Auf dem juristischen Prüfstand

Worauf Sie achten sollten, wenn Sie digitale heilberufliche Kooperationen eingehen


Dr. Bettina Mecking

Um die Patienten bestmöglich zu versorgen, müssen Apotheker und Arzt Hand in Hand arbeiten. Rechtlich ist das jedoch immer auch eine Gratwanderung. Insbesondere neue digitale Kooperationsmodelle werfen Fragen auf.

Am 20. Oktober dieses Jahres ist das Patientendatenschutzgesetz (PDSG) in Kraft getreten. Damit werden auch die Vorschriften des §11 Abs. 1 und 1a Apothekengesetz (ApoG) und des §31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V verschärft, die die freie Apothekenwahl und das Zuweisungsverbot sicherstellen (vgl. zum Thema auch den Beitrag "Wie die Zusammenarbeit mit dem Arzt gelingt"). Beide Regelungen

  • gelten nämlich zukünftig auch für das E-Rezept,
  • schließen nun Apotheken im EU-Ausland ein, soweit diese Patienten in Deutschland mit Arzneimitteln versorgen, und
  • umfassen dann zusätzlich Absprachen von Apothekern mit Dritten über das Makeln von Rezepten (erweitertes Makelverbot).

Das Ziel: Der Patient allein soll entscheiden, wo er seine Rezepte einlöst.

Wichtig: Auch das erweiterte Makelverbot gilt nicht für "gesetzlich vorgesehene Rechtsgeschäfte und Absprachen", wie z.B. für Verträge zwischen Apothekern und Heimen oder sonstige Verträge der besonderen Versorgung.

Apothekenwerbung beim Arzt?

Das erweiterte Makelverbot wird in diesen Tagen ersten Stresstests unterzogen. So lassen insbesondere ausländische Internetapotheken nichts unversucht, an die "Quelle" der Verschreibungen zu gelangen. Dabei geht es etwa um Werbematerialien einer niederländischen Versandapotheke, die von einem beauftragten Dienstleister flächendeckend in Arztpraxen verteilt wurden. Die Patienten werten das als Empfehlung, die Verschreibungen aus der jeweiligen Praxis in der Versandapotheke einzulösen.

Hier greifen nicht nur die Regeln des ApoG, das nunmehr ausdrücklich auch im Zusammenspiel mit ausländischen Versandapotheken gilt. Denn wer Werbematerialien im Wartezimmer einer Arztpraxis auslegt, verstößt zudem gegen §31 Abs. 2 der ärztlichen Berufsordnung. Danach dürfen Ärzte ihren Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Apotheken empfehlen oder sie dorthin verweisen.

Achtung: Fälle von unzulässiger Wartezimmer-Werbung sind nicht nur im Versender-Kontext ein Streitthema. Denn immer, wenn Apotheker ihre ärztlichen Kollegen mit entsprechenden Materialien "versorgen", liegt der Verdacht nahe, dass sie diese damit anstiften, einen berufsrechtlichen Verstoß zu begehen.

Online + Online = No-Go?

Neuartig sind Kooperationen von Online-Apotheken mit Online-Arztpraxen – diese bewegen sich auf einem besonders schmalen Grat. Das erweiterte Makelverbot gilt nämlich nicht mehr nur für Heilberufler, sondern auch für Dritte, so u.a. für Online-Plattformen, auf denen Ärzte telemedizinische Leistungen anbieten und in diesem Rahmen Rezepte ausstellen. Die freie Apothekenwahl muss hier gleichermaßen gewahrt bleiben.

Derzeit gehen einige "Pilotprojekte" an den Start – wohl auch, weil sich diverse Anbieter für die aufkommende E-Rezept-Welt in Position bringen wollen. Einige dieser neuen Konstrukte sind äußerst fragwürdig.

Wenn Sie also erwägen, sich solchen Plattformen anzuschließen, sollten Sie vorher gut prüfen, ob sich diese tatsächlich immer an die rechtlichen Vorgaben halten. Denn ansonsten kann es ganz schnell heißen: Mitgefangen, mitgehangen! Vorsicht ist natürlich auch geboten, wenn Sie selbst derartige Konstrukte ins Leben rufen wollen. Ein paar besonders kritische Punkte, die Sie dabei unbedingt berücksichtigen sollten, stellen wir Ihnen nachfolgend vor.

