Nichts ist unmöglich

Neujahrs-Zauber und andere Überraschungen


Prof. Dr. Reinhard Herzog

"Nichts ist unmöglich" – so tönt es von einer bekannten Automarke. 2021 ist historisch einmalig leise gestartet. Manch einen wird es sogar gefreut haben. Wer hätte gedacht, dass selbst eine Tradition wie das Silvester-Feuerwerk von heute auf morgen über Bord geworfen wird? Und das wohl dauerhaft, denn wer wird sich noch für etwas einsetzen, was knallt, stinkt, umweltschädlich ist und das Getier verschreckt, nur um ein paar "Unvernünftigen" Freude zu bereiten? Um dieser durchaus ernsthaften Diskussion aus dem Wege zu gehen, tut es einstweilen die Begründung, Kliniken nicht zusätzlich belasten zu wollen, neben dem Allheilmittel "Kontaktreduzierung". In der jetzigen Pandemielage, deren Kontrolle man verspielt hat, klammert man sich eben an jeden Strohhalm.

Doch mit ähnlichen Begründungen könnte man fast jede menschliche Aktivität beschränken, da gefahrbehaftet. Ächtung von Trittleitern, Werkzeugen und Risikosportarten aller Art, Sonntagsfahrverbot, Tempolimit – und demnächst sowieso alles unterbinden, was irgendwen irgendwie schädigen könnte! Die Verbotskultur hat endgültig die (Corona-)Feuertaufe bestanden. Widerspruch? Kaum! Und wenn, dann kommt er von Uneinsichtigen, "Covidioten" und Tatsachen-Leugnern, die man leicht medial ans Kreuz nageln kann (was sie ehrlicherweise aber auch selbst durch ihr verstörendes Verhalten provozieren). So könnte 2021 der Wegbereiter eines hemmungslosen Staatsinterventionismus werden – und den (Schein-)Tod des klassischen Liberalismus einläuten.

Immerhin schlägt das Pendel der Skurrilitäten auch einmal zu den eigenen Gunsten aus. Der jüngste "Maskenzauber" ist so ein Fall: 2,5 Mrd. € werden dem Steuer- oder möglicherweise Beitragszahler dafür berechnet. Bei den Apotheken kommen gut 2 Mrd. € netto an. Der Einkaufwert der rund 400 Mio. FFP2-Masken dürfte sehr großzügig geschätzt allenfalls bei rund 1 Mrd. € liegen. Da sind temporäre Preissteigerungen schon berücksichtigt, die erfahrungsgemäß schnell wieder in sich zusammenfallen. Profis haben sich daher im alten Jahr und nicht unbedingt bei den klassischen "Haus-und-Hof-Lieferanten" komplett bis ins Frühjahr bevorratet (zu weit günstigeren Preisen als oben unterstellt) – oder sie ordern zurückhaltend und warten auf sinkende Preise im Laufe der ersten Wochen des neuen Jahres. Jedenfalls winkt ein netter Ertrag. Wir sollten den warmen Regen nicht zu laut beweinen.

Wie viele Infektionen können nun 400 Mio. Masken verhindern, die nur einen Tag benutzt werden sollten? Eine grobe Schätzung berücksichtigt die Infektionsaktivität sowie (lediglich!) die "Schutzdifferenz" der FFP2- zu den bisherigen Masken. Real haben wir bei 25.000 offiziellen und eher 100.000 realen täglichen Neuinfektionen ein Infektionsrisiko pro Kopf in der Größenordnung von einem Promille täglich. 400 Mio. Tragetage implizieren so etliche 100.000 Infektionen, von denen sich optimistisch 20% gegenüber dem Status quo verhindern lassen – also vielleicht an die 100.000, wovon bei Risikopatienten gut 20% krankenhauspflichtig und etliche Prozent tödlich enden. Im Idealfall, besonders bei einer irgendwann selbst risikobehafteten Ausweitung der Tragedauer, könnte die Aktion tatsächlich eine niedrig vierstellige Zahl an Todesopfern und eine mehrfach höhere Zahl an Klinikeinweisungen verhindern. Zum Preis von eben diesen 2,5 Mrd. € – und optimistisch gerechnet.

Alles in allem hätte 2021 schlechter starten können, trotz Lockdown, neuer Virus-Mutationen und der damit verbundenen Probleme. So dürfen wir uns wohl noch auf weitere Schnellschüsse freuen – mein Tipp sind die Antigentests, die bislang bei Lieferung an Gesundheitspersonal preislich streng gedeckelt sind. Spannend wird daher die kaum mehr lange aufschiebbare Abgabe an Privatpersonen. Auch werden die besser lagerfähigen Zweit- und Drittgenerations-Corona-Impfstoffe wohl wieder über die Apotheken laufen und in den Arztpraxen verimpft.

Das alles dürfte ein erster Lackmustest für unsere neue Standesführung werden, sich nicht wieder kräftig über den Tisch ziehen zu lassen. Es sind diese Sondermaßnahmen, die optimistisch stimmen könnten, während die allgemeinen Apotheken-Aussichten für viele doch eher verhalten bleiben.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(01):19-19