"Muss ich, oder muss ich nicht?"

Was Sie rund um den Notdienst wissen sollten


Dr. Bettina Mecking

Das Thema Notdienst bewegt viele von Ihnen – und ist aufgrund rechtlicher Neuerungen stets in Bewegung. Wir halten Sie auf dem Laufenden: Erfahren Sie mehr zu aktuellen Urteilen, in denen es u.a. um die Verlagerung der Dienstbereitschaft und den Kontrahierungszwang im Notdienst geht.

Wenn eine Apotheke als Filialapotheke betrieben wird, ändert das an ihrer Verpflichtung zur Notdienstbereitschaft zunächst nichts. So steht inzwischen fest, dass nicht alle Notdienste innerhalb eines Filialverbundes regelhaft auf diejenige Apotheke verlagert werden dürfen, die z.B. am zentralsten und verkehrsgünstigsten liegt und sich zudem in unmittelbarer Nähe zu einer ärztlichen Notdienst-Einrichtung in einem Ärztehaus befindet.

Selbstverständlich ist es im Ausnahmefall trotzdem möglich, einen Notdienst im Filialverbund zu tauschen. Solche kurzfristigen Tauschaktionen sind jedoch auf ein Minimum zu beschränken und müssen mit der zuständigen Behörde abgestimmt werden. Dabei gilt laut Bundesverwaltungsgericht: Getauscht werden darf nur aus einem berechtigten Grund (Urteile vom 26.05.2011, Aktenzeichen: 3 C 21.10 und 3 C 22.10).

Auch Verlagerungen über einen längeren, allerdings zeitlich begrenzten Zeitraum sind denkbar, so etwa während eines Umbaus.

Gleiche Möglichkeiten für alle

Vor Kurzem hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erneut mit der rechtlichen Situation von Filialapotheken im Rahmen des Notdienstes beschäftigt (Beschluss vom 17.07.2020, Aktenzeichen: 22 ZB 20.1035). Im Streitfall hatte die zuständige Apothekerkammer mehrfach der Verlagerung des Notdienstes von der Filial- in die Hauptapotheke zugestimmt, dann allerdings weitere Anträge auf Tauschwünsche von Samstags- und Sonntagsdiensten abgelehnt.

Dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zufolge ist das nicht zu beanstanden: Die Hauptapotheke liege zwar näher an einer ärztlichen Bereitschaftspraxis als die Filialapotheke – was tendenziell für die Patienten der Praxis vorteilhaft sei, nicht jedoch für die Kunden der Filialapotheke. Denn diese müssten nun einen weiteren Weg von ihrer Wohnung zur Hauptapotheke zurücklegen. Sinn und Zweck einer gleichmäßigen Verteilung der Notdienste auf alle Apotheken des Kreises sei es schließlich, alle Einwohner auch gleichmäßig zu begünstigen.

Die Nähe zur Bereitschaftspraxis sei hingegen kein überragend bedeutsames Kriterium: Während des Notdienstes würden ohnehin in 39% der Fälle rezeptfreie Präparate erworben. Und sofern ein Kunde doch ein Rezept vorlege, stamme dieses oft nicht aus einer Bereitschaftspraxis, sondern wäre vielmehr schon unter der Woche in anderen Praxis ausgestellt worden.

Der klagende Apotheker hatte außerdem argumentiert, dass kaufmännische Entscheidungen in der Vergangenheit als hinreichende Gründe anerkannt worden seien, um (Filial-)Apotheken nach §23 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) von der Dienstbereitschaft zu befreien und Notdienste in einer Apotheke des Verbunds zu konzentrieren.

Die Richter sahen das allerdings anders: Lediglich im Bereich der Rezepturherstellung müssten nicht alle Apotheken die Anforderungen der ApBetrO als "Vollapotheken" in allen Punkten erfüllen. Und was die vermeintlich bessere Abstimmung des Warenlagers der Hauptapotheke auf die Bereitschaftspraxis angehe, habe die Kammer zu Recht auf die normativ gebotene Vorratshaltung gemäß §15 ApBetrO verwiesen.

Alles in allem sahen die Richter in der Verlagerung vor allem betriebliche und wirtschaftliche Vorteile für den Inhaber. Dem lasse sich jedoch entgegenhalten, dass mit der Notdienstgestaltung nicht die Wettbewerbssituation zwischen den teilnehmenden Apotheken verändert werden solle. Vielmehr gehe es darum, die Belastungen und Nachteile, die die Teilnahme am Notdienst zwangsläufig mit sich bringe, gleichmäßig und somit möglichst wettbewerbsneutral auf alle Apotheken zu verteilen.

