Als Motivation fürs neue Jahr

Wie Sie der Krise positive Seiten abgewinnen


Emanuel Winklhofer

"Tempora mutantur, nos et mutamur in illis!" – "Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen!" An diesen Satz aus dem Lateinunterricht denken eventuell auch Sie nach diesem "besonderen" Jahr zurück. Veränderungen bieten immer auch Chancen. Es kommt aber auf die Einstellung an.

Wo wir schon beim Lateinischen sind: Vielleicht sind auch Ihnen noch die Deponenzien geläufig, Tätigkeitswörter, die es nur im Passiv gibt? Sie lassen sich gut auf die momentane Situation anwenden: Wir haben an vielen Stellen wenig Chancen, selbst etwas zu verändern, sondern werden hauptsächlich verändert – und fühlen uns daher oftmals machtlos.

Perspektiven ändern sich

Erinnern Sie sich eigentlich noch an die Probleme, über die wir uns noch vor einem Jahr beschwert haben? Das Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump, der soundsovielte Pilotenstreik, der Finanzskandal im Vatikan wegen Luxusimmobilien in London, die erneute Verschiebung der BER-Eröffnung und Vieles mehr. Heute wünschen sich wohl die meisten von uns diese "Normalität" mit ihren für den Einzelnen weniger tiefgreifenden Problemen zurück. Und natürlich wären wir froh, die aus heutiger Perspektive "freien" Verhältnisse der letztjährigen Weihnachtstage genießen zu können. Versuchen wir trotzdem, der derzeitigen Situation positive Seiten abzugewinnen.

Zunächst können wir nun viele Dinge nachholen, die schon längst nötig gewesen wären: So hätten wir schon immer ein besonderes Augenmerk auf die Schwächeren in unserer Gesellschaft richten dürfen oder erkennen können, dass Einkäufe oder Urlaube in der Region so manchen Vorteil bieten – natürlich auch für die Vor-Ort-Apotheken.

Denken wir auch an jene, die tatsächlich mit einer Covid-19-Infektion auf der Intensivstation liegen und beatmet werden. Machen wir uns deshalb bewusst, dass uns hingegen niemand daran hindert, an jedem Tag nach draußen zu gehen und unsere Lungen mit Sauerstoff zu füllen. Auch darüber hinaus können wir uns jederzeit "mit Gesundheit anstecken", unser Immunsystem stärken, unsere Ernährung als Therapie sehen und unseren Körper mit Sport fit halten. Wenn wir uns außerdem unsere Seele nicht vergiften lassen, dann bleibt auch unser Körper gesünder. Denn aus der Neuropsychoimmunologie wissen wir sehr gut, dass insbesondere die Angst eine Immunsuppression induziert, die wir uns gerade jetzt nicht leisten können.

Ein weiterer Punkt: Durch die Kontaktbeschränkungen fallen sicherlich auch viele Verpflichtungen weg, und der "Aktionsdruck" verringert sich.

Und: In Zukunft sind wir möglicherweise dankbarer für das, was wir haben – ohne ständig auf das zu schielen, was uns noch zu fehlen scheint.

Innen- statt Tagesschau

Natürlich ist die radikale Kontaktreduzierung eine Einschränkung, die uns alle schmerzt. Leider sitzen viele Menschen während der Zeit, die sie sonst mit anderen verbringen würden, nur dumpf vor dem Fernseher herum, um sich entweder ganz sinnlos oder aber mit den seit Monaten immer wieder gleichen Informationen berieseln zu lassen. Dabei kann jeder von uns diese "Mehrzeit" ganz wunderbar für sich selbst – zum Nachdenken, zur Meditation oder zur Innenschau – nutzen, um seinen Lebensweg anschließend bewusster zu gestalten. Die folgenden drei Punkte können uns dabei helfen:

1. Die positive Einstellung zu uns selbst

Wir brauchen Selbstbewusstsein, Respekt und Vertrauen für unsere Schaffenskraft. Leider verhindern das häufig verschiedene "Programme", die oft noch aus der Kindheit stammen, wie z.B. "Das kannst Du nicht!", "Dazu bist Du noch zu klein!" oder "Das steht Dir nicht zu!" Hier müssen wir uns sagen: "Doch, das steht uns sehr wohl zu!" Jeden Tag dürfen wir aufs Neue für uns selbst entscheiden, worauf wir uns heute konzentrieren wollen, welche Bedeutung wir den Dingen beimessen, und was wir heute bereit sind, für unsere Ziele zu tun.

