Aus den Augen, aus dem Sinn?

Wie Sie verhindern, dass Kunden abwandern


Andreas Kinzel

Ohne Kunden kein Gewinn. Insofern gilt es zu verhindern, dass Kunden abwandern – gerade wenn sie durch negative Mundpropaganda weitere Kunden mit sich ziehen. Was also lässt sich tun? Und wie können Sie bereits abgewanderte Kunden zurückgewinnen?

Haben Sie auch schon Kunden verloren? Sicherlich! Selbst wenn man natürlich in der Regel nicht gerne darüber spricht. Im Einzelfall kommen zwar neue Kunden hinzu, sodass der gesamte Kundenstamm bestenfalls stärker steigt, als dass er sinkt. Doch leider trifft auch das nicht immer zu.

Ursachenforschung

Häufig wandern Kunden nicht willkürlich ab, sondern weil ihnen etwas Konkretes an der Apotheke missfällt. Ein häufiger Grund ist wohl die (wiederholt) fehlende Möglichkeit zum sogenannten "One-Stop-Shopping", sprich: Die Kunden können nicht alles, was sie benötigen, gleich mitnehmen, sondern müssen noch einmal wiederkommen, um nachbestellte Ware abzuholen. Weitere Gründe sind:

  • lange Lieferzeiten (z.B. wegen geringer Großhandelsfrequenzen oder weil eine Direktbestellung nötig ist),
  • ein generell verwirrendes Produktangebot (zu viel, zu wenig, nicht zielgruppenspezifisch usw.),
  • ignorante bzw. unfreundliche Mitarbeiter im Handverkauf (HV),
  • eine inkompetente bzw. unzureichende Beratung.

Insbesondere wenn ein Wettbewerber vor Ort hier besser aufgestellt ist (was sich schnell herumspricht), wandern die Kunden gerne ab.

Darüber hinaus gibt es auch kundenbezogene Gründe für eine Abwanderung, beispielsweise weil ein Wohnort- bzw. Arbeitsplatzwechsel ansteht.

Und: Nicht jeder Kunde, der im Augenblick nicht mehr zu Ihnen kommt, ist tatsächlich abgewandert. Manchmal ist die Beziehung zur Apotheke lediglich eingeschlafen. Je nach derzeitiger individueller Situation schaut der Kunde einfach unregelmäßiger oder seltener bei Ihnen vorbei (z.B. bei finanziellen Engpässen).

Alle Effekte einkalkulieren

Gehen Kunden verloren, ist der mit ihnen erwirtschaftete Umsatz auch erstmal weg. Allerdings muss das zumindest unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht in jedem Fall schlecht sein. Denn manche Kunden verursachen einen hohen zeitlichen bzw. monetären Aufwand, etwa weil sie

  • bei jedem Apothekenbesuch kostspielige Give-aways erwarten,
  • eine (zu) intensive Betreuung verlangen oder
  • das Personal in längere private Gespräche verwickeln, denen man sich kaum entziehen kann.

Dieser Aufwand kann den Gewinn mitunter stark schmälern. Wenn solche Kunden wegbleiben, haben Sie sogar "gewonnen".

Neben den unmittelbar finanziellen Effekten sollten Sie aber zumindest zwei negative Aspekte berücksichtigen. Zum einen: Wenn ein (unzufriedener) Kunde abwandert, besteht die Gefahr, dass er negative Mundpropaganda betreibt. Sofern andere Kunden in seinem Umfeld diesen Aussagen glauben, suchen sie sich vielleicht ebenfalls eine andere Apotheke.

Zum anderen: Bevor Kunden abwandern, verbreiten sie oft eine schlechte Stimmung in der Apotheke, die auf das Team übergreifen und damit das Betriebsklima stören kann.

Warnsignale

Manchmal bahnt sich die Abwanderung über einen längeren Zeitraum an. Sofern es sich dann nicht um einen Kunden handelt, den Sie gerne abwandern lassen, sollten Sie ihn besser gleich zufriedenstellen, als sich später entschuldigen oder ihn gar zurückholen zu müssen. Lassen sich einzelne Klagen noch relativieren, gilt es, bei wiederkehrenden Beschwerden rasch zu reagieren – egal ob es dabei um langwierige Bestellungen oder um unfreundliches Personal geht.

Dass sich ein Kunde unwohl fühlt, merken Sie rasch, wenn er z.B.

  • nicht richtig zuhört bzw. kaum bis gar nicht reagiert,
  • geringschätzige Bemerkungen macht oder
  • Sie auf (vermeintliche) Fehler hinweist.

In der Körpersprache zeigt sich Unwohlsein oft durch

  • Verschränken der Arme,
  • Abwenden des Körpers und
  • eine deutliche Distanz zum HV.

