Geld sparen mit der Warenwirtschaft (Teil 3)

Wie sich komplexe mathematische Probleme einfach lösen lassen


Florian Giermann

Nachdem wir Ihnen im letzten Teil dieser Serie einige Grundlagen zur optimalen Lagerhaltung vorgestellt haben, erfahren Sie nun, wie die Warenwirtschaft Sie dabei unterstützt, stets die "richtigen" Artikel an Lager zu haben – und welche Rolle die Rabattverträge dabei spielen.

Ein gutes Warenlager beinhaltet natürlich genau die "richtigen" Artikel. Weil nun allerdings die Faktoren, die die Bevorratung beeinflussen, teils enorm dynamisch sind (vgl. AWA 23/2020), kann es dazu kommen, dass ein Lagerartikel, der gestern noch "richtig" war, heute schon als "falsch" bewertet werden muss – und vice versa.

Mal rein ...

An Lager legen sollten Sie daher alle Nicht-Lagerartikel, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums mehrmals abverkauft worden sind. Als grobe Faustregel gilt dabei: Haben Ihre Kunden einen Artikel mindestens zweimal innerhalb der letzten sechs Monate nachgefragt, können Sie in aller Regel davon ausgehen, dass er auch weiterhin verkauft wird.

Sofern es sich rentiert, sollten Sie jedoch von dieser Grundregel abweichen. Dafür müssen Sie den Rohertrag eines vom Kunden gewünschten Artikels den kalkulatorischen Kosten gegenüberstellen, die anfallen, wenn Sie diesen Artikel nicht an Lager haben. Hier sind drei (jeweils mit Wahrscheinlichkeiten zu gewichtende) Fälle zu unterscheiden:

  1. Sie liefern nach. Dann fallen zusätzlich die Kosten für die Nachbestellung sowie eventuell für den Botendienst an.
  2. Der Kunde kauft (nur) den gewünschten Artikel in einer anderen Apotheke, bleibt Ihnen aber gewogen und kommt wieder. Dann entgeht Ihnen dieses eine Mal jener Rohertrag.
  3. Sie verlieren den Kunden ganz. Dann ist der zukünftige Customer-Lifetime-Value dieses Kunden anzusetzen.

Übrigens: Ob ein Kunde seine (Stamm-)Apotheke tatsächlich wegen eines nicht vorrätigen Artikels wechselt, hängt zu stark von individuellen Faktoren (wie der Apotheken- und Ärztedichte vor Ort) ab, als dass sich hierfür pauschale Zahlen oder gar Empfehlungen geben ließen. Allerdings wird dieser Punkt zukünftig an Relevanz gewinnen. Denn die – Stichwort: E-Rezept – Gematik-App soll ja z.B. eine automatisierte Verfügbarkeitsanfrage enthalten.

... und mal raus

Gleichermaßen ist das Sortiment regelmäßig um alle Lagerartikel zu bereinigen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht mehr verkauft worden sind. Hier gilt ähnlich der Einlistungs-Faustregel: Was innerhalb eines halben Jahres gar nicht verkauft wird, sollte ausgelistet werden.

Die ein- bzw. auszulistenden Artikel können Sie mit speziellen Menüs bzw. Programmen in Ihrer Warenwirtschaft identifizieren: Die entsprechenden Parameter sind entweder schon voreingestellt oder lassen sich jedes Mal aufs Neue variabel eingeben.

Eine Übersicht der einzulistenden Artikel erhalten Sie, indem Sie alle Nicht-Lagerartikel abfragen, die im Zeitraum t mindestens n-mal abverkauft worden sind. Für die Auslistung kommen hingegen alle Lagerartikel infrage, die Sie im Zeitraum t niemals abverkauft haben. Im Idealfall können Sie nach der Abfrage im Listengenerator Ihrer Warenwirtschaft noch zwei Serienänderungen durchführen:

  • Zum einen kennzeichnen Sie einzulistende Artikel entsprechend und weisen ihnen einen Mindestbestand zu. Dadurch werden diese Artikel automatisch bestellt, wenn der Mindestbestand unterschritten ist.
  • Zum anderen entfernen Sie bei den auszulistenden Artikeln das Lagerkennzeichen (und damit den Mindestbestand). So bestellt das System diese Artikel nicht erneut nach, falls sie doch eventuell noch verkauft werden.

