Sputnik V und andere Humanarzneimittel-Einzelimporte

Minenfeld §73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz


Dr. Timo Kieser

Arzneimitteleinzelimporte sind regelmäßig Revisionsgegenstand. Je nach Bundesland und Behörde ist bei vermeintlichen Verstößen gegen die Vorgaben schnell ein Strafverfahren initiiert. Gerade mit Blick auf Covid-19-Impfstoffe Grund genug, die Rahmenbedingungen zu beleuchten.

Zulassungspflichtige Arzneimittel dürfen grundsätzlich nur nach Deutschland importiert werden, wenn sie – der Name verrät es schon – auch tatsächlich entsprechend zugelassen sind. Wer indes ausnahmsweise ein hierzulande nicht zugelassenes Fertigarzneimittel importieren will, findet die Voraussetzungen in §73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG).

Halten Sie sich nicht an diese Vorgaben, begehen Sie eigentlich "nur" eine Ordnungswidrigkeit. Die härtere Konsequenz droht aber eventuell im Anschluss: Wenn Sie Fertigarzneimittel ohne Zulassung in Verkehr bringen, verstoßen Sie gegen §21 AMG – was strafrechtlich relevant sein kann.

Halten Sie sich hingegen an §73 Abs. 3 AMG, ist der Einzelimport rechtmäßig. Die Folge: §21 AMG gilt dann ebenso wenig wie z.B. die Regelung, dass das Arzneimittel in deutscher Sprache gekennzeichnet sein muss.

Ein Strauß an Voraussetzungen

Während der Import von Tier-Fertigarzneimitteln in §73 Abs. 3b AMG separat (und noch restriktiver) geregelt ist, bezieht sich §73 Abs. 3 AMG auf Human-Fertigarzneimittel. Danach ist der Import durch die öffentliche Apotheke zulässig, wenn die entsprechenden Arzneimittel

  • auf eine (möglichst schriftliche) Bestellung
  • einzelner Personen
  • in geringer Menge geordert und
  • im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis abgegeben werden,
  • sie überdies im Herkunftsstaat verkehrsfähig sind und
  • in Deutschland eine Versorgungslücke besteht.

Sollen Arzneimittel aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) bezogen werden, ist außerdem eine (zahn-)ärztliche Verschreibung notwendig.

Was heißt das konkret? Schauen wir uns die erklärungsbedürftigen Voraussetzungen näher an.

Patient – oder auch Arzt?

Auch wenn laut AMG eine Apotheke das Arzneimittel zu bestellen hat, muss diese es nicht selbst im Ausland besorgen, sondern kann hierfür einen spezialisierten Großhändler einschalten.

Weiterhin gilt: Öffentliche Apotheken dürfen keinen Vorrat an nicht zugelassenen Fertigarzneimitteln haben. Somit sind stets Einzelbestellungen die Grundlage für den Import. Der Abnehmer muss dabei schon vorab feststehen.

Umstritten ist, wer die genannte einzelne Person sein darf: Nur der Patient – oder auch ein Arzt für seinen Praxisbedarf? Da die Formulierung "einzelne Person" allgemein gehalten ist, kann sie eigentlich auch Ärzte umfassen – umso mehr, als das AMG an anderen Stellen, wenn es konkret um Patienten geht, entsprechende Vorgaben macht (vgl. z.B. §21 Abs. 2 Ziffer 1b AMG).

Achtung: Für die Dokumentation von Praxisbedarfbestellungen müssen Sie nach §18 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) Namen und Anschrift des Arztes angeben. Denn für diesen ist das Arzneimittel ja bestimmt. Gleichwohl droht Apothekern hierfür in einigen Bundesländern behördlicher Ärger, während Praxisbedarfbestellungen andernorts ausdrücklich zulässig sind.

Tipp: Bevor Sie einen Praxisbedarf-Einzelimport bestellen, sollten Sie sich dazu gegebenenfalls mit Ihrer Überwachungsbehörde kurzschließen.

Wie viel ist "gering"?

Die einzelnen Bestellungen müssen sich jeweils auf eine geringe Menge beschränken. Sofern der Monatsbedarf eines Patienten damit gedeckt wird, ist das unproblematisch. Je nach Arzneimittel und Erkrankung lässt sich aber auch ein Mehrmonatsbedarf rechtfertigen.

Zudem dürfen die Bestellungen verschiedener einzelner Personen zusammengefasst werden. Denn es kommt auf die geringe Menge bei der Abgabe an den einzelnen Kunden an – und nicht auf die Menge, die eine Apotheke gegebenenfalls für viele Kunden auf einmal importiert.

