Auferstanden aus Ruinen?

Ihre Chancen 2021


Prof. Dr. Reinhard Herzog

2021 dürfte als "Übergangsjahr" in die Geschichte eingehen: Die (Nach-)Wehen der Corona-Pandemie, die digitalen Umbrüche und nicht zuletzt neue politische Weichenstellungen durch die anstehenden Wahlen bergen Risiken, aber auch Chancen für die Aktiven und Mutigen.

Politisch ist 2021 ein Jahr der Weichenstellungen: Zwei Landtagswahlen Mitte März (in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz), worauf dann voraussichtlich Ende September die durchaus spannende und womöglich gar richtungsweisende Bundestagswahl folgt. Und bei uns hat sich eine weitestgehend neue standespolitische Führung konstituiert.

Das alles dürfte nicht ohne Auswirkungen auf die Apothekenzukunft sein – in welche Richtung und zu wessen Nutzen, bleibt abzuwarten. In solchen Situationen strebt man besser eine sichere Position der Stärke und der relativen Unangreifbarkeit an. Demzufolge ist 2021 nicht die Zeit für finanzielle und rein taktische Spielchen auf dem Hochseil ohne Sicherheitsnetz.

Konsolidierung

Für 2021 zeichnen sich branchenweit wachsende Umsätze im Bereich von 3% bis 4% ab – ohne Sondereinflüsse. Die Rahmenvereinbarung der gesetzlichen Kassen mit den kassenärztlichen Vereinigungen sieht eine Umsatzsteigerung von 4,6% vor. Das kommt vor allem den Innovationen zugute. Die Rx-Packungsanzahl dürfte sich kaum verändern, womöglich pandemiebedingt ein wenig sinken. Völlig unklar ist noch, inwieweit die besser lagerfähigen Corona-Impfstoffe der zweiten und dritten Generation ab Frühjahr doch über die Apotheken laufen werden – und mit welchem Ertrag?

Der gesamte Non-Rx-Bereich, vorneweg der "Barverkauf", dürfte unter Druck bleiben und nach Packungen in den Offizinen im Bereich von 1% bis 3% sinken, wenn nicht mehr. Die Umsätze könnten je nach Preispolitik auch der Hersteller in etwa auf stabilem Niveau verharren. Die Umsätze und Erträge konzentrieren sich insoweit auf weniger Kunden, die Kundenzahlen werden die Achillesverse bleiben. Aber auch hier könnten diverse Sondereinflüsse (z.B. Masken, Corona-Tests u.a.) noch manches über das Jahr hinweg durcheinander wirbeln.

Dagegen schreitet die Konsolidierung des Apothekenmarktes voran. Schließungen – womöglich klar über 500 – werden den Verbleibenden spürbar mehr Geld in die Kassen spülen, aber je nach Lage vor Ort in sehr unterschiedlicher Ausprägung.

"Schnellschüsse", wie die blitzartige Maskenverteilung, lassen, wie erwähnt, alle Prognosen Makulatur werden. Individuell kommt es hier auf die Fähigkeit zur schnellen Chancenverwertung an. Etwas Mut und eine auch mal gezügelte kaufmännische Kleingeistigkeit dürften sich aber gerade für die Kundenbindung auszahlen!

Konzentration

Angesichts der geschilderten Entwicklungen sollten Sie das Augenmerk darauf legen, Ihre Ressourcen zu bündeln und sich auf wenige, klare Ziele zu fokussieren. Es ist jedenfalls nicht die Zeit, sich zu verzetteln und viele Baustellen aufzumachen. Oder bildlich: Präzise Schüsse mit Hochleistungsmunition statt Schrotschüsse ins Blaue!

Im Fokus steht zum einen das Personal. Hier gilt es, die personellen Ressourcen klar auf die ergebniswirksamen Bereiche zu konzentrieren. Ein Punkt: Wecken Sie das Bewusstsein für Kosten und Erträge. Viel zu wenige Mitarbeiter wissen, was sie selbst jede Minute kosten und was ihr nicht selten umständliches, strikt regelbasiertes und oft althergebrachtes Verhalten tatsächlich kostet – und so letztlich an (Verkaufs-)Chancen vereitelt. Trauen Sie Ihren Mitarbeitern mehr Eigen- und Ergebnisverantwortung zu bzw. fordern Sie es bei Führungskräften aktiv ein!

