Maskenaffären als Spitze des Eisbergs

Zwischen Gier und Endzeitstimmung


Prof. Dr. Reinhard Herzog

"Wenn es um Geld geht, gibt es nur ein Schlagwort: Mehr!" Das stammt vom längst verstorbenen Alt-Börsenmeister André Kostolany. Und Bertolt Brecht wusste zu ergänzen: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral." Henry Ford war da eine ganze Ecke cleverer: "Ein Geschäft, das nur Geld einbringt, ist ein schlechtes Geschäft." Auch verwundert es nicht, dass ausgerechnet ein Politiker wie der posthum immer noch sehr bekannte Franz Josef Strauß lakonisch bemerkt hat: "Geld ist geil wie ein Bock und scheu wie ein Reh." Ja, so ist das mit dem lieben Geld!

Da passt es genau in das an die Titanic in ihren letzten Stunden erinnernde Bild, wenn nun noch eingesackt und gehamstert wird, was die Beutel bzw. Backen gerade so fassen können. Auch wenn manches davon besonders medienwirksam zutage tritt, wie die "Maskendeals": Letztlich hat diese Einstellung "Kriegen, was man noch kriegen kann!" längst die gesamte Gesellschaft durchdrungen. Einer übervorteilt den anderen nach Kräften, und bekanntlich stinkt der Fisch dabei gerne am Kopf. Ganz neu ist es freilich nicht, dass jeder seinen Vorteil sucht und reichlich "Nepper, Schlepper, Bauernfänger" (so der Name einer vor langer Zeit ausgestrahlten Fernsehreihe) unterwegs sind.

Und doch spüren die meisten, dass sich etwas verändert. Es ist mehr als ein Hauch "Titanic", der in der Luft liegt. Nun könnte man es sich einfach machen und Corona als den Universalschuldigen ausmachen. Das trifft es aber nicht. Vielmehr grassiert schon länger ein viel gefährlicheres "Wohlstandsvirus", das erkennbar zur Verwahrlosung an Haupt und Gliedern führt und die Grundfesten der Gesellschaft zersetzt. Anstand, Maß und Mitte, Werte und Ehrlichkeit frisst dieses Virus gleich mit. Das zeigt sich nicht nur in zunehmender Körperfülle und trägerem Geist. Diese Infektion lässt die Wettbewerbsfähigkeit ehemals führender Branchen genauso schwinden, wie sie einem erschreckenden Leistungsverfall auch und gerade unseres Nachwuchses Vorschub leistet – und das trotz Rekord-Bildungsausgaben und trotz Rekord-Personalstand.

Als wären dies nicht schon Alarmsignale genug, projizieren wir unser wachsendes Unvermögen auf einen immer übergriffiger agierenden Umverteilungsstaat, der die Lösung aller Probleme sein soll. Parteien überbieten sich mit der Vorstellung regelrechter Kuschel-Biotope für das Wohlstandvirus. Lediglich das Thema Klimawandel vermag trotz Erderwärmung ein wenig kalten Hauch in diese sozialromantische Wärmestube zu wehen. Eine solche Kompensation schwindender Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft impliziert jedoch noch mehr Umverteilung, Bevormundung und Abhängigkeit – mit den Folgen weiter steigender Trägheit, Passivität, bisweilen auch aufkeimender Aufsässigkeit. Von einem Aufbruch, gar von einem revolutionären Moment sind wir jedoch weit entfernt. Dazu wirkt die wärmende, staatliche Beregnungsmaschinerie noch zu gut, sorgt sie doch für Bürger, die sich wie der Frosch im wohltemperierten Wasser jeden Schneid abkaufen lassen.

Machen wir uns nichts vor: Auch unser Berufsstand lässt sich viel Schneid (zu billig?) abkaufen. Das Vier-Buchstaben-Sedativum "Geld" wirkt bei uns ebenfalls, selbst wenn keineswegs mehr jeder adäquat profitiert. Für die politische Führung und das obere Viertel der Betriebe reicht es aber (sehr) gut. Der Rest fällt in unserer Gesellschaft angesichts guter, vergangener Jahre (noch) ganz überwiegend verhältnismäßig weich. Das "Maskentheater" passt da nur zu gut ins Bild.

Die Ursache liegt, wie gesagt, tiefer. Wir sind insoweit Opfer einer unguten Bürger-Staat-Beziehung, selbst wenn manch einer ehrlicherweise schön profitiert hat. Das System an sich ist jedoch krank. Wir tun als Berufsstand gut daran, uns dies gar nicht weiter anhängen zu lassen. Erfolgreiche Manager wissen: "Unrat vorbei schwimmen lassen!" Und: "Wer sich rechtfertigt, klagt sich an!" Zumal wir uns nicht für etwas rechtfertigen müssen, was uns andere an der Spitze des Staates eingebrockt haben. Wer jetzt meint, dass ein politischer Wechsel viel ändern wird, dem sei ganz unprätentiös mit auf den Weg gegeben: "Der Futtertrog bleibt immer der gleiche, nur die Kostgänger wechseln."

Dass übrigens Corona ausgerechnet in solchen Gesellschaften besonders stark wütet, ist da nur eine Ironie der Natur.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(08):19-19