Lernen ohne Zwang und Langeweile

Wie Sie das Wissen Ihrer neuen Mitarbeiter spielend updaten


Karin Wahl

Die zeitlichen und personellen Ressourcen sind zwar begrenzt, dennoch müssen unerfahrene Mitarbeiter fit für den Handverkauf (HV) gemacht werden. Glücklicherweise gibt es Methoden, mit denen sich Fachwissen in Eigenregie und ohne großen Aufwand vermitteln lässt.

Derzeit wird man geradezu überhäuft mit Webinar- und Online-Schulungs-Angeboten auch für neue, unerfahrene Mitarbeiter. Wenn diese Veranstaltungen allerdings "synchron" (also live) abends nach der Arbeit stattfinden, kann das – neben eventuellen "Kollisionen" mit dem Arbeitszeitgesetz – dazu führen, dass sich die Mitarbeiter überfordert fühlen. Denn schließlich soll der Feierabend nach einem anstrengenden Tag Zeit für die Familie und zur Regeneration bieten.

Es gibt aber Alternativen, die sich relativ leicht in den Apothekenalltag integrieren lassen. Mit den Möglichkeiten, die wir Ihnen in diesem Beitrag vorstellen, haben Kollegen in der Regel sehr gute Praxiserfahrungen gesammelt.

Zugrunde liegt jeweils die Annahme, dass alle Menschen – egal ob Kinder oder Erwachsene – lieber spielend lernen als stupide zu pauken. Wenn die Weiterbildung folglich Spaß macht, sind die Mitarbeiter gleich viel motivierter zu lernen – und das erworbene Fachwissen auch im HV umzusetzen.

Grundsätzliches vorab

Führen Sie die vorgestellten Maßnahmen nicht zwanghaft zu bestimmten Terminen, sondern vielmehr dann durch, wenn es sich gerade anbietet, so etwa in einer verkaufsschwachen Zeit, die ansonsten vielleicht für einen eher "arbeitsfernen" Kaffeeklatsch genutzt würde.

Den "Lehrer-Part" können prinzipiell alle Mitarbeiter in Ihrem Team übernehmen, die über das entsprechende Fachwissen verfügen und ein gewisses pädagogisches Grundgespür haben – also sowohl Sie selbst als auch Ihre Approbierten oder erfahrene PTA. Das Schöne daran: Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, können Sie die Schulungen ganz leicht durchführen, ohne sich besonders vorbereiten zu müssen – denn das eigene Wissen und die eigene Erfahrung reichen als Grundlage aus.

Und falls es dann doch einmal Rückfragen von Seiten der geschulten Person gibt, die Sie nicht aus dem Stegreif beantworten können: Wir haben ja glücklicherweise noch unsere EDV und meterweise Lehr- und Fachbücher, um etwas nachzuschlagen. So lernen letztlich alle etwas dazu – auch die "Lehrkräfte".

Wichtig: Die Schulungen müssen regelmäßig stattfinden, damit sich viel Wissen übermitteln lässt, das auch langfristig Bestand hat.

Zum grundsätzlichen Vorgehen: Zunächst wird bestimmt, wer für die nächsten ca. 15 Minuten geschult werden soll – und wer während dieser Zeit in den HV oder ans Telefon geht. Achten Sie dabei vor allem in größeren Teams mit mehreren schulungsbedürftigen Mitarbeitern darauf, niemanden zu bevorteilen bzw. zu benachteiligen. Am besten sollten die einzelnen Mitarbeiter immer wieder in der mehr oder weniger gleichen Abfolge an der Reihe sein.

Anschließend setzen sich "Lehrer" und "Schüler" mit Kaffee und Gebäck in eine ruhige Ecke. Je gemütlicher es ist, umso mehr Spaß macht das Ganze – und umso größer ist der Erfolg! Nun aber auf: Gehen wir in medias res.

Mit Packungen lernen

Bei der ersten Methode wählen Sie zunächst nach dem Zufallsprinzip fünf Packungen aus der gerade angenommenen Sendung oder aus Ihrem Warenvorrat aus. Zeigen Sie Ihrem Gegenüber der Reihe nach alle Packungen und stellen z.B. die folgenden Fragen:

  • "Was ist das für ein Medikament?"
  • "Wofür bzw. wogegen ist es?"
  • "Wie nimmt man es üblicherweise ein?"
  • "Sind Nebenwirkungen zu beachten – und wenn ja: welche?"
  • "Gibt es vergleichbare andere Medikamente?"
  • "Ist das ein Original oder ein Generikum?"
  • "Um welche Arzneiform handelt es sich?"
  • "Welche anderen ähnlichen Arzneiformen kennen Sie?"