Brisant: Covid-19-Impfstoffe

Weiterhin muss das Importarzneimittel im Herkunftsstaatverkehrsfähig sein – also in dem Staat, aus dem es unmittelbar importiert wird. Mittlerweile geht man außerdem überwiegend davon aus, dass das Produkt im Herkunftsstaat ebenfalls ein verkehrsfähiges Arzneimittel sein muss. Sofern also ein Produkt, das in Deutschland als Arzneimittel qualifiziert würde, im Herkunftsstaat ein Nahrungsergänzungsmittel ist, dürfte es nicht importiert werden.

Achtung: Prüfen Sie die Verkehrsfähigkeit im Herkunftsstaat entweder selbst oder über Ihre eingeschalteten Lieferanten!

Aktuell stellt sich die Frage nach der Verkehrsfähigkeit von Covid-19-Impfstoff-Importen. Hier sind der Status und die Zulassungs- bzw. Genehmigungslage im Herkunftsstaat nach dortigem nationalen Recht zu beurteilen.

Eine "Notfallzulassung" in EU-Staaten auf Basis des Art. 5 Richtlinie 2001/83 ist keine tatsächliche Zulassung, sondern vielmehr die Gestattung, das Arzneimittel vorübergehend unter bestimmten Bedingungen zu verwenden. Eine allgemeine Verkehrsfähigkeit, wie sie §73 Abs. 3 AMG fordert, ist damit nicht verbunden.

Anders verhält es sich regelmäßig bei einer bedingten Marktzulassung, die z.B. zeitlich begrenzt ist oder ausschließlich für das eigene Hoheitsgebiet (also den Herkunftsstaat) gilt: Dann haben die Arzneimittel tatsächlich eine Zulassung und sind grundsätzlich verkehrsfähig. Denn entscheidend ist nach dem Wortlaut des §73 Abs. 3 AMG ja die Verkehrsfähigkeit im Herkunftsstaat.

Anders gewendet: Es ist grundsätzlich möglich, z.B. einen russischen Impfstoff zu importieren, der in Russland verkehrsfähig ist. Denn selbst bei überschaubarer Datenlage dürfte es sich hierbei kaum um ein bedenkliches Arzneimittel nach §5 AMG handeln.

Hinweis: Läuft parallel ein Zulassungsverfahren in der EU, hat das keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Einzelimports. Denn §73 Abs. 3 AMG kommt gerade dann zum Tragen, wenn Zulassungsverfahren zeitlich unterschiedlich weit fortgeschritten sind.

Was gilt bei Lieferengpässen?

Damit ein Einzelimport rechtmäßig ist, muss eine Versorgungslücke bestehen. Das heißt: Für das betreffende Anwendungsgebiet darf kein Arzneimittel mit identischem Wirkstoff und vergleichbarer Wirkstärke in Deutschland verfügbar sein – was Sie zunächst pharmazeutisch klären müssen.

Hinweis: Dabei ist es unerheblich, ob für das Anwendungsgebiet gegebenenfalls ein Arzneimittel mit einem anderen Wirkstoff zur Verfügung steht.

Das Arzneimittel mit identischem Wirkstoff und vergleichbarer Wirkstärke muss in Deutschland tatsächlich zur Verfügung stehen – was z.B. bei einem Lieferengpass nicht der Fall ist. Bei Knappheit oder Lieferschwierigkeiten ist der Einzelimport von Impfstoffen also durchaus eine Option.

Tipp: Um Überraschungen bei der nächsten Revision zu vermeiden, kann es auch hier sinnvoll sein, im Vorfeld Kontakt mit der zuständigen Behörde aufzunehmen.

Was sonst noch wichtig ist

Nach dem Produkthaftungsgesetz tragen Sie die vollständige Produktverantwortung für den Import. Eine Gefährdungshaftung, wie sie sonst bei in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimitteln gilt, greift hier nicht.

Vergessen Sie auch nicht, den Bezug und die Abgabe des Imports ordnungsgemäß nach §18 ApBetrO zu dokumentieren.

Last, but not least: Da die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für nicht zugelassene Fertigarzneimittel nur ausnahmsweise übernehmen, sollten Sie entsprechende Fälle zwingend im Vorfeld abklären.

Dr. Timo Kieser, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Oppenländer Rechtsanwälte, 70174 Stuttgart, E-Mail: kieser@oppenlaender.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(07):14-14