Zurück in der Apotheke (Teil 3)

Wie Sie die geeigneten Fragen im Wiedereingliederungsgespräch stellen


Esther Stollenwerk

Wer fragt, der führt! Diese Aussage ist allgemein bekannt und gilt natürlich auch für das Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Doch wann sollten Sie in diesem Gespräch welche Fragen stellen, um tatsächlich ein gutes Ergebnis zu erzielen?

Mit welcher Haltung Sie in ein Wiedereingliederungsgespräch gehen können, haben wir Ihnen im AWA 5/2021 vorgestellt. Mit diesem Beitrag möchten wir Ihnen nun eine weitere hilfreiche Gesprächsmethodik an die Hand geben: Die ressourcenorientierte Fragetechnik. Mit dieser Technik können Sie den Fokus durch bestimmte Fragen gezielt auf diejenigen Fähigkeiten und Möglichkeiten ("Ressourcen") richten, die Ihren Mitarbeitern helfen, ihre schwierige Situation zu bewältigen.

Die Praxis zeigt immer wieder, dass sich jedes BEM-Gespräch mit den richtigen Fragen prima steuern lässt. Selbst und gerade dann, wenn die Situation ausweglos erscheint und weder Sie noch Ihr Mitarbeiter eine Idee haben, wie der nächste Schritt in Richtung Lösung aussehen könnte, bewirken Fragen echte Wunder. Denn durch gute Fragen können Sie Ihrem Gesprächspartner dazu verhelfen,

  • die eigene Situation klarer zu sehen,
  • eingefahrene Bahnen zu verlassen und
  • auf mögliche neue Ideen zu kommen.

Fragen bieten Ihnen zudem eine gute Struktur und Sicherheit – ganz vergleichbar mit einem Navigationsgerät, das Ihnen dabei hilft, sich sicher von Punkt A zu Punkt B zu bewegen. Genauso können Sie sich und Ihren betroffenen Mitarbeiter mithilfe bestimmter Fragen sicher durch ein BEM-Gespräch navigieren.

Richtig starten

Für den Gesprächsbeginn eignen sich sogenannte "Was genau?"- oder "Was noch?"-Fragen sehr gut. Damit bringen Sie die Betroffenen dazu, ihre Situation genauso zu schildern, wie sie sie erleben.

Nehmen wir mal an, ein Mitarbeiter erzählt Ihnen, dass er sich bei seiner Arbeit in der Apotheke überfordert fühlt. Dann haben zwar auch Sie vermutlich sofort Ihre eigene Vorstellung davon, was es heißt, bei der Arbeit überfordert zu sein. Aber in der Regel – und das ist entscheidend – entspricht Ihre eigene Vorstellung nicht derjenigen Ihres Gegenübers. Daher ist es wichtig, so konkret wie möglich nachzufragen, z.B.:

  • "Was genau heißt es für Sie, überfordert zu sein?"
  • "Wie zeigt sich diese Überforderung, wenn Sie arbeiten?"
  • "Woran erkennt ein Außenstehender, dass Sie überfordert sind?"
  • "Gibt es noch etwas, was dazu beiträgt, dass Sie sich überfordert fühlen?"

Durch diese Fragen wird sich Ihr Mitarbeiter auch konkreter mit seiner eigenen Situation auseinandersetzen – und so von einem vielleicht zunächst diffusen "Ich bin überfordert"-Gefühl hin zu einem klaren Bild davon kommen, was dieses Überfordert-Sein hier genau für ihn bedeutet.

Wenn Sie während des Gesprächs den Eindruck bekommen, dass unklar ist, woher die gesundheitliche Einschränkung eigentlich kommt, bieten Fragen nach Unterschieden eine gute Möglichkeit, der Sache auf den Grund zu gehen:

  • "Zu wie viel Prozent halten Sie die Überforderung für arbeitsplatzbezogen, zu wie viel Prozent für privat