2. Die positive Einstellung zu unserem Beruf

In der Apotheke leisten wir einen wichtigen Dienst an den Menschen, indem wir ihnen wieder zu Gesundheit oder wenigstens zu mehr Lebensqualität verhelfen. Dazu gehört auch die positive Einstellung zum Thema Verkauf. Wir müssen fit sein im Umgang mit Kommunikations- und Persönlichkeitsmodellen, wir sollten die nutzenorientierte Gesprächsführung beherrschen, wir müssen mit Ein- und Vorwänden umgehen können und Vieles mehr. Verkaufen heißt, bereit zu sein, dem Kunden einen spürbaren Nutzen zu bieten. Und das gelingt nur, wenn beide Seiten einen klaren Vorteil haben.

3. Die positive Einstellung zu unseren Mitmenschen

Haben wir jedem Menschen gegenüber eine uneingeschränkt positive Einstellung, auch wenn z.B. gerade mal ein unangenehmer Kunde vor uns steht? Die Hindus haben dafür ein schönes Bild, sie sagen: "Du kannst Gott in jedem Menschen begegnen – vielleicht sitzt er gerade als Bettler an der Ecke, oder vielleicht zieht er gerade eine Rikscha." Für unseren Alltag in der Apotheke lässt sich ergänzen: "Vielleicht steht er gerade als Kotzbrocken von Kunde vor uns."

Klar, unter höflichen Menschen höflich zu sein, ist nicht schwer. Die hohe Schule des Lebens besteht aber darin, auch unter unhöflichen Menschen höflich zu bleiben. Außerdem sollten wir uns immer bewusst machen, wie schnell wir urteilen, obwohl wir oft wenig über andere Menschen wissen. Hätten wir für andere Menschen grenzenloses Verständnis, bräuchten wir nicht mehr zu urteilen.

Wir haben es in der Hand

Wer sich auf diese Weise mit sich selbst beschäftigt, ist auf seiner Persönlichkeitsleiter schon ein ganzes Stück nach oben geklettert. Weiter aufwärts kann uns der therapeutische Leitsatz "An der Ablehnung geht es entlang" helfen. Fragen wir uns also einmal, was uns denn besonders aufregt, und was wir alles ablehnen. Denn natürlich haben diese Aufregung und diese Ablehnung intensiv mit uns selbst zu tun: Durch Wut und Ärger versuchen wir, unser Selbstwertgefühl zu reparieren, und mit der Ablehnung werten wir in "richtig" und "falsch", in "gut" und "böse". Und wir selbst sind natürlich immer auf der richtigen und guten Seite! Oder vielleicht doch nicht?

Alles, was wir machen, dient dazu, Bedürfnisse zu befriedigen. Aber erst wenn wir erkennen, welche Bedürfnisse sich hinter unserem Ärger und unserer Ablehnung verbergen, haben wir die Chance, diese Bedürfnisse selbstbestimmt so zu bedienen, dass sie uns förderlich sind.

Schon die alten Griechen haben gesagt: "Du kannst Dein Schicksal sehend erfüllen – oder blind erleiden." Wir haben immer die Möglichkeit, uns zu entscheiden, wie wir Veränderungen erleben wollen: Aktiv oder passiv, bewusst oder unbewusst. "Dr. Alltag" als konsequenter Lehrmeister schickt uns so lange und so oft in jeden Lernprozess, bis wir ihn verstanden und umgesetzt haben. Dabei können wir entweder abwarten, bis es (noch stärker) weh tut – oder wir gehen aktiv und mit Mut zur Veränderung an die Dinge heran.

Einer der bedeutendsten Psychologen der letzten 100 Jahre, Viktor E. Frankl, hat mit "… trotzdem Ja zum Leben sagen" ein sehr ergreifendes Buch geschrieben. Es kann uns lehren, dass wir immer eine Wahlmöglichkeit haben, auch wenn wir glauben, es sei nicht so. So schreibt Frankl über seine eigenen Erfahrungen, "dass man den Menschen im Konzentrationslager alles nehmen kann, nur nicht: die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen so oder so einzustellen. Und es gab immer ein 'so oder so'!"

Nicht die Dinge sind gut oder schlecht, sondern unsere Einstellung dazu. Wir werden nur zu 10% von den Umständen selbst beeinflusst – und zu 90% davon, wie wir darauf reagieren. Oder anders ausgedrückt: Wir haben immer die Möglichkeit, selbst frei zu entscheiden, wie wir etwas interpretieren, und wie wir darauf reagieren. Das ist eine gewaltige Erkenntnis, die wir im Leben jeden Tag wieder aufs Neue umsetzen dürfen.

Wie oft fragen wir nach dem Sinn? Fangen wir doch an, selbst Sinn zu geben! Und wie oft erwarten wir etwas vom Leben? Fangen wir doch an, uns zu fragen, was das Leben von uns erwartet!

Service

Ein kostenfreies 3-Minuten-Video zum Thema finden Sie unter der Rubrik "AWA" auf der Homepage des Autors.

Emanuel Winklhofer, Apotheker, Agentur für Kommunikation, Seminare und Coaching, 93197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2020; 45(24):6-6