Monogame Partnerschaften?

Gerichtlich bereits klar aufgezeigt wurde, dass es unzulässig ist, wenn eine Plattform tatsächlich nur eine Partnerapotheke hat, an welche die Rezepte fließen können. Ungeklärt ist unterdessen, ob die Verschreibungen an ein Portal geleitet werden dürfen, das nur eine Handvoll Vor-Ort-Apotheken listet – selbst wenn man es hier mit geschickten Formulierungen à la "Wir übermitteln das Rezept dann direkt an die von Ihnen ausgewählte Apotheke" versucht.

Freiwahl beim Arzt?

Mit den Plattform-Modellen gehen auch Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) einher: §10 HWG etwa verbietet Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb von Fachkreisen. Das soll gewährleisten, dass Ärzte auf Basis ihrer Expertise frei entscheiden, welche Arzneimittel sie verordnen, ohne sich dabei von ihren Patienten beeinflussen zu lassen.

Auf den Plattformen wird jedoch genau das Gegenteil praktiziert: Auf Basis der Plattform-Angaben zu den verschiedenen Präparaten (Indikation, Wirkweise etc.) wählt der Patient zu Beginn des Bestellprozesses sein Medikament selbst aus. Dann muss er lediglich noch einen einfachen Fragebogen ausfüllen, den er aber ohne Weiteres so manipulieren kann, dass er am Ende auf jeden Fall sein gewünschtes Rezept erhält: Stellt er nämlich fest, dass seine Antwort auf eine bestimmte Frage dem entgegensteht, kann er diese Antwort ohne Probleme ändern.

Der Arzt ist insofern nur noch eine Art Handlanger des Patienten, der allenfalls kurz die Plausibilität kontrolliert, bevor er ein Rezept ausstellt. Das, was §10 Abs. 1 HWG verhindern möchte, ist somit selbstverständliche Grundlage dieser neuen "Verkaufssysteme".

Abgenickte Eigentherapie?

Auch das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen, die über Kommunikationsmedien erfolgen, wird tangiert: Nach §9 HWG darf für solche Fernbehandlungen nur dann geworben werden, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist.

Nun findet auf einer Plattform aber kaum eine Fernbehandlung statt, die allgemein anerkannten fachlichen Standards genügt: Weil der Patient den Fragebogen manipulieren kann, steuert er seine vermeintliche Behandlung letzten Endes ausschließlich selbst. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber bei den von §9 HWG umfassten Kommunikationsmedien vornehmlich die Videotelefonie im Sinn hatte – und keine Fragebögen.

Da für den Patienten nicht ersichtlich ist, wer ihn behandelt, verstößt die Werbung für Fernbehandlungen auch gegen §5a Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach sind dem Verbraucher sämtliche wesentliche Informationen anzugeben, die er benötigt, um eine fundierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Ein Hinweis darauf, welche Ärzte die Rezepte ausstellen, fehlt auf den Plattform-Konstrukten aber in der Regel.

Vertrauen zu Unbekannt?

Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass nach dem Verständnis hierzulande ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Leistungserbringer besteht. Um dem gerecht zu werden, ist der Patient vor Beginn einer jeglichen Versorgungsleistung nicht nur zwingend über deren Rechtsgrundlage in Kenntnis zu setzen. Vielmehr muss er auch den Namen des Arztes oder des Apothekers erfahren, zu dem er in dieses Vertrauensverhältnis tritt.

Zudem wird teilweise mit irreführenden Werbeaussagen der Eindruck erweckt, Patienten würden über die Plattformen ebenso gut versorgt wie bei einem persönlichen Kontakt vor Ort. Uns ist aber wohl allen klar, dass sich die geschilderten Praktiken weder mit einem Praxisbesuch, bei dem der Patient persönlich von einem ausgebildeten Mediziner in Augenschein genommen wird, noch mit der professionellen Beratung in der stationären Apotheke vergleichen lassen.

Diese Punkte sollten Sie also beherzigen, wenn Sie mit digitalen heilberuflichen Kooperationen liebäugeln. Im Sinne der Vor-Ort-Apotheke bleibt insgesamt zu hoffen, dass hier alsbald faire juristische Grenzziehungen erfolgen und gegebenenfalls Regelungen nachgeschärft werden, um Wildwuchs zu vermeiden.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(23):14-14