Hand in Hand zum Wohle des Patienten

Wie die Zusammenarbeit mit dem Arzt gelingt


Dr. Michael Brysch

Auch wenn Apotheker und Ärzte mancherorts noch klischeehaft als "Lieblingsfeinde" gelten: Ohne den anderen geht es einfach nicht. Wir haben bei Apothekeninhaber Christian Schmidt nachgefragt, wie ihm die Zusammenarbeit mit den Ärzten in einem Detmolder Gesundheitszentrum gelingt.

Als Schmidt 2006 nach Detmold kam, pachtete er zunächst eine Apotheke, um sich selbstständig zu machen. Schnell erfuhr er aber, dass auf dem Gelände des Klinikums Lippe-Detmold ein neues Ärztehaus entstehen sollte. Er brachte sich ins Gespräch – und so führt er heute die Medicum Apotheke im Erdgeschoss des gleichnamigen, 2008 gegründeten Gesundheitszentrums. Seit 2010 sind alle Freiflächen im Haus belegt. Mittlerweile gibt es im Medicum mehr als 26 Ärzte verschiedenster Fachrichtungen und u.a. auch ein Sanitätshaus.

Grundsteine legen

Im Vorfeld der Gründung – also zwischen 2006 und 2008 – setzten sich alle Beteiligten auf Initiative von Investor und Klinikum zusammen, um grundsätzliche Fragen zu besprechen. Input bei diesen Treffen lieferten auch ein Moderator sowie mehrere Rechtsanwälte und Steuerberater.

Zunächst habe man sich überlegt, so Schmidt, in welcher Form man nach außen hin gemeinsam auftreten könne. Ein Verein sei nicht infrage gekommen, denn "da ist einer der Doofe" – nämlich der Vorsitzende, der für alles haftet. Insofern habe man sich für eine GmbH und Co. KG entschieden, deren Geschäftsführer Schmidt seither zusammen mit zwei Ärzten ist.

Über diese Medicum Detmold GmbH & Co. KG managt man vor allem die gemeinsame Infrastruktur. Dabei geht es in erster Linie um Themen "fernab jeder Fachlichkeit", die aber trotzdem geregelt werden müssen, wie etwa die Gebäudereinigung, die Abfallentsorgung, Fahrradparkplätze oder auch den Wachdienst. Das Schilder- und das Bestuhlungskonzept im Haus hat man ebenfalls gemeinsam entworfen, und eine neue, einheitliche Leuchtreklame wurde gerade erst beauftragt. Zudem gibt es eine gemeinsame Telefon-/Internetanlage.

Werben mit "Netto"-Nutzen

Ebenfalls im Vorfeld der Gründung haben sich Schmidt und die anderen Beteiligten intensive Gedanken darüber gemacht, wie sie das Medicum als Marke nach außen präsentieren können – und ihr Konzept im Laufe der Jahre dann stetig weiterentwickelt: Das Medicum-Logo, eine eingetragene Wort-Bild-Marke, "taucht quasi überall auf", sei es auf dem individuellen Briefpapier der einzelnen Einrichtungen, auf der gemeinsamen Homepage, auf der Medicum-Facebook-Seite, auf Flyern oder auf Plakaten. Nicht zu vergessen die Printmedien: So wirbt man z.B. in der lokalen Tageszeitung oder im Magazin des Klinikums. Und im Telefonbuch haben Schmidt und Mitstreiter eine ganzseitige Anzeige geschaltet, "die sich der Einzelne gar nicht leisten könnte".

Gemeinsame Veranstaltungen bieten der Apotheker und die Ärzte regelmäßig im Medicum-eigenen Konferenzbereich an – sofern nicht gerade Corona allem einen Strich durch die Rechnung macht. Ziel ist es, die Patienten über die verschiedenen Facetten eines Themas zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, Fragen zu stellen bzw. sich eine zweite Meinung einzuholen.

Sehr gut angekommen ist laut Schmidt z.B. ein "Tag der Rückengesundheit", auf dem u.a. ein Neurochirurg und ein Orthopäde Vorträge gehalten haben. Schmidt selbst hat über die Selbstmedikation berichtet und ein externer Firmenvertreter über ergonomische Sitzmöglichkeiten. Leider nicht so gut besucht gewesen war hingegen – trotz hervorragender Referenten – ein "Tag der Vorsorge". Schmidt erklärt sich das damit, dass "die Leute schon ein konkretes Problem haben müssen, um zu einem Vortrag zu kommen. Und wenn es ihnen (noch) nicht wehtut, dann kommen sie eben nicht."

Doch was bringt solch ein gemeinsamer Werbeauftritt gepaart mit der vorhandenen Expertise überhaupt? Dazu erzählt Schmidt eine kleine Anekdote: Einst habe er auf dem Weg von einer seiner beiden Innenstadt-Apotheken ins Medicum das Gespräch zweier älterer Damen aufgeschnappt. Die eine fragte, wohin sie sich wegen ihrer gesundheitlichen Beschwerden wenden könne. Die Empfehlung der anderen klang ganz ähnlich wie der bekannte Discounter-Werbeslogan: "Dann geh‘ doch ins Medicum!" Die Marke "Medicum" ist Schmidt zufolge somit positiv in den Köpfen der Menschen verankert.

