Eine Aufgabe für unseren gesamten Berufsstand

Warum wir den Digitalisierungsweg gemeinsam gehen sollten


Steffen Kuhnert

Uns alle treiben aktuell die Fragen um, wie sich die Wege unserer Kunden in einer immer stärker digital vernetzten Welt verändern und welche Auswirkungen das auf die lokalen Apotheken hat. Was können wir tun, um den reinen Versendern wirklich Paroli zu bieten?

Laut Statista kaufen Kunden Arzneimittel heute u.a. online, weil sie

  • die Lieferung nach Hause,
  • die Bestellmöglichkeit rund um die Uhr und
  • den ungestörten Einkauf

schätzen. Der häufigste Grund ist aber der günstigere Preis. Ein Preiskampf der Vor-Ort-Apotheken untereinander dürfte aber kaum gewünscht sein, weil er die Branche weiter entzweien würde.

Das Zukunftskonzept für die Apotheken vor Ort kann also keine Kopie des Versandhandels sein, für den der Preis eine zentrale Rolle spielt. Vielmehr ist ein eigenes Modell gefragt, mit dem wir uns klar differenzieren und Mehrwerte schaffen, die die reinen Versender nicht bieten können. Wir sollten also analysieren, was unseren Beruf ausmacht: Warum kommen die Menschen gerade zu uns in die Apotheken? Welchen Wert stiften wir, der unsere Kunden stärker überzeugt als der Preis?

Mehr als nur Shopping

Die Apotheke ist mehr als nur ein E-Commerce- oder Logistikunternehmen. Wir sind kompetente Gesundheitsberater – und sollten uns daher auch nach außen so präsentieren.

Die Menschen stoßen an vielen unterschiedlichen digitalen Kontaktpunkten auf unsere Apotheken, so etwa über Google, über Bewertungsplattformen oder über Social Media. Und ihre Erwartungen orientieren sich immer stärker an Dingen, die sie aus anderen Branchen gewohnt sind, sei es, dass sie online mit allen Bequemlichkeiten über einen Shop bestellen oder im Netz – Stichwort: Telepharmazie – Termine ausmachen können.

Heißt das jetzt aber, dass wir all das auch in den Apotheken umsetzen müssen, um den Menschen in unserem lokalen Umfeld zu zeigen, dass wir zeitgemäß und innovativ sind? Nein, das heißt es nicht! Denn erfahrungsgemäß ist das für die einzelne Apotheke häufig ein kaum lösbares Unterfangen. Die Digitalisierung kann dann schnell zu Überforderung, Ängsten und Sorgen führen.

Die einzelne Apotheke sollte sich daher auf diejenigen Kontaktpunkte konzentrieren, die effektiv den größten Nutzen stiften. Dazu nachfolgend ein paar Ideen.

Oberste Priorität für Google

Ganz oben auf der Empfehlungsliste für die einzelne Apotheke steht das Google-Universum. Denn

  • jede zwanzigste Suchanfrage über den Internetgiganten hat bereits einen Gesundheitsbezug, und
  • 75% der Menschen, die sich bei Google über ein lokales Geschäft oder sein Sortiment informieren, werden dieses Geschäft auch in den kommenden 24 Stunden besuchen.

Daher kommen Sie nicht darum herum, sich etwas Zeit zu nehmen, um die Informationen in Ihrem Google-Unternehmensprofil sauber zu pflegen und mit professionellen Fotos zu untermauern. Die richtigen Signale setzen Sie auch, wenn Sie regelmäßig Beiträge posten und auf Google-Rezensionen antworten.

Die eigene Webseite hat bei unseren Kunden längst nicht den Stellenwert, den wir uns vielleicht wünschen. Dennoch sollten Sie darauf achten, dass die Seite in einem modernen "Outfit" daherkommt und sich vor allem auch auf mobilen Endgeräten problemlos nutzen lässt. Vielen Webseiten täte sicherlich auch eine Entschlackungskur gut: Wenn sie nämlich mit Informationen überladen sind, verfehlen die Seiten in der Regel ihr Ziel.

Eine weitere sinnvolle Maßnahme könnte ein eigener Webshop sein, der idealerweise in Ihre Webseite integriert ist. Denn wenn Shop und Homepage getrennt voneinander laufen, sorgt das häufig für Verwirrung bei den Kunden und wird überdies als unpraktisch wahrgenommen.

Social Media: Ein Muss?

