Zurück in der Apotheke (Teil 1)

Wie Sie Langzeiterkrankte erfolgreich wieder eingliedern


Esther Stollenwerk

Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) hilft dabei, die Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit langzeiterkrankter Mitarbeiter wieder herzustellen und möglichst dauerhaft zu sichern. Auch Sie als Arbeitgeber profitieren davon. Doch wie gelingt das BEM?

Seit Mai 2004 sind alle Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, ein BEM einzuführen (§176 Abs. 2 Sozialgesetzbuch IX). Was bedeutet das konkret?

Wenn Mitarbeiter innerhalb von zwölf Monaten länger als sechs Wochen – am Stück oder auch unterbrochen – erkrankt sind, müssen Sie als Arbeitgeber ihnen ein BEM anbieten. Ziel ist es, dass beide Seiten miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam prüfen, welche Ursachen hinter den Arbeitsunfähigkeitszeiten stecken. Im nächsten Schritt gilt es dann zu klären, wie die Mitarbeiter langfristig arbeitsfähig bleiben und somit nicht erneut ausfallen.

Insbesondere wenn die Arbeitsunfähigkeit aus beruflichen Gründen resultiert, steckt in jedem BEM-Fall eine große Chance. So können Sie betriebliche Schwachstellen entdecken und langfristig beseitigen, so z.B. in der Arbeitsumgebung, den Arbeitsabläufen (inklusive der Arbeitsteilung) oder im sozialen Miteinander. Über ein erfolgreiches BEM lässt sich außerdem die Beziehung zwischen Chefs und Angestellten stärken – was auch die Mitarbeiterbindung an die Apotheke erhöht.

Ganz wichtig: Das BEM ist kein Instrument, um zu disziplinieren! Angenommen also, Sie stellen fest, dass der Mitarbeiter eigentlich gar keine gesundheitsbezogene Hilfe benötigt, sondern vielmehr so häufig fehlt, weil er einfach keine Lust auf die Arbeit in der Apotheke hat: Dann würden Sie das auch nicht im Rahmen eines BEM besprechen. Denn Themen wie mangelnde Motivation stehen ja schließlich auf der Agenda eines "normalen" Mitarbeitergesprächs.

BEM oder kein BEM? Das ist hier die Frage!

Wenn Sie kein BEM anbieten, passiert zunächst einmal gar nichts. Aktuell existiert nämlich keine Institution, die das überwacht. Demnach sind auch keine Sanktionen zu befürchten, wenn Sie der gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommen.

Jetzt sagen Sie sich vielleicht: "Na, dann bin ich doch auch ohne BEM fein aus dem Schneider!" Aber das stimmt so natürlich nicht. Denn im Fall von krankheitsbedingten Kündigungen hat es sehr wohl rechtliche Konsequenzen, ob Sie vorher ein BEM angeboten haben – oder eben nicht. Beispiel: Einer Ihrer Mitarbeiter fehlt sehr häufig, und Sie entscheiden sich, ihm während einer Krankschreibung zu kündigen. Sollte der Mitarbeiter die Kündigung nicht akzeptieren und eine gerichtliche Klärung einfordern, wird der Arbeitsrichter Sie als Erstes fragen, ob Sie ein BEM angeboten haben. Wenn Sie das nicht mit "Ja!" beantworten können, wäre auch die Kündigung nicht rechtswirksam.

Das Gerüst aufbauen, ...

Beim BEM gibt es kein Schema F – für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wie Apotheken ebenso wenig wie für Großkonzerne. Für KMU mit wenigen Mitarbeitern ist es ebenfalls nicht erforderlich, aufwendige BEM-Strukturen zu implementieren oder Personalressourcen für ein spezielles BEM-Team zu binden. Es reicht völlig aus, wenn nur eine Person das Verfahren als alleiniger Verantwortlicher umsetzt. Ein paar Punkte gilt es allerdings auch für eher kleine Betriebe zu beachten, damit ein BEM gut gelingen kann.

Kommunikation und Information

Gegenseitiges Vertrauen, Diskretion und Freiwilligkeit sind die obersten Prinzipien eines jeden BEM. So erweist es sich als großes Hindernis für den Erfolg, wenn die Mitarbeiter nicht ausreichend über Sinn und Zweck des Ganzen informiert werden. Ansonsten bekommen die Betroffenen schnell das Gefühl, sich in einem BEM-Gespräch für vergangene Krankheitsepisoden rechtfertigen zu müssen. Im schlimmsten Fall entsteht sogar der Eindruck, dass Sie das BEM dafür nutzen wollen, um krankheitsbedingte Kündigungen vorzubereiten.

