Zu Risiken und Nebenwirkungen

Wie Sie Ihre Kunden nachhaltig beraten


Nicole Hackl

Den Satz "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!" kennen wir nur allzu gut. Aber ist er tatsächlich noch zeitgemäß? Muss der Kunde wirklich aktiv nachfragen? Oder ist es nicht eher andersrum?

Schauen wir doch mal in §20 der Apothekenbetriebsordnung: Demnach ist u.a. sicherzustellen, dass Patienten und Co. "hinreichend über Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte informiert und beraten werden." Der eingangs zitierte Slogan müsste also richtigerweise heißen: "Zu Risiken und Nebenwirkungen berät Sie Ihr Arzt oder Apotheker (vor Ort)!" Insofern wäre auch gleich die Apotheke vor Ort in den Fokus gestellt.

Gut beraten

Beleuchten wir das Ganze etwas genauer: In den letzten Jahren berichten die Medien immer wieder, dass die Beratungskompetenz in den Apotheken teilweise zu wünschen übrig lässt. Dann ärgern sich einige Apothekenchefs zwar über die negative Presse. Aber vielleicht ist ja wirklich etwas dran an diesen Berichten? Denn wer nimmt sich tatsächlich die Zeit und überprüft regelmäßig, wie die Beratung in der eigenen Apotheke läuft?

Wenn Sie das Thema angehen wollen, sollten Sie sich zunächst fragen, ob Sie mit Ihrem Team klare und einheitliche Richtlinien vereinbart haben, wie zu Wirkungen, Nebenwirkungen, Gegenanzeigen und Wechselwirkungen beraten wird. Besonders knifflig ist in diesem Rahmen natürlich die Frage, wie Sie die Patienten auf mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen aufmerksam machen.

Hier sind gute Kommunikation und Einfühlungsvermögen gefragt. Gerade in diesen Zeiten, in denen uns Masken und Plexiglasscheiben die Beratung nicht gerade erleichtern (vgl. AWA 20/2020), kommt es häufig vor, dass sich der ein oder andere Apothekenmitarbeiter die ein oder andere Beratung doch lieber "spart".

Das Problem dabei: Spätestens jetzt sollte der Kunde den Unterschied zwischen Versandhandel und Vor-Ort-Apotheke erkennen – insbesondere die deutlichen Vorteile, die ihm die "passgenaue" Beratung in seiner Stammapotheke bietet (bzw. bieten sollte). Dazu reicht es allerdings nicht aus, wenn er hier lediglich gefragt wird, ob er lieber ein Päckchen Taschentücher oder ein Tütchen Gummibären hätte. Denn das können die reinen Versender ebenfalls. Und wenn das E-Rezept zukünftig flächendeckend eingeführt ist, ist der Weg zu diesen Versendern erst recht nicht mehr weit. Was also können wir tun?

Beratung, die wirkt

Auch wenn der anfangs zitierte Slogan nur auf die Risiken und Nebenwirkungen eingeht, müssen die Patienten zunächst einmal erfahren, wie ihr Arzneimittel überhaupt wirkt. Und weil wir zumeist davon ausgehen können, dass der Arzt in seiner Sprechstunde nicht umfangreich über die Verschreibung informiert, ist es an uns, ihnen zu erklären, zu welchem Zweck sie das Medikament einnehmen müssen.

Dabei geht es natürlich nicht darum, sie mit allen naturwissenschaftlich-verzwickten Wirkdetails zu überfordern, sondern darum, ihnen die Wirkgrundsätze verständlich zu machen. Die Erklärungen sollten immer auf den individuellen Patienten zugeschnitten sein. Wenn wir also z.B. wissen, dass ein Patient mit höherer Auffassungsgabe vor uns steht, können und sollten wir mehr in die Tiefe gehen. Bei Kunden, die uns mitunter schlechter folgen können, brauchen wir einfachere und kürzere Erklärungen. Wenn die Patienten verstehen, warum sie ein Präparat einnehmen, lässt sich die Compliance deutlich erhöhen und gegebenenfalls auch eine Fehlmedikation aufdecken.

Beratung mit positiven Nebenwirkungen

Mit der Beratung zu den Nebenwirkungen wollen wir erreichen, dass die Patienten die Apotheke gut aufgeklärt, aber nicht verunsichert verlassen. Denn sie sollen ihre aus gutem Grund verordneten Arzneimittel ja trotz der Nebenwirkungen richtig und regelmäßig einnehmen. Zwischen Aufklärung und Verunsicherung verläuft nur ein schmaler Grat, den wir allerdings in einem persönlichen Gespräch mit Blickkontakt zu den Kunden guten Gewissens begehen können.

