Autorität zeigen, ohne autoritär zu sein

Wie Sie als Kapitän das Steuerrad in der Apotheke wieder selbst übernehmen


Carolin Skiba

In manchen Situationen übernehmen Angestellte "inoffiziell" die Führung der Apotheke. Was können Sie als Chef in solchen Fällen tun, um das Ruder wieder in die Hände zu bekommen, ohne dass sich dadurch das Betriebsklima verschlechtert?

Manche Apothekenchefs fallen z.B. wegen Krankheit oder Urlaub aus, manche treten im Rahmen von Elternzeiten und Co. kürzer, manche sind auch über längere Phasen hinweg überlastet und damit wenig präsent. In solchen Fällen organisiert sich das gesamte Team ein Stück weit selbst und versucht, die Lücke auszufüllen – was zunächst einmal eine gute Sache ist. Häufig übernehmen dann eine oder zwei Personen das Sagen, entweder in allen Belangen oder aber in einzelnen Aufgabenbereichen, in denen sie möglicherweise tatsächlich mehr Wissen bzw. Kompetenzen haben als der Chef selbst.

Problematisch wird das meistens, wenn der Chef zurückkommt und seine Aufgaben wieder übernehmen möchte. Denn Menschen gewöhnen sich an Entscheidungsspielräume – sowie daran, nach ihren eigenen Vorstellungen schalten und walten zu dürfen. Wenn ihnen die Verantwortung dann wieder entzogen wird, können sie dies als Einschränkung oder sogar als Kränkung empfinden und mit Ablehnung und Widerstand reagieren.

Hier benötigt die Führungskraft ein sensibles Händchen, um ohne Trotz-Reaktionen in die alte Führungsverantwortung zurückkehren zu können. Wir geben Ihnen einige Tipps, wie Ihnen das in sechs Schritten Stück für Stück gelingt, ohne dass Sie Ihre Mitarbeiter vor den Kopf stoßen.

1. Das eigene Ego hinterfragen und zurückstellen

Während Ihrer Abwesenheit hat alles einigermaßen oder sogar sehr gut funktioniert? Prima und Glückwunsch! Dann ist doch alles bestens – zumindest wenn Sie sich darüber freuen können. Denn nichts ist schlimmer als ein Chef, dessen Ego oder dessen Angst vor einem Kontrollverlust ihm diese Freude verbietet.

Stellen Sie also im ersten Schritt Ihr eigenes Ego hinten an. Wenn Ihnen das schwerfällt, fragen Sie sich, wieso. Gerade wenn man Angst vor einem Kontrollverlust hat, reagiert man besonders heftig und riskiert, Mitarbeiter zu verärgern und zu demotivieren.

2. Den Mitarbeitereinsatz ehrlich wertschätzen

Machen Sie sich im zweiten Schritt bewusst, dass Sie froh sein können, wenn Sie Mitarbeiter in Ihrem Team haben, die für Sie einspringen, wenn es notwendig ist. Denn manche Mitarbeiter haben schließlich die Einstellung: "Ist ja nicht meine Apotheke, also nicht mein Problem! Soll sich der Chef doch selbst um alles kümmern!"

Seien Sie deshalb dankbar über die Initiative Ihrer Mitarbeiter, und zeigen Sie das auch – nicht zuletzt im Gespräch mit Formulierungen wie:

  • "Vielen Dank, dass Sie während meiner Abwesenheit die gesamte Planung übernommen und das Team zusammengehalten haben. Ohne Sie hätte das alles nicht so reibungslos funktioniert!"
  • "Danke, dass Sie bei den Bestellungen den Hut aufhatten und unseren Bestand eigenverantworlich sichern. Ich bin froh, dass Sie sich hier so gut auskennen und selbstständig handeln können."

Damit drücken Sie ehrliche Wertschätzung aus, signalisieren aber gleichzeitig, dass die Befugnisse des Mitarbeiters zeitlich ("während meiner Abwesenheit") oder auf einen Bereich ("Bestellungen") beschränkt sind.

3. Den Übergang sanft gestalten

Im dritten Schritt holen Sie sich Ihre Kompetenzen Stück für Stück zurück – und zwar, indem Sie sich Ihre Verantwortlichkeiten geordnet und klar wieder von den jeweiligen Mitarbeitern übergeben lassen. Diese Mitarbeiter werden damit auch aktiv beteiligt.