Um solchen Missverständnissen vorzubeugen, müssen Sie Ihre Beschäftigten davon überzeugen, dass das BEM insbesondere für deren eigene Gesundheit da ist. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter also noch vor der Einführung darüber, dass es bald ein BEM geben wird. Klären Sie sie auf den bei Ihnen üblichen Kanälen (z.B. über Aushänge, das Internet bzw. besser noch in Team-Meetings oder in einem persönlichen Gespräch) darüber auf,

  • was ein BEM überhaupt ist,
  • welches Ziel es verfolgt bzw. worin der Nutzen für die Mitarbeiter liegt,
  • was mit den erhobenen Daten passiert und
  • wer Ansprechpartner ist/sind.

Tipp: Informieren Sie auch neue Mitarbeiter über das BEM – am besten gleich, wenn sie bei Ihnen anfangen.

Datenschutz

Nicht nur wegen der genannten obersten BEM-Prinzipien, sondern auch aufgrund der rechtlichen Vorgaben dürfen Sie die für das BEM notwendigen Daten nicht ohne die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Mitarbeiter erheben und weiterleiten. Um den Datenschutz zu gewährleisten, ist es zudem wichtig, die entsprechenden Inhalte nicht in der Personal-, sondern vielmehr in einer separaten BEM-Akte zu hinterlegen.

Dienstvereinbarung

Es empfiehlt sich, den genauen BEM-Prozess mitsamt den "Spielregeln" schriftlich festzuhalten, damit Sie sich später immer darauf berufen können. Möglich ist das z.B. über eine spezielle Dienstvereinbarung oder einen Ablaufplan.

... um zu den Betroffenen zu gelangen

Wenn dieses Gerüst einmal steht, geht es darum, mögliche BEM-Kandidaten zu identifizieren. Dazu ist es ratsam, regelmäßig (z.B. einmal im Monat) zu überprüfen, wer von Ihren Mitarbeitern während der letzten zwölf Monate länger als sechs Wochen ununterbrochen oder kumuliert gefehlt hat.

Diese Mitarbeiter sollten Sie im nächsten Schritt zu einem Gespräch einladen – am besten schriftlich. Denn im Ernstfall einer krankheitsbedingten Kündigung lässt sich die Einladung als Beweis dafür verwenden, dass Sie ein BEM angeboten haben.

Legen Sie der Einladung außerdem ein Antwortschreiben bei, auf dem die Mitarbeiter Ihr Angebot annehmen oder ablehnen können. Ein BEM findet natürlich nur im ersten Fall statt – zumal es allein dann erfolgreich sein kann, wenn die Betroffenen mit dem Verfahren einverstanden sind, darin den Nutzen für sich selbst erkennen und sich deswegen auch aktiv beteiligen.

Wenn ein Mitarbeiter hingegen nicht einwilligt oder seine Einwilligung widerruft (was er jederzeit darf), endet das BEM-Verfahren. Gerichtlich sind Sie aber in Zweifelsfällen auf der sicheren Seite.

Sie sind nicht allein!

Insbesondere für kleine Betriebe ohne die notwendige Expertise ist es hilfreich, externe Unterstützung für ein BEM hinzuzuziehen. Dazu können Sie sich an

  • die Renten-, die Kranken- oder die Unfallversicherung,
  • die Arbeitsagentur,
  • die Sozialhilfeträger sowie
  • speziell bei schwerbehinderten Mitarbeitern an die Integrationsämter wenden.

Diese Institutionen bieten nicht nur Weiterbildungen zum BEM an, sondern beraten Sie z.B. auch zu Rehabilitationsmaßnahmen. Zudem coachen sie die Mitarbeiter und helfen weiter, wenn es darum geht, den Arbeitsplatz ergonomisch einzurichten, etwa mit

  • höhenverstellbaren Tischen,
  • speziellen Bildschirmen oder
  • technischen Arbeitshilfen wie Lesegeräten.

Ein zusätzlicher Vorteil: Wenn Ihre Mitarbeiter stufenweise wieder eingegliedert werden, können Sie hierfür von den Krankenkassen einen Zuschuss zu den Lohnkosten von bis zu 100% erhalten.

Service

Weitere Informationen zum BEM finden Sie auch bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

Esther Stollenwerk Wirtschaftspsychologin (M.Sc.), Beraterin für betriebliches Gesundheitsmanagement, 50670 Köln, E-Mail: esther_stollenwerk@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(03):12-12