Heutzutage entsteht schnell der Eindruck, dass kein Weg um Social Media herumführt. Und natürlich können Social-Media-Aktivitäten durchaus zur erfolgreichen Kundenbindung beitragen. Seien Sie sich aber bewusst, dass das einer klaren Budgetierung bedarf – zeitlich wie auch finanziell. Gutes Social-Media-Marketing läuft nicht mal eben nebenbei.

Die Menschen nutzen die sozialen Netzwerke, um unterhalten zu werden, um sich zu informieren und um vor allem "Gespräche" mit anderen zu führen. Daher finden auf attraktiven Social-Media-Accounts entsprechende Interaktionen statt: Die Menschen teilen Beiträge und diskutieren eifrig in den Kommentaren.

Überlegen Sie sich gut, ob Sie diesem Anspruch gerecht werden können: Haben Sie eine Idee, warum die Menschen gerade Ihnen und Ihrer Apotheke im Netz "zuhören" sollten? Dann nutzen Sie die vielfältigen Möglichkeiten von Social Media! Wenn Sie aber keine Idee haben, mit welchen Inhalten Sie sich von den knapp 19.000 anderen Apotheken wirklich unterscheiden können, gilt: Social Media ist kein Muss! Ein langweiliger Social-Media-Auftritt, der niemanden interessiert, erweist sich nämlich am Ende als Zeit- und Geldverschwendung – zumal er schlimmstenfalls sogar kontraproduktiv wirken kann.

Zu platt als Lösung?

Soweit also einige Ideen, die Sie alle für sich umsetzen können. Das große Gesamtkonzept hingegen sollte aus der Gemeinschaft erwachsen.

In diesem Rahmen stellt sich die Frage, ob eine Vor-Ort-Apotheken-Plattform die Lösung sein kann? Klar, Plattformen bestimmen in vielen Branchen bereits den Markt. Denken Sie nur an die Internetgiganten Google, Apple, Facebook und Amazon (GAFA), die zu den erfolgreichsten Unternehmen der Welt gehören. Daher liegt der Schluss nahe, dass eine Plattform auch in der Arzneimittelversorgung den digitalen Durchbruch erzielen kann.

Deshalb wurde das Rennen um die "Deutsche-Apotheken-Plattform" längst eröffnet. Allerdings ist unser Berufsstand gut beraten, sich in diesem Rennen nicht nur auf externe Player zu verlassen, sondern auch eigene Lösungsansätze zu erarbeiten. Ansonsten werden wir nämlich langfristig unseren Stellenwert einbüßen.

Plattformen schaffen für die Nutzer eine völlig neue Markttransparenz, indem sie Angebote von konkurrierenden Anbietern vermitteln. Die Attraktivität und der Erfolg wachsen in der Regel mit der Anzahl der feilgebotenen Produkte. Der Nutzer erlebt ungeahnte Auswahl-Dimensionen, die seine lokale Einkaufsstruktur niemals abbilden könnte und für die er auch im Netz andernfalls sehr viel recherchieren müsste.

Wie aber sieht das Ganze im Apothekenkontext aus? Hier gilt: Aus Kundensicht unterscheiden sich die einzelnen Apotheken im Hinblick auf ihr Sortiment kaum, auch weil sie über die Großhändler umfassende Möglichkeiten haben, fehlende Produkte kurzfristig zu beziehen. Insofern sind Apotheken diesbezüglich austauschbar. Eine Plattform, die rein auf die Beschaffung von apothekenüblichen Waren ausgerichtet ist, erhöht die Markttransparenz und den Kundennutzen folglich kaum.

Nur gemeinsam sind wir stark!

Die aktuelle Herausforderung für unseren Berufsstand liegt darin, ein Synonym für die auch im Netz vertretene Apotheke – die "digitale Apotheke" – zu entwickeln.

Mit dem roten Apotheken-A ist es uns in der Vergangenheit gelungen, solch ein Synonym für die qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung und die niederschwellige Gesundheitsberatung vor Ort zu schaffen. Jetzt müssen wir das Ganze in die digitale Welt transferieren und damit eine Lösung finden, die die Menschen auch dann automatisch mit Gesundheit assoziieren, wenn sie gerade einmal nicht in die nächstgelegene Apotheke aufbrechen möchten oder können.

Diese Herausforderung lässt sich nur meistern, wenn der ganze Berufsstand an einem Strang zieht. Schließen wir uns also zusammen, um mit einem tragfähigen Konzept optimistisch in die Zukunft blicken zu können!

Steffen Kuhnert, Apothekeninhaber, Gründer der Initiativen Laboration und #DieDigitaleApotheke, 50672 Köln, E-Mail: post@steffenkuhnert.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(23):10-10