Diese Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unterstreicht, dass der Antrag, den Notdienst unterschiedlicher Apotheken eines Filialverbundes nur über eine Apotheke abzuleisten, nicht pauschal abgelehnt werden kann, sondern von der zuständigen Landesapothekerkammer zu prüfen ist. Im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer dabei immer auch, dass eine Entwicklung hin zu "Schwerpunktapotheken" vermieden werden soll.

"Ehegatten-Splitting" erlaubt?

Auch denkbar: Ein Apotheker möchte sich dadurch von der eigenen Notdienstverpflichtung befreien lassen, dass etwa sein Ehepartner diese Verpflichtung dauerhaft für ihn übernimmt. Jenseits der aufgezeigten Möglichkeiten innerhalb von Filialverbünden gibt es allerdings keinen rechtlichen Ansatz für solche "Ehegatten-Notdienst-Apotheken".

Wahnsinniger Notdienst

Auch im Notdienst muss die Versorgung sichergestellt sein: In einem recht speziellen Fall hatte eine Apothekerin berichtet, dass im Notdienst mehrfach mit ihr "gespielt" worden sei, u.a. habe man sie angerufen, sich am Telefon Probleme ausgedacht und "Verstehen Sie Spaß?" mit ihr gespielt.

Zurückzuführen war dies laut Verwaltungsgericht München aber auf krankheitsbedingte Realitätsverkennungen und Fehleinschätzungen der Apothekerin (Beschluss vom 06.07.2020, Aktenzeichen: 21 ZB 18.447). Wenn sie sich infolgedessen weigere, verschriebene Medikamente abzugeben, könne dies namentlich im Notdienst gravierende Folgen haben.

Da somit ernsthafte Zweifel bestünden, dass die Betroffene geeignet sei, ihren Beruf auszuüben, ordnete das Gericht ein Ruhen der Approbation an: Dies läge im Interesse der Allgemeinheit und sei zum Schutz von Patienten sowie Kunden geboten.

Eine Frage des Gewissens?

Im Zusammenhang mit dem Notdienst stellt sich hin und wieder auch die Frage nach dem Kontrahierungszwang. Beispielhaft ein Fall, in dem eine Kundin gemeinsam mit ihrem Partner eine notdiensthabende Berliner Apotheke aufsuchte, um die "Pille danach" zu erwerben. Der Inhaber hatte jedoch bereits im Eingangsbereich auf einem Zettel vermerkt, dass er keine "Pille danach" abgebe.

Als die Kundin und ihr Partner trotzdem ein entsprechendes Präparat verlangten, gab er ihnen ein Info-Schreiben mit, auf dem zu lesen war, dass "durch die Einnahme der 'Pille danach' beginnendes menschliches Leben an seiner Entfaltung gehindert [werde]. Bitte geben Sie dem Leben eine Chance!" Auf dem Schreiben stand außerdem u.a. die Nummer eines "Hilfstelefons für Schwangere". Der Apotheker forderte das Paar auf, dort anzurufen und sich beraten zu lassen. Die Abgabe der "Pille danach" verweigerte er.

Einer weiteren Kundin schickte der Apotheker ein solches Info-Schreiben nach Hause und nutzte dafür die auf dem "Pille danach"-Rezept aufgedruckte Adresse.

Im nachfolgenden Verfahren hat das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass ein Apotheker nicht vorsätzlich gegen seine Berufspflichten verstößt, wenn er die "Pille danach" im Notdienst nicht abgibt (Urteil vom 26.11.2019, Aktenzeichen: 90 K 13.18 T).

Zur Frage, ob Gewissensgründe den für Apotheken grundsätzlich bestehenden Kontrahierungszwang durchbrechen können, heißt es im Urteil: "Eine Lösung kann sich verfassungskonform nur durch eine Abwägung der betroffenen Grundrechte im Einzelfall ergeben." Eine eindeutige Rechtslage gebe es zu dieser Frage indes nicht.

Im Urteil jedenfalls fiel die Antwort zugunsten des Apothekers aus. Dabei verwies das Gericht u.a. darauf, dass es in Berlin ausreichend Apotheken gebe, auf die man hätte ausweichen können.

Rechtskräftig ist das Urteil jedoch nicht. Die Apothekerkammer Berlin hat Berufung eingelegt, über die nun das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheiden wird.

Veranstaltungstipp

Erleben Sie Dr. Bettina Mecking am Donnerstag, 6. Mai 2021, live auf dem ApothekenRechtTag online mit ihrem Vortrag zu den rechtlichen Möglichkeiten und Fallstricken der Telepharmazie als neuer pharmazeutischer Dienstleistung. Weitere Informationen finden Sie auf interpharm.de.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(09):14-14