Ohne Mitwirkung kein Geld

Wozu Sie bei Versicherungen verpflichtet sind


Michael Jeinsen

Kein utopisches Szenario: Die Apotheke ist zwar bestmöglich versichert, aber nach einem Schaden zahlt die Versicherung nicht – oder zumindest weniger als erwartet. Eine mögliche Ursache: Der Inhaber ist seinen diversen Pflichten nicht nachgekommen. Wie sorgen Sie vor?

Ein Haus mit einer Apotheke im Erdgeschoss wird saniert. Das bietet Einbrechern die willkommene Chance, sich über das Baugerüst Zutritt zu einer leerstehenden Wohnung im zweiten Stock zu verschaffen. Von dort gelangen sie ins Erdgeschoss und knacken hier die Apothekentüre auf. Am nächsten Morgen stellt der Inhaber fest, dass Medikamente und Bargeld fehlen. "Ärgerlich! Aber zum Glück bin ich ja gut versichert. Da bekomme ich wenigstens den Schaden erstattet", denkt er sich. Zu Recht?

Geändert? Gemeldet!

Die Realität zeigt leider, dass dem häufig nicht so ist. In einem vergleichbaren Fall etwa hatte der Apotheker seiner Versicherung das Baugerüst nicht vorab gemeldet – wozu er jedoch gemäß Versicherungsbedingungen verpflichtet gewesen wäre. Denn Gerüste vergrößern das Einbruchrisiko signifikant – ebenso wie

  • defekte Alarmanlagen,
  • nicht ordentlich verschließbare Türen oder Fenster,
  • verlorene Schlüssel etc.

Die Folge: Der Versicherungsnehmer muss einen Teil des Schadens aus der eigenen Tasche bestreiten, weil er nicht allen seinen Pflichten nachgekommen ist ("Obliegenheitsverletzung"). In solchen Fällen dürfen die Versicherungen auch ihre eigenen Pflichten – sprich: ihre Zahlungen – deutlich reduzieren. Im besten Versicherungsdeutsch heißt es dann: "Der Versicherer ist (dem Mitverschuldens-Anteil gemäß) gequotelt von der Leistung befreit."

Um den vollen Versicherungsschutz zu behalten, müssen Sie dem Versicherer alle Veränderungen der Sicherheitslage (wie in den genannten Fällen) "unverzüglich" anzeigen. Mit "unverzüglich" ist dabei üblicherweise "innerhalb von drei Tagen" gemeint.

Gleiches gilt auch für alle Veränderungen der versicherten Werte. Hierzu zählen beispielsweise die Eröffnung einer Filiale, der Einbau eines Reinraums oder sonstige größere Investitionen, wie etwa die Anschaffung eines Kommissionierers.

Neben diesen unverzüglich notwendigen Anzeigen schickt Ihnen der Versicherer meist zum Jahresende und gemeinsam mit seiner Rechnung einen Fragebogen zu, um zu evaluieren, ob es unterjährig prämienrelevante Veränderungen gegeben hat. Nehmen Sie diese Fragebögen unbedingt ernst, und beantworten Sie sie wahrheitsgemäß!

Tipp: Wenn sich das zu versichernde Risiko erhöht hat und der Versicherer Ihnen in der Folge mitteilt, dass er die Prämie um mehr als 10% anhebt oder gar nicht erst bereit ist, die höhere Gefahr zu versichern, können Sie den Vertrag innerhalb eines Monats fristlos kündigen – worauf der Versicherer Sie übrigens hinweisen muss (vgl. §25 Versicherungsvertragsgesetz).

Am Anfang war ... die Anzeigepflicht

Schon um den Versicherungsvertrag überhaupt abschließen zu können, müssen Sie Obliegenheiten erfüllen – die sogenannten vorvertraglichen Anzeigepflichten. Das bedeutet, dass stets bestimmte Fragen zu beantworten sind, so u.a. nach

  • Vorschäden,
  • der aktuellen Sicherungssituation,
  • Besonderheiten des Apothekeninventars sowie nach
  • zusätzlichen Risiken, die gesondert zu beurteilen sind.

Auf dieser Basis wird dann der Umfang der Versicherungsleistung mitsamt Preis festgelegt. Der Knackpunkt: Die Versicherer überprüfen erst, ob die Angaben stimmen, nachdem ein Schaden eingetreten ist. Stellt sich dann heraus, dass bestimmte Angaben nicht korrekt waren, dürfen sie ihre Leistungen wieder kürzen bzw. – je nach Fall – komplett einstellen.

