Geerbtes Familienheim

Behalten Sie die Nachversteuerungsfrist im Blick


Helmut Lehr

Innerhalb der Familie kann die bisherige Wohnung des Erblassers steuerfrei vererbt werben. Allerdings muss der Erbe das Objekt danach mindestens zehn Jahre lang selbst nutzen. Ausnahmen von dieser starren Frist gibt es nur wenige.

Weil das Familienheim meist bis zuletzt im Vermögen des Erblassers verbleibt, hat die entsprechende Erbschaftsteuerbefreiung große praktische Bedeutung. Sie gilt sowohl für den überlebenden Ehegatten als auch für die Kinder des Erblassers bzw. für seine Enkel, sofern bereits Kinder verstorben sind. Erben Kinder oder Enkel, bleibt der Vorgang nur insoweit erbschaftsteuerfrei, als die Wohnfläche des Objekts 200 m2 nicht übersteigt.

Hinweis: Für größere Wohnungen wird die Befreiung bereits beim Erbfall nur anteilig gewährt.

Strikte Zehnjahresfrist

Unabhängig davon, ob der Ehegatte des Verstorbenen oder ein Kind das Familienheim erbt, muss das Objekt nach dem Erbfall mindestens zehn Jahre lang vom Erben zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden. Ansonsten entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend.

Einzige Ausnahme: Der Erbe ist aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert, z.B. weil er selbst in ein Pflegeheim muss.

Beispiel

Apothekerin Janssen hat nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 2010 sein Wohnhaus als Alleinerbin geerbt und es danach zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Nach neun Jahren zog sie aus und ließ das Objekt abreißen. Als das Finanzamt die Befreiung rückwirkend versagt und die Erbschaftsteuer festsetzt, macht Janssen geltend, dass sie das Objekt nicht weiter selbst habe nutzen können. Denn das Erdgeschoss habe schwere bauliche Mängel aufgewiesen, und wegen gesundheitlicher Probleme sei ihr die Nutzung des Obergeschosses sehr schwergefallen.

In einem vergleichbaren Fall hat das Finanzgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen (Urteil vom 08.01.2020, Aktenzeichen: 4 K 3120/18 Erb). Die Gründe für den "vorzeitigen" Auszug seien zwar durchaus nachvollziehbar, aber eben nicht "zwingend" gewesen, wie es das Gesetz fordere.

Hinweis: Ob der Bundesfinanzhof die Sache anders sieht, bleibt abzuwarten (Aktenzeichen des anhängigen Revisionsverfahrens: II R 18/20).

Kaum Alternativen

Das Urteil macht deutlich, dass Sie die strenge Haltung der Finanzverwaltung unbedingt beachten sollten. Danach bleibt die vorzeitige Aufgabe der Selbstnutzung nur dann "ungestraft", wenn zwingende objektive Gründe vorliegen – beispielhaft verweisen die Erbschaftsteuerrichtlinien auf die (bereits erwähnte) Pflegebedürftigkeit oder den Tod des Erben. Weitere Ausnahmen von der zehnjährigen Selbstnutzung, z.B. eine berufliche Versetzung, soll es nicht geben. Auch wenn Objekte baufällig sind, führt das nicht ohne Weiteres dazu, dass die Erbschaftsteuerbefreiung erhalten bleibt.

Darüber hinaus müssen Sie beachten, dass die Zehnjahresfrist zu einem sogenannten Fallbeil-Effekt führt. Soll heißen: Selbst wenn Sie das Familienheim nach dem Erbfall z.B. neuneinhalb Jahre lang selbst nutzen, entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend in vollem Umfang. Diesen Umstand sollten Sie im Vorfeld etwaiger Nutzungsänderungen immer berücksichtigen.

Hinweis: Im Fall der Fälle können Sie auch nicht erfolgreich argumentieren, dass Sie die Zehnjahresfrist gar nicht gekannt haben. Die Finanzämter weisen nämlich in der Regel bereits in den Erbschaftsteuerbescheiden auf diese "Verpflichtung" hin. Außerdem besteht bei vorzeitiger Aufgabe der Selbstnutzung eine gesonderte Anzeigepflicht gegenüber dem Finanzamt (§153 Abs. 2 Abgabenordnung).

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(07):18-18