Hin und wieder stellt ein Kunde dann erstaunt fest: "Das hat mir noch niemand gesagt! Dabei nehme ich das Medikament schon zehn Jahre lang ein!" Wenn er nicht allzu weit von der Apotheke entfernt wohnt, können Sie in solchen Fällen davon ausgehen, dass der Kunde wiederkommt. Insofern ist nicht nur unser heilberuflicher Auftrag erfüllt, sondern es hat sich auch noch wirtschaftlich gelohnt.

Nebenwirkungen können Sie z.B. so kommunizieren: "Bei Einnahme dieser Magentabletten kann Ihr Körper wichtige Nährstoffe verlieren. Darf ich Ihnen ein Präparat zeigen, mit dem sich dieser Verlust ausgleichen lässt?"

Damit sind wir auch schon bei den Zusatzempfehlungen: Viele Kunden würden mehr für Ihre Gesundheit tun, wenn wir es Ihnen nur anböten. Das heißt nicht, dass die Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen immer in eine Zusatzempfehlung münden muss – sie kann es aber. Und erfahrungsgemäß nehmen die Kunden das Angebot häufig an, insbesondere wenn sie vorher noch nichts von einer Nebenwirkung wussten.

Beratung, die mit dem Arzt wechselwirkt

Besonderes Fingerspitzengefühl ist gefragt, wenn der Arzt ein Arzneimittel verschrieben hat, das mit anderen Medikamenten des Patienten wechselwirkt. Denn wir wollen den Arzt ja nicht vor dem Patienten (der häufig davon ausgeht, dass der Arzt alles wissen muss) an den Pranger stellen.

Hier können wir beispielsweise sagen: "Darf ich Sie einen Augenblick um Geduld bitten? Ich würde gerne mit dem Arzt zu Ihrem Rezept Rücksprache halten." Dann wird der Patient nicht verunsichert, falls der Arzt die Wechselwirkung bereits mit einkalkuliert hat und es bei der Verordnung bleibt.

Beratung zur Beratung

2023 tritt das PTA-Reformgesetz in Kraft. Damit sollen PTA mehr Kompetenzen erhalten – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen, beispielsweise wenn sie regelmäßige Fortbildungen nachweisen können. Für Sie als Apothekenleiter werden Fortbildungen daher künftig noch wichtiger – gerade auch in Sachen Beratung. Deswegen sollten Sie kritisch entscheiden, welche Themen für Ihre Apotheke und für Ihr Personal wichtig sind.

Sinnvoll ist es, auf eine ausgewogene Mischung aus industrieabhängigen und -unabhängigen Schulungen zurückzugreifen. Letztere sind nicht nur frei von Verkaufsinteressen, sondern lassen sich auch speziell auf Ihre Apotheke zuschneiden. Sie können diese dann entweder ausgewogen auf Ihre Angestellten verteilen und – mit Feingefühl – jedem Mitarbeiter ein Thema für die nächste Teambesprechung auferlegen. Oder aber Sie engagieren in regelmäßigen Abständen externe Coaches.

Beratung als Anker

Generell sollten sich alle im Team darum bemühen, stets kompetent und ausführlich zu beraten. Macht es nur einer nicht, sind auch die Kunden schnell verunsichert, ganz nach dem Motto: "Warum sagt mir die eine Kollegin das – und die andere nicht?"

Wenn die Beratung bisher eher auf Sparflamme gelaufen ist, sollten Sie allerdings nicht erwarten, dass ab morgen von 0 auf 100 beraten wird. Hier ist gegebenenfalls ein Kommunikationstraining erforderlich und zumindest eine "Aufwärmphase". Denn anfangs kann es holpern. Aber wie wir schon als Kinder gelernt haben: "Übung macht den Meister!" Und am Ende werden Ihre Kunden es Ihnen danken.

Wer sich in diesen Zeiten bei Wind und Wetter minutenlang vor die Apotheke stellt, sollte belohnt werden – gerade auch mit einer kompetenten und freundlichen Beratung. So können Sie Ihre Apotheke fest in den Köpfen der Kunden verankern.

Zum Weiterlesen

  • Staufenbiel, B.: Fit in 15 Minuten. Kurzfortbildungen für die Apotheke, Deutscher Apotheker Verlag: Stuttgart 2018
  • Beer, M., Rutschke, R.: Kommunikation – Erfolgsfaktor in der Apotheke. Kundengespräche, Teambildung, Wirkung der Apotheke, Springer-Verlag: Berlin, Heidelberg 2011
  • Rapp, S.: Erfolgreiche Zusatzempfehlung, Deutscher Apotheker Verlag: Stuttgart 2012
  • Raulf, M.: Pharmazeutisches Coaching. Ein "Mehr" an Möglichkeiten, Deutscher Apotheker Verlag: Stuttgart 2019

Nicole Hackl, PTA, Coach (DVNLP), Pharmazieökonomin (FH), 85416 Langenbach, E-Mail: n.hackl@apotheken-interaktion.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(04):10-10