist diejenige Zeit, für die Sie sich bei einer Bestellung mit einer ausreichenden Anzahl an Packungen eines Artikels eindecken. Standardmäßig dürften die meisten Warenwirtschaftssysteme sie ungefähr im Bereich der Vorgaben von §15 ApBetrO eingestellt haben, also bei gut einer Woche.

Der Mindestbestand ist – wie der Name schon verrät – die Anzahl an Packungen eines Artikels, die immer an Lager sein sollen. Die Warenwirtschaft ermittelt diesen Parameter automatisch: Je häufiger ein Artikel abgegeben wird, desto höher wird sie den dazugehörigen Mindestbestand ansetzen.

Ist der Mindestbestand eines Artikels unterschritten, bestellt die Warenwirtschaft diejenige Menge nach, die benötigt wird, um ausreichend Ware für die gesamte Bevorratungszeit an Lager zu haben. Insbesondere bei Schnelldrehern sind diese beiden Parameter der effizienteste Hebel für die Steuerung der optimalen Lagertiefe.

Ausgewogen balancieren

Der personelle Aufwand für die Bearbeitung einer einzelnen Warensendung ist stets annähernd der gleiche – unabhängig davon, ob Sie eine oder zehn Packungen eines Artikels an Lager legen. Alle anderen anfänglich erwähnten Kosten nehmen allerdings mit steigendem Einkaufspreis eines Artikels zu – bis es irgendwann unrentabel wird, sich (mehr als) eine Packung an Lager zu legen.

Um das auszubalancieren, haben etliche Anbieter von Warenwirtschaftssystemen in Kooperation mit Großhändlern schon vor über zehn Jahren eine Art Bevorratungsmatrix mit den Dimensionen "Einkaufspreis" und "Abgabehäufigkeit" entwickelt: Je niedriger beide Werte sind, umso höher stellen die Systeme die Bevorratungszeit ein – und vice versa. So nimmt die Lagertiefe bei günstigen Artikeln mit geringer Kapitalbindung zu, während sie bei teuren Artikeln abnimmt.

Doch aufgepasst: Müssen Sie doch Packungen retournieren, behalten die Großhändler heute gerne mal den 70-Cent-Festzuschlag ein.

Die Bevorratungsmatrix muss initial einmal unter Berücksichtigung der spezifischen Faktoren vor Ort genau berechnet und eingestellt werden. Anschließend kalkuliert sie die Bestellmenge für jeden Lagerartikel automatisch optimal. Individuelle Einkaufsvorteile, das Risiko von Wertverlusten etc. fließen dabei mit ein.

Erfahrungsgemäß lässt sich der Lagerwert so um 10% bis 15% reduzieren, ohne dass dabei die Lieferfähigkeit beeinträchtigt wird. Mehr noch: Durch höhere Bestell- und Lagervorratsmengen von niedrigpreisigen Artikeln verbessert sich die Lieferfähigkeit sogar in den meisten Fällen.

Florian Giermann, Client Liaison Manager, Noventi Health SE, 81673 München, E-Mail: florian.giermann@noventi.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(23):8-8