Gehör für DJ

Der laut Schmidt vielleicht größte Vorteil, der sich aus der Zusammenarbeit in der Medicum Detmold GmbH & Co. KG ergibt: "Wir kennen die Ärzte aus dem Effeff, und die Ärzte kennen uns aus dem Effeff." Über die Zeit habe sich im Haus eine Vertrauensbasis herausgebildet. Jeder könne jeden fragen, wenn es ein Problem gibt. Schmidt: "Es scheut sich keiner, zum Hörer zu greifen, und es gibt auch keine dummen Fragen. Das finde ich sehr entspannt!"

Auch eventuell kritische Punkte werden offen und im Vorfeld angesprochen. So informiert Schmidt die Ärzte beispielsweise über Nicht-Verfügbarkeiten – insbesondere wenn er weiß, dass sie die betroffenen Präparate gerne verschreiben. Gemeinsam überlegt man dann, wie sich die Therapie umstellen lässt. Auf diese Weise "können die Patienten sofort und gut versorgt werden, sodass alle zufrieden sind."

Ein anderes aktuelles Beispiel: Die "DJ-Rezepte". Schmidt hat dazu gleich im Haus kommuniziert: "Leute, ich brauche ab jetzt immer die Dosierung auf dem Rezept, sonst kriege ich Probleme – oder wir müssen Euch andauernd nerven." Die Ärzte hätten das in der Folge relativ schnell umgesetzt. Gerade derartige Probleme, bei denen es gar nicht so sehr um Fachliches, sondern vielmehr um Formalia gehe, lassen sich laut Schmidt "sehr einfach lösen, wenn man einen guten Kontakt hat. Denn die Ärzte haben auch ein Gehör für uns. Das gilt für die Ärztehaus-Apotheke übrigens genauso wie für die Apotheke auf dem Land."

Übrigens: Um den Sprechstundenbedarf (sowie u.a. auch um die Heimversorgung) kümmern sich stets die gleichen Mitarbeiter – PTA, die über den Verband, in Seminaren etc. speziell zum Thema geschult worden sind: "Das finden die Praxen natürlich schön, wenn ein Mitarbeiter in der Apotheke ist, der sich auch auskennt und weiß, was der Arzt zulasten der Krankenkasse verordnen darf – und was nicht." Bei fachlichen Themen, wie etwa bei Ratschlägen zu Therapieumstellungen, übernehmen dann die Apotheker von den PTA. Durch dieses "Key-Accounter-System" wissen die Praxen immer, an wen sie sich bei Fragen wenden können.

Nicht ganz ohne Faxen

Kommuniziert wird im Medicum zum einen telefonisch über Durchwahlen. Der Vorteil: "Man muss nicht die allgemeine Nummer anrufen und hängt dann ewig in der Warteschleife."

Zum anderen nutze man für den sicheren und verschlüsselten Austausch sensibler Daten die Plattformlösung "mediQuu", die gegenüber dem guten alten Fax-Gerät Vieles vereinfachen würde – ebenso übrigens wie ihre Alternative "Pulse" und zukünftig wohl das Gematik-Tool "KIM" (Kommunikation im Medizinwesen). Denn man müsse das Dokument nicht erst ausdrucken, "um es dann aufs Fax zu legen und in die Praxis zu schicken." Ganz totzukriegen ist das Fax laut Schmidt aber wohl in den nächsten Jahren trotzdem nicht. So verwendet auch er es hin und wieder noch – dann aber vor allem für die Kommunikation mit Ärzten außerhalb des Hauses.

Zudem gibt es einen Medicum-E-Mail-Verteiler, über den die datenschutzrechtlich nicht kritische Kommunikation (z.B. zu Infrastrukturfragen) abgewickelt wird.

Ganz sicher miteinander!

Nun kann die Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzten juristisch gesehen ja ganz schnell heikel werden (vgl. auch den Beitrag "Worauf Sie achten sollten, wenn Sie digitale heilberufliche Kooperationen eingehen"). Wie also sieht das im Medicum aus? Schmidt: "Rechtlich sind wir da ganz safe!" Denn sowohl er als auch die Ärzte hätten von Anfang an sehr bewusst darauf geachtet, dass es keinerlei Zuweisungen gebe und die Patienten ganz frei entscheiden können, wo sie ihre Rezepte einlösen.

Schmidts Fazit: "Das Entscheidende für mich ist, dass die Kooperation fernab von irgendwelchen rechtlich angreifbaren Konstrukten stattfindet. Es kommt vielmehr darauf an, dass wir die Ärzte und die Ärzte uns verstehen. Dann macht die Zusammenarbeit nicht nur Spaß, sondern – und das ist die Hauptsache – erfolgt zum Wohle des Patienten. Ganz nach dem Motto des Medicum: Hand in Hand für Ihre Gesundheit."

Dr. Michael Brysch, Apotheker und Diplom-Kaufmann, Chefredakteur AWA, E-Mail: mbrysch@dav-medien.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(23):12-12