Sobald Sie solche Warnsignale bemerken, sollten Sie den Kunden direkt und mit der nötigen Empathie fragen, ob etwas nicht stimmt, oder – wenn Sie ahnen, woran es liegen könnte – einen anderen Weg im Beratungsgespräch einschlagen.

Denken Sie immer daran, dass die Kunden hören, sehen und fühlen möchten, wie wichtig sie Ihnen sind. Wenn Menschen positive Emotionen bemerken, verzeihen sie vieles. Sofern Kunden also Abwanderungstendenzen zeigen, können Sie manchmal mit einem einfachen Entgegenkommen noch die Kurve kriegen. Denn bekanntlich erhalten kleine Geschenke die Freundschaft!

Übrigens: Belohnen Sie nicht nur abwandernde oder abgewanderte Kunden für ihre Rückkehr. Belohnen Sie vielmehr auch Ihre Stammkunden dafür, dass sie Ihnen treu sind. Denn es ist einfacher, einen Stammkunden zu halten, als einen abgewanderten Kunden zurückzuholen.

Willkommen zurück!

Sehr häufig vollzieht sich die Abwanderung aber auch leise, sodass sie nicht sofort auffällt. Um auf dem neuesten Stand zu bleiben, sollten Sie zum einen regelmäßig Ihr Gedächtnis durchforsten: Welche Kunden waren in der letzten Zeit deutlich seltener oder schon lange gar nicht mehr bei Ihnen?

Zum anderen ist Ihre EDV hier sehr hilfreich: Gehen Sie also Ihre Kundendatenbank immer wieder durch. Und analysieren Sie auch, ob sich Präparate, die früher regelmäßig gekauft worden sind, inzwischen zu Ladenhütern entwickelt haben.

Gerade von (ehemaligen) Stammkunden gibt es Kontaktdaten. Gehen Sie hierüber aktiv auf die entsprechenden Kunden zu (Achtung: Datenschutz nicht vergessen!). Anderen Kunden, deren Daten Sie entweder nicht haben oder nicht verwenden dürfen, begegnen Sie oder Ihre Mitarbeiter vielleicht einmal zufällig im Dorf bzw. in der Stadt. Fragen Sie sie, ob es ihnen gut geht und ob Sie etwas verbessern können (Personal, Sortiment, Logistik usw.).

Setzen Sie dabei ruhig finanzielle Anreize, wie Bonusprogramme, Rabatte oder Give-aways, und bieten Sie besondere Serviceleistungen an, wie Rechnungsmodelle oder eine vereinfachte Logistik (z.B. Click&Collect oder Botendienst). Wichtig ist, dass der Kunde einen Mehrwert gegenüber Ihren Mitbewerbern sieht, insbesondere auf emotionaler Ebene. Günstigere Preise allein werden ihn nicht zurückholen!

Erinnern Sie den Kunden deshalb daran, wie toll die Beziehung früher funktioniert hat – und wie sehr Sie sich zukünftig für ihn engagieren möchten! Wenn Sie ihn (auch nonverbal) auf Augenhöhe ins Gespräch einbinden, erzeugen Sie ein "Wir"-Gefühl, und er fühlt sich Ihnen zugehörig. Bei einem Rückgewinnungsversuch kann das der entscheidende Schlüssel zum Erfolg sein.

Übrigens: Die Fragenliste kann Ihnen dabei helfen, die Kundenrückgewinnung systematisch anzugehen.

Fragenliste

Wenn Sie bemerken, dass ein zuvor regelmäßiger Kunde schon lange nicht mehr in der Apotheke war:

  • "Schläft" der Kunde, oder ist er abgewandert?
  • Warum könnte er abgewandert sein?
  • Wie hat sich diese Abwanderung bei uns ausgewirkt?
  • Wollen wir den Kunde überhaupt zurück?
  • Wenn ja: Wie können wir ihn "wecken" bzw. zurückholen?

Zur Erfolgskontrolle, nachdem Sie Rückgewinnungs-Maßnahmen ergriffen haben:

  • Ist der Kunde wieder da?
  • Ist er nun zufrieden?
  • Wie können wir verhindern, dass der Kunde wieder abwandert – und schlimmstenfalls weitere Kunden mitnimmt?

Zum Weiterlesen

  • Homburg, C., et al.: Willkommen zurück!, in: Harvard Business Manager 12/2003, S. 57–67
  • Schüller, A. M., Fuchs, G.: Total Loyalty Marketing, Springer Gabler: Wiesbaden 2013
  • Schüller, A. M., Schuster, N.: Marketing-Automation für Bestandskunden, Haufe-Lexware: Freiburg i. Br. 2017

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(08):8-8