Natürlich können Sie das Ganze auch insoweit variieren, dass Sie z.B. einmal die Packungen zufällig auswählen und ein andermal nur Arzneimittel mit einer ganz bestimmten Indikation berücksichtigen.

Bei den ersten Malen schaffen Sie es womöglich nicht, alle fünf Medikamente in 15 Minuten zu besprechen. Aber das ist egal. Es kommt vielmehr darauf an, dass Ihre Mitarbeiter die Produkte richtig beschreiben und einordnen: Qualität vor Quantität! Mit der Zeit läuft das Ganze sowieso flüssiger ab – nicht zuletzt, weil die Mitarbeiter auch im HV immer mehr Erfahrungen gewinnen.

Mit Rezepten lernen

Bei der zweiten Methode nehmen Sie sich einen kleinen Stapel bereits belieferter Rezepte und drücken sie dem Befragten nacheinander in die Hand – wie es die Kunden im HV ja auch tun. Simulieren Sie dann jeweils die entsprechenden Kundengespräche. Führen Sie sich dabei ruhig mal begriffsstutzig, mal forsch, mal neugierig und mal besserwisserisch auf – ganz so, wie unsere Kunden nun mal eben sind.

Hier kann es durchaus sinnvoll sein, das ganze Team mit einzubeziehen. Dabei geht es natürlich nicht darum, den Befragten vorzuführen, sondern vielmehr sollten alle Mitarbeiter ihre persönliche Meinung über das in der jeweiligen Situation richtige Verhalten äußern. Ist man sich uneins, gilt es, darüber abzustimmen, wie man solche schwierigen Kunden zukünftig angemessen bedienen will – und wie man lernt, sich nicht provozieren zu lassen.

Wenn ein neuer Mitarbeiter schon etwas fitter ist, probieren Sie eine verschärfte Variante dieser Methode: Händigen Sie ihm nicht nur ein Rezept aus, sondern verlangen Sie zusätzlich noch ein freiverkäufliches Präparat, das mit dem verordneten interagiert.

Großer Vorteil eines solchen Trainings: Die neuen Mitarbeiter können hier noch keinen unverzeihlichen, eventuell lebensbedrohlichen Fehler machen. Es lässt sich vielmehr alles so lange besprechen, bis es sitzt – und Sie die Mitarbeiter letztlich ganz ohne "Risiken und Nebenwirkungen" auf Ihre Kunden loslassen können.

Übrigens sind die neuen Mitarbeiter so auch besser gefeit für Situationen, wie sie wohl jeder von uns schon einmal erlebt hat – nämlich dass man plötzlich ein neues Medikament in der Hand hält, das man selbst nicht (gut) kennt. Die neuen Mitarbeiter müssen lernen, auch hier souverän zu bleiben und keine "Story vom Pferd" zu erzählen. Vielmehr sollen sie dem Kunden ruhig erklären, dass es sich um ein neues Medikament handelt, zu dem sie sich selbst erst einmal über die Fachinformation in der Apotheken-EDV kundig machen müssen – und zu dem gegebenenfalls sogar noch eine Rücksprache mit dem Verordner nötig sein kann. Auch das lässt sich in den regelmäßigen Schulungen sehr schön üben.

Als finales Schmankerl: Mit Kreuzworträtseln lernen

Eine weitere Methode wird z.B. an US-amerikanischen Universitäten zur Wissensvermittlung eingesetzt. Und zwar trainieren Sie hierbei das allgemeine Fachwissen neuer Mitarbeiter losgelöst von spezifischen Rezepten und konkreten Präparaten mit Kreuzworträtseln – was sich übrigens erfahrungsgemäß gerade in den PTA-Schulen großer Beliebtheit erfreut, sofern es denn angeboten wird.

Je nach Thema, das gerade auf der Lernagenda Ihrer neuen Mitarbeiter steht, können Sie so bereits erlerntes Wissen spielerisch abfragen – egal ob es sich um die Galenik, um die Drogenkunde oder um Fremdwörter in der Pharmazie handelt. Denn Vieles lässt sich wunderbar in einem Kreuzworträtsel abbilden (vgl. Service). Und das bearbeiten die neuen Mitarbeiter dann auch mal gerne auf der abendlichen Heimfahrt im Bus oder in der Bahn.

Service

Kostenlose Kreuzworträtsel können Sie beispielsweise online bei Discovery Education erstellen.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Beraterin im Gesundheitswesen, 70195 Stuttgart, E-Mail: karinruthwahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(01):10-10