Beispiel Dienstplanung: Als Sie nach einer Abwesenheit in die Apotheke zurückkehren, bitten Sie den verantwortlichen Mitarbeiter darum, sich mit Ihnen zusammenzusetzen und zu berichten, wie er die Dienste in den letzten Wochen verteilt hat. Sie wollen wissen, ob es bestimmte Dinge zu beachten gilt, ob sich im Vergleich zu früher etwas geändert hat etc. Damit knüpfen Sie an die Zeiten an, in denen Sie noch den Hut aufhatten, lassen sich aber vom Mitarbeiter beraten. Indem Sie auf diese Art und Weise Interesse zeigen, würdigen Sie die Fähigkeiten des Mitarbeiters und zeigen, wie wichtig er Ihnen ist.

4. Offiziell wieder die Führung übernehmen

Informieren Sie im nächsten Schritt Ihr gesamtes Team, dass Sie nun wieder (voll) einsatzfähig sind, und erklären Sie, welche Gebiete Sie von nun an wieder selbst abdecken können. Bedanken Sie sich nochmals bei allen Teammitgliedern für deren Mithilfe – sowie speziell bei denjenigen, die die Verantwortung übernommen haben. Auch damit stellen Sie klar, dass ab jetzt Sie wieder der Boss sind!

5. Zur Not: Klar abgrenzen!

Falls Sie merken, dass Sie Ihre Autorität auch dann noch nicht zurückerlangt haben, sollten Sie im 1:1-Gespräch klare Worte mit dem jeweiligen Mitarbeiter sprechen. Verdeutlichen Sie auch hierbei immer, dass Sie seine Initiative und seinen Input schätzen. Denn Sie wollen ihn ja schließlich nicht demotivieren.

Sagen Sie beispielsweise: "Frau Gebieterisch, ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie sich in der Zeit, in der ich nicht hier sein konnte, so umsichtig um das gesamte Team gekümmert und Ihre Kollegen unterstützt haben. Ich freue mich, wenn Sie mir mal in einer ruhigen Minute erzählen, was aus Ihrer Sicht wichtig ist, und was sich vielleicht im Team verändert hat, damit ich das in Zukunft berücksichtigen kann – und Sie auch wieder Luft für Ihre eigenen Aufgaben haben."

6. Letzte Streitpunkte aus dem Weg räumen

Sollte sich ein Mitarbeiter dann immer noch vehement weigern, sich von Ihnen etwas sagen zu lassen, fragen Sie ihn, warum er sich in diesem Bereich nicht von Ihnen führen lassen möchte: Was macht er seiner Meinung nach besser als Sie bzw. warum lehnt er Ihre Vorstellungen ab?

Vielleicht ist an seinen Ansichten ja wirklich etwas dran!? Dann sollten Sie gemeinsam überlegen, wie sie sich im Apothekenalltag umsetzen lassen.

Vielleicht aber müssen Sie dem Mitarbeiter auch nur das Gefühl vermitteln, dass Sie interessiert an seiner Meinung sind. Dann lässt er sich vermutlich ganz schnell davon überzeugen, Ihren Weg gemeinsam mit Ihnen zu gestalten.

Die Chance nutzen: Warum nicht Kompetenzen abtreten?

Eventuell bietet sich Ihnen nach einer längeren Abwesenheit auch eine besondere Möglichkeit, einige Kompetenzen an Mitarbeiter abzugeben. Seien Sie dafür offen! Denn wenn es sich bewährt hat, dass ein Mitarbeiter die Verantwortung für bestimmte Aufgaben übernimmt, könnte Sie das langfristig sogar entlasten. Warum also entwickeln Sie diesen Mitarbeiter nicht weiter, indem Sie ihm bestimmte Bereiche, in denen bisher Sie den Hut aufhatten, überlassen?

Fragen Sie den Mitarbeiter, ob er sich vorstellen kann, diese Aufgaben langfristig weitgehend eigenverantwortlich zu übernehmen, und welche Aufgaben er stattdessen abgeben möchte, um genug Zeit für die neue Verantwortung zu haben. Vergessen Sie natürlich auch nicht, ihm zu erläutern, wie er seine Aufgaben in Ihren Augen erfüllen sollte. Dann spricht nichts dagegen, dass Sie Verantwortung loslassen und Freiräume für sich gewinnen.

"Menschen unterstützen eine Welt, die sie selbst mitgestalten können." Nutzen Sie ganz nach diesem Motto die Chancen, die Ihnen Ihre verantwortungsvollen, proaktiven Mitarbeiter bieten. Beziehen Sie sie ein, und zeigen Sie ihnen, dass sie wichtig für die Apotheke sind. Denn dann ist die Apotheke ein gemeinsames Projekt des ganzen Teams – mit Ihnen als Kapitän!

Carolin Skiba, Gesundheitspsychologin (M. Sc.), Personalleitung & Projektmanagement, Stärkentrainer Team, 70192 Stuttgart, E-Mail: skiba@staerkentrainer.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(02):10-10