Werbungskostenabzug für Zweitstudium

Praxissemester im Ausland


Helmut Lehr

Seit 2014 gilt auch eine "Bildungseinrichtung" als erste Tätigkeitsstätte – zumindest bei einem Vollzeitstudium. Gleichwohl können laut Bundesfinanzhof für ein Auslandspraxissemester (vorweggenommene) Werbungskosten wie bei einer "Dienstreise" geltend gemacht werden.

Die Aufwendungen für ein Erststudium sind lediglich beschränkt als Sonderausgaben abzugsfähig. Nur wer ein Zweitstudium oder ein Studium nach abgeschlossener Berufsausbildung absolviert, kann die tatsächlichen Kosten quasi ohne Begrenzung der Höhe als vorweggenommene Werbungskosten steuerlich geltend machen – was nach Ansicht der Karlsruher Verfassungsrichter rechtens ist (vgl. AWA 3/2020).

Der Werbungskostenabzug ist dennoch selbst bei einem Zweitstudium nicht in jeder Hinsicht unbegrenzt möglich. Für Fahrten zur regelmäßigen Arbeitsstätte (steuerlich korrekt: "erste Tätigkeitsstätte") wird z.B. nur die Entfernungspauschale berücksichtigt. Außerdem lassen sich Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten im Allgemeinen nur dann steuerlich geltend machen, wenn die Tätigkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte verrichtet wird. In diesem Zusammenhang ist seit dem 1. Januar 2014 eindeutig geregelt, dass die Hochschule für Vollzeitstudierende steuerlich als erste Tätigkeitsstätte gilt (vgl. AWA 23/2013).

Hinweis: Aktuell hat das Bundesfinanzministerium nochmals klargestellt, dass es für die Einordnung einer Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte keine Rolle spielt, wie lange die vollzeitige Bildungsmaßnahme dauert (Anwendungsschreiben zum steuerlichen Reisekostenrecht vom 25.11.2020, Aktenzeichen: IV C 5 - S 2353/19/10011 :006). Soll heißen: Die Fahrten zur Uni etc. sind nur begrenzt abziehbar.

Steuerzahlerfreundliche Entscheidung

Vergleichsweise überraschend hat der Bundesfinanzhof nun entschieden, dass Studierende Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen für ein Auslandssemester als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen können (Urteil vom 03.12.2020, Aktenzeichen: VI R 3/18). Noch vor wenigen Monaten hatte er in einem anderen Fall die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt und betont, dass auch bei kurzzeitigen Vollzeitausbildungen die erste Tätigkeitsstätte des Studierenden regelmäßig in der aufgesuchten Bildungseinrichtung zu verorten sei.

Nun haben die Richter entschieden, dass eine "steuerliche anzuerkennende Auswärtstätigkeit" auch während einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme nicht ausgeschlossen ist. Im Streitfall hatte die Klägerin ein Zweitstudium an einer inländischen Hochschule aufgenommen, für das laut Studienordnung zwei Semester an einer ausländischen Partneruniversität zu absolvieren waren. Während des Auslandsstudiums blieb die Klägerin an der inländischen Hochschule eingeschrieben.

Auslandssemester als Dienstreise

Weil die inländische Hochschule nach Ansicht des Bundesfinanzhofs weiterhin die erste Tätigkeitsstätte darstellte, befand sich die Klägerin während ihres Auslandsstudiums quasi auf einer Dienstreise (auch wenn dieser Begriff im steuerlichen Reisekostenrecht mittlerweile veraltet ist). Deshalb konnte sie die Kosten für die Unterkunft und Verpflegung im Ausland – vergleichbar mit einem Arbeitnehmer – als vorweggenommene Werbungskosten geltend machen, obwohl keine doppelte Haushaltsführung vorlag.

Hinweis: Denken Sie daran, dass Studierende nur dann von dieser Rechtsprechung besonders profitieren, wenn sie bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder z.B. einen Bachelorstudiengang) abgeschlossen haben.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(01):18-18