Nun wird wohl kaum ein Apothekeninhaber absichtlich falsche Angaben machen. Vielmehr beantworten die meisten alle Fragen guten Gewissens – nur eben nicht immer so, dass die Versicherung in vollem Umfang greift. Wenn das dann erst im Schadensfall herauskommt, sind Wut und Enttäuschung verständlicherweise groß.

Tipp: Bestehen Sie daher grundsätzlich darauf, dass Ihr Versicherungsvermittler die Apotheke begeht und dann gemeinsam mit Ihnen den Fragebogen ausfüllt. Denn der Vermittler kennt sich damit besser aus und haftet persönlich für seinen Rat. Ebenfalls gemeinsam mit dem Vermittler sollten Sie Ihre Jahresmeldung ausfüllen.

Übrigens: Wer nicht von einem unabhängigen, sondern von einem an eine Versicherung gebundenen Vermittler betreut wird, hat es im Schadensfall logischerweise unmittelbar mit der Versicherung zu tun – wodurch die Gefahr späterer Kürzungen sicher nicht kleiner wird.

Bessere Karten mit besserer Dokumentation

Kommt es tatsächlich zu einem Schadensfall, müssen Sie diesen nicht nur unverzüglich dem Versicherer melden, sondern zwei weiteren Pflichten nachkommen ("Mitwirkungspflichten"). Sie haben den Schaden nämlich

  • so umfangreich wie möglich zu dokumentieren und,
  • wenn gefahrlos realisierbar, so weit wie möglich zu minimieren.

Im Rahmen der Schadensdokumentation sind die Auskünfte genauso zu erteilen, wie es das Versicherungsrecht vorsieht. Hier laufen Sie also ebenfalls Gefahr, dass der Versicherer seine Leistungen später reduziert – und sollten deswegen wieder nach dem Vier-Augen-Prinzip mit Ihrem Makler kooperieren.

Tipp: Sofern möglich, rentiert es sich prinzipiell, jede Risikoerhöhung und erst recht jeden Schaden mit Fotos von allem und jedem, was damit zusammenhängt, zu dokumentieren.

Je kleiner, desto besser

Im Rahmen der Schadensminiminierung haben Sie Freiräume, die Sie in den entsprechenden Situationen unbedingt ausschöpfen sollten. Das heißt konkret: Ab dem Moment, in dem Sie einen Schaden festgestellt haben, dürfen Sie bis zur Meldung an den Versicherer alles unternehmen, was aus Ihrer Sicht geeignet ist, um den Schaden möglichst klein zu halten – solange Sie sich oder andere nicht damit gefährden.

Nehmen wir "Hygieneschäden", die etwa durch (Ab-)Wasser, Rauch oder austretende Wirkstoffe entstehen, als Beispiel: Eine mögliche Sofortmaßnahme wäre hier, eine Spezialfirma damit zu beauftragen, den Schaden fachgerecht nach DIN-EN ISO 9001 zu beseitigen. Gerade weil das letztlich auch im Sinne der Versicherung ist, kommt diese dann auch für die Kosten auf.

Und noch ein Extrembeispiel: Wer einen kleinen Brand mit einem Pulverlöscher bekämpft, weil er das aus Unwissenheit für die beste Gegenmaßnahme hält, und durch das Pulver einen Großschaden verursacht, genießt trotzdem vollen Versicherungsschutz – welcher dann den zusätzlich verursachten Schaden einschließt.

Exkurs: Laut Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) müssen Apotheken für den Fall eines Gasbrandes zwar einen Pulverlöscher vorhalten. Alle anderen Brände sollten Sie aber mit einem CO2-Löscher bekämpfen.

Tatort Apotheke

Resultiert der Schaden aus einer Straftat – also aus (versuchtem) Einbruch, Raub, Diebstahl oder Vandalismus – bzw. aus einem Brand, müssen Sie ihn immer auch sofort der Polizei anzeigen. Nicht zuletzt, weil die Versicherung später das entsprechende Aktenzeichen anfordern wird.

Weiterhin verlangen die meisten Versicherer in solchen Fällen, dass der Tatort – sofern ohne Gefahr möglich – unverändert bleibt, bis ihn ein Sachverständiger begutachtet hat. Das kann übrigens gerade dann eine nicht akzeptable Obliegenheit für Apotheken sein, wenn es den rigiden Hygieneanforderungen aus dem Apothekenrecht widerspricht.

Zum Weiterlesen

Jeinsen, M., Beckert, H.: Versicherungen für Apotheken, Deutscher Apotheker Verlag: Stuttgart (erscheint am 10.12.2020)

Michael Jeinsen, Diplom-Politologe und -Pädagoge, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), IHK-Dozent für Maklerfortbildung, 12209 Berlin, E-Mail: berlin@die-apothekerhelfer.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(23):6-6