Das Apothekenteam als Uhr

Warum Sie den aktuellen Zeigerstand kennen sollten


Nicole Hackl

Vieles in unserer Welt dreht sich im Kreis, ganz wie die Zeiger einer Uhr. Das gilt auch für die Entwicklung Ihres Apothekenteams. Damit Sie jeweils adäquat eingreifen können, sollten Sie wissen, wo die Zeiger gerade stehen. Schauen wir uns die Apothekenteam-Uhr also näher an!

Bereits im Jahr 1965 hat Bruce Tuckman ein nach ihm benanntes Modell entwickelt, das die Teamentwicklung in vier aufeinanderfolgenden Schritten beschreibt. Idealerweise bleibt das Team in der letzten, der Performing-Phase, solange sich z.B. an seiner Zusammensetzung nichts ändert. Ansonsten geht es wieder mit der ersten Phase los. Man kann sich das Ganze also kreisförmig wie eine Uhr vorstellen und spricht deswegen auch von der Tuckmanschen "Team-Uhr".

Erst mal ein Schnupperkurs

Haben Sie gerade erst einen neuen Mitarbeiter eingestellt? Dann befinden Sie und Ihr Team sich in der ersten Phase des Modells, der Forming-Phase. Hier müssen sich alle erst einmal kennenlernen. Es herrscht Ungewissheit, auch weil es dem Team an Regeln mangelt, die noch zu entwickeln sind. Das Klima insgesamt ist eher vorsichtig und höflich.

Gerade der neue Mitarbeiter wirkt wahrscheinlich erst einmal etwas zurückhaltend und neutral – was aber ganz normal sein dürfte. Denn für ihn ist das Kennenlernen und erste Beschnuppern nochmals mit einer besonderen Unsicherheit verbunden. Vermutlich wird er von Fragen umgetrieben, wie:

  • "Akzeptiert mich das Team?"
  • "Kann ich mich unter diesen Kollegen voll entfalten?"

Tipp: Meistens ist es in dieser Phase zu früh, den Neuzugang nach Verbesserungsvorschlägen für einzelne Arbeitsbereiche zu fragen oder gar zu erwarten, dass er aktiv anspricht, was ihm an den eingespielten Vorgängen in der Apotheke ungewöhnlich erscheint. Denn das traut er sich (noch) nicht. Daher ist es wichtig, ihm zunächst vorurteilsfrei und offen zu begegnen, sodass er sich willkommen fühlt.

Übrigens: Die Forming-Phase beginnt nicht nur, wenn neues Personal hinzukommt, sondern etwa auch, wenn eine Filiale schließt und die dortigen Mitarbeiter in das Team der Hauptapotheke integriert werden. Ein weiterer Fall: Innerhalb des gesamten Teams werden "Mini-Teams" mit Sonderaufgaben gebildet, wie z.B. eine "Projektgruppe E-Rezept". Vereinfachend spielen wir die Apothekenteam-Uhr aber nachfolgend mit dem Beispiel des neuen Mitarbeiters durch.

Ein Sturm zieht auf

Wenn das erste Kennenlernen geschafft ist, wird es ungemütlich: Jedes Teammitglied beginnt, seine gewohnte Position zu verteidigen und fährt dabei auch gerne mal die Ellbogen aus – wir befinden uns nun in der Storming-Phase. Jetzt sind also Konflikte und kritische Auseinandersetzungen möglich, da jeder seine Interessen und auch seine Befürchtungen klar äußert.

Innerhalb des Teams kommt es nun zu Auseinandersetzungen, wenn einzelne Positionen und Zuständigkeiten nicht eindeutig geklärt sind. Gerade in Apotheken, in denen (im Rahmen des rechtlich Zulässigen) der Grundsatz "Jeder macht alles!" gilt, sind während dieser Phase Streitigkeiten vorprogrammiert – insbesondere wenn einzelne Aufgaben ungerne erledigt werden oder das notwendige Know-how fehlt.

Tipp: Wer eine ausgeprägte Storming-Phase vermeiden will, sollte gemeinsam mit dem Team alle Tätigkeiten in der Apotheke auflisten, um dann jeweils einen Hauptverantwortlichen mitsamt einem oder zwei Vertretern zu suchen. Wenn sich größere Konflikte bei der Arbeitsaufteilung erwarten lassen, empfiehlt es sich, einen externen Moderator dazu zu holen.

Übrigens: Nicht nur die Hauptverantwortlichen, sondern auch ihre Vertreter sollten die von ihnen übernommenen Tätigkeiten regelmäßig ausführen, um so die Routine beizubehalten.