Sofern Sie einen ausgelisteten Artikel zurücksenden wollen (z.B. weil das Verfalldatum bald erreicht ist), sollten Sie immer die Retourenvereinbarung mit dem jeweiligen Großhändler überprüfen. Wenn Ihnen durch die Rücksendung Konditions-Nachteile entstehen, die den Einkaufswert übersteigen, sollten Sie den Artikel zwar nicht retournieren, aber natürlich trotzdem sicherstellen, dass er ab sofort nicht mehr als Lagerartikel gekennzeichnet ist.

Tipp: Jede Einstellung, die Sie an den Parametern Ihrer Warenwirtschaft vornehmen, hat unmittelbare Auswirkungen auf das Verhalten Ihres Systems. Wann haben Sie sich Ihre Parameter zuletzt angeschaut bzw. anschauen lassen? Wenn das schon länger zurückliegt, könnte es an der Zeit sein, das wieder einmal zu tun.

Die Krux mit den Rabattverträgen

Als wären die nach Einkaufspreisen gestaffelten Bevorratungszeiträume sowie die Ein- und Auslistungen noch nicht komplex genug, spielen auch die Rabattverträge eine wichtige Rolle für das optimale Warenlager.

Die meisten Warenwirtschaftsanbieter haben entsprechende Rabattvertrags-Tools bereits in ihre Software integriert. Es gibt aber auch Algorithmen von Drittanbietern, die – und hierauf ist zu achten – per Schnittstelle direkt mit Ihrer Warenwirtschaft kommunizieren können sollten. Denn andernfalls entsteht Ihnen ein Mehraufwand bei der manuellen Lagerpflege und -kontrolle, der scharf durchkalkuliert sein will.

Die Rabattverträge führen vor allem dann zu hohen Lagerbeständen, wenn sich Ihre Kunden relativ gleichmäßig über die gesetzlichen Krankenkassen verteilen. Als Folge könnte es im Worst Case nötig sein, sich einen Wirkstoff in sämtlichen Darreichungsformen und Packungsgrößen von verschiedensten Herstellern an Lager zu legen.

Rabattvertrags-Tools können dieses Problem über die "abzählende Kombinatorik" lösen. Das heißt vereinfacht: Sie kombinieren so lange einige oder alle Objekte einer ausgewählten Gruppe auf unterschiedliche Weise, bis möglichst wenige zurückgeblieben sind. So berechnet das Tool die schlankestmögliche Zusammensetzung Ihres individuellen Warenlagers unter Berücksichtigung der Rabattverträge. Konkret sollte sich das Tool bei seiner Kalkulation die folgendenFragen stellen:

  • Welche Krankenkassen kommen in der Apotheke am häufigsten vor?
  • Mit welchem/n Hersteller/n gibt es hierzu Rabattverträge?
  • Mit welcher Kombination aus möglichst wenigen Herstellern kann ich die meisten Krankenkassen bedienen?

Neu ist nicht immer besser

Egal wie gut Sie Ihr Sortiment auf das Kaufverhalten der Kunden abgestimmt haben: Sobald sich die Rabattverträge ändern, wird es nochmals komplexer. Schon wenn nur eine derjenigen Krankenkassen, die am häufigsten in Ihrer Apotheke vorkommen, einen Rabattvertragspartner wechselt, können Teile Ihres Warenlagers faktisch unverkäuflich werden. Mit etwas Glück lassen sich diese Artikel dann zwar noch retournieren – aber auch das generiert personellen Aufwand.

Immerhin: Zumindest dieser Aufwand ist größtenteils vermeidbar, weil neue Rabattvertragskonstellationen bereits im Vorhinein bekannt sind. Mit der richtigen Software können Sie das berücksichtigen und die betroffenen Artikel frühzeitig aus- sowie deren "Nachfolger" einlisten.

Den Kreis ansatzweise quadratisch machen

Selbst wenn das optimale Warenlager manchmal als ein genauso unmögliches Ziel wie die Quadratur des Kreises erscheint: Wer die Warenwirtschaft konsequent und zielgerichtet einsetzt, erhöht das Einsparpotenzial für eine durchschnittliche Apotheke auch bei den Rabattverträgen erfahrungsgemäß nochmals um weitere 5% bis 10% pro Jahr.

Damit das alles funktioniert, sollte jede Apotheke entweder alleine für sich oder mit einem versierten Berater ein individuelles ökonomisches Lagermanagement entwickeln. Auf diese Weise können Sie bei möglichst niedrigen Kosten für das Warenlager eine hohe Lieferfähigkeit sicherstellen – mit der Folge, dass nicht nur Sie, sondern auch Ihre Kunden zufrieden sind und gerne wieder in Ihre Apotheke kommen.

Florian Giermann, Client Liaison Manager, Noventi Health SE, 81673 München, E-Mail: florian.giermann@noventi.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(02):8-8