Die zweite Großbaustelle: "Neue strukturelle Digitalisierung des Gesundheitswesens". Identifizieren Sie die mehr, aber insbesondere auch die weniger wirksamen Hebel! Behalten Sie dabei vor allem Ihre Kernkundschaft im Auge. Gerade hier ist es fatal, sich zu verzetteln. Nehmen Sie Ihr Team in die (Ergebnis-)Verantwortung, insbesondere Ihre digitalaffinen Mitarbeiter. Nutzen Sie deren Potenzial und Fähigkeiten, vor allem, wenn Sie selbst nicht zu den "Digital-Freaks" gehören.

Entschlackung

Krisenzeiten bieten die Chance, Dinge neu zu denken, neu zu strukturieren und zu entschlacken. Da sehen die meisten Beteiligten ein, dass sich etwas womöglich sogar grundlegend ändern muss. Nutzen Sie diese stimmungsmäßige Schwungmasse, um Ihren Betrieb zu straffen, "alte Zöpfe" abzuschneiden und sich insgesamt schlanker und reaktionsschneller aufzustellen!

Marktanteile kaufen

Verkneifen Sie es sich, zusätzlich "Arbeit zu kaufen". Das mag allenfalls aus strategischen Erwägungen angehen, wenn Sie in der Position des Marktführers und zudem renditestark aufgestellt sind. Dann können Sie auch Nischen erschließen und Leistungen anbieten, deren Gewinnbeitrag aufgrund des hohen Aufwands gering oder gar negativ ist – einfach, um Ihren Ruf als "Universal-Problemlöser" zu festigen. Doch erschöpft sich selbst diese anfangs erfolgreiche Strategie irgendwann, und Sie sind dann eben nicht mehr renditestark, sondern drehen ein enorm großes Rad für prozentual zu geringe und damit immer krisenanfälligere Gewinne.

Angesichts so vieler angeschlagener Betriebe wie nie bieten sich in nächster Zeit enorme Chancen, Marktanteile günstig hinzuzukaufen. Ja, Marktanteile – und nicht zusätzliche Betriebe! Schwache Betriebe werden mit einem freundschaftlich-kollegialen "goldenen Handschlag" übernommen und dann rasch sozialverträglich abgewickelt, unter Integration der jeweiligen Umsätze in die bestehende Struktur.

Idealerweise übernehmen die Altinhaber noch die Abwicklung, und Sie unterstützen das großzügig finanziell wie operativ (oft das größere Problem!). Knackpunkte sind regelhaft die Übernahme von Mitarbeitern sowie die vertraglichen Finessen bei den Räumlichkeiten, der EDV etc. Hier liegen in den nächsten Jahren die größten Chancen, den eigenen Betrieb zu stärken. Werden Sie zum fairen Übernahme- und Abwicklungs-Experten!

Chancen-Identifikation

Die Ansprache Ihrer Kunden, insbesondere hochattraktiver Spezialgruppen, wird von nie gekannter Ambivalenz gekennzeichnet sein. Zum einen entsteht ein sich weiter anstauender (Nachhol-)Bedarf an Nähe und persönlicher Ansprache. Andererseits verlagert sich Vieles irreversibel in die Weiten des digitalen Universums.

Zweigleisig fahren

Das Ladensterben wird Ihnen demnächst viele attraktive Räumlichkeiten für kleines Geld vor die Füße legen. Je nach Lage können Sie darüber nachdenken, Begegnungsstätten einzurichten, um den Kontakt zu Ihren wichtigsten Kunden oder Selbsthilfegruppen zu festigen bzw. auszubauen. Es wird einen großen Bedarf an kleineren, unter Risikoaspekten überschaubaren Veranstaltungen aller Art geben, den eine sterbende Veranstaltungsbranche nicht mehr abdecken kann.

Andererseits werden, neben der telemedizinischen Face-to-Face-Kommunikation, virtuelle Selbsthilfe- sowie Austauschgruppen eine große Bedeutung bekommen. Die Online-Unterrichtsveranstaltungen machen es vor. Hier können Sie noch zahlreiche "Duftmarken" und Messlatten für die Konkurrenz setzen.

Alles in allem bietet 2021 also durchaus Lichtblicke – für diejenigen, die mental und hinsichtlich ihrer Ressourcen in der Lage sind, die Chancen in ihrem Umfeld zu erkennen, die sich aber auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen!

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(01):4-4