Zwar werden Sie jetzt vielleicht einwenden, dass Sie eine Tätigkeiten-Liste sowieso schon für Ihr Qualitätsmanagement erstellt haben. Allerdings lohnt es sich, diese Liste immer spätestens zu aktualisieren, bevor Sie auf die Suche nach einem neuen Mitarbeiter gehen. Denn dadurch wird häufig erst klar, welche Aufgaben genau zu erledigen sind.

Back to normal

Wenn der Sturm abflaut und die grundsätzlichen Positionen im Team geklärt sind, wird es wieder etwas ruhiger. Auch die Neuen sind nun angekommen, vom Team aufgenommen und voll akzeptiert. Jetzt steht die Norming-Phase an, die Phase der Organisation, in der sich das Team auf gemeinsame Regeln und Ziele einigt. Mögliche Team-Spielregeln, die zunächst teils banal klingen mögen, aber das Zünglein an der Waage sein können, sind:

  • "Wer morgens zuerst da ist, kocht Kaffee!"
  • "Wir verlassen die Apotheken im aufgeräumten Zustand!"
  • "Wenn es ein Problem gibt, sprechen wir es offen an!"
  • "Wenn ein Fehler passiert ist, besprechen wir, wie er in Zukunft vermieden werden kann!"

Tipp: Die gemeinsamen Regeln können z.B. sichtbar als Poster im Pausenraum aufgehängt werden. Wenn jeder Einzelne darauf unterschreibt, schafft das eine gewisse Verbindlichkeit. Denn damit bestätigen alle, dass sie sich an das gemeinsam Vereinbarte halten wollen. Gerade die neuen Mitarbeiter können sich hierdurch schneller im Team einfinden, ohne groß in Fettnäpfchen zu treten.

In der Norming-Phase werden die zuvor bereits gerecht verteilten Aufgaben und Rollen der einzelnen Teammitglieder im Alltag sichtbar. Alle fangen an, sich gegenseitig zu unterstützen.

High-End-Stufe

Die einzelnen Mitarbeiter lernen so mit der Zeit, die Stärken aller Teamkollegen proaktiv zu nutzen. Daher kann es anschließend, in der Performing-Phase, richtig losgehen. Denn nun sind alle am produktivsten. Die gemeinsame Leistung und Zielerreichung stehen im Vordergrund – was das Vertrauen ineinander noch einmal zusätzlich fördert.

Tipp: Mit regelmäßigen Teamevents, wie z.B. (sobald wieder möglich) einem Tag im Hochseilgarten, festigen Sie den Teamgedanken und stärken die Performing-Phase.

Immer angemessen führen

Nun ist nicht immer gleich klar, in welcher Phase sich ein Team gerade befindet, zumal sich die Team-Uhr manchmal auch rückwärts drehen kann. Um das Team stets richtig zu führen, müssen Sie also analysieren, in welcher Phase es sich befindet. Und das heißt zunächst einmal: Beobachten! Wie gut läuft die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Mitgliedern? Gibt es "heimliche Zuständigkeiten" oder aber auch "graue Eminenzen", also eine Art inoffizielle Zweitchefs?

Außerdem sind Feedbackgespräche sehr wichtig. Gerade bei einer insgesamt offenen Feedback-Kultur, die auch Kritik zulässt, fällt es den Mitarbeitern leichter, frei zu äußern, was ihnen nicht passt. Auch erfahren Sie so als Chef mehr über den aktuellen Status quo im Team.

Wenn Sie es schaffen, Ihr Team auf diese Weise – also durch die stetige Analyse und die daran angepasste Führung – in die Performing-Phase zu bringen, zeigt sich der Nutzen ganz schnell. Dazu abschließend zwei Beispiele.

Beispiel 1: Sie planen einen Aktionstag in der Apotheke. Da alle in einem "performenden" Team die Stärken der anderen kennen, ist auch klar, wer am kreativsten ist und wer über das größte Organisationstalent verfügt. Und so kristallisiert sich schnell heraus, wer sich um die Schaufensterdekoration kümmert und wer die jeweils Zuständigen an ihre To-dos erinnert.

Beispiel 2: Ein "performendes" Team kann die (langfristige) Urlaubsplanung oder auch den Ersatz für (kurzfristige) krankheitsbedingte Mitarbeiterausfälle selbst organisieren. Da die Mitarbeiter hoch motiviert sind, zeigen sie sich meistens auch bereit, spontan auf Abruf zu arbeiten und in andere Arbeitsbereiche zu wechseln. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen es Corona-bedingt notwendig werden kann, in ein Zwei-Schicht-Modell zu wechseln, ist solch eine maximale Flexibilität des Teams Gold wert!

Nicole Hackl, PTA, Coach (DVNLP), Pharmazieökonomin (FH), 85416 Langenbach, E-Mail: n.hackl@apotheken-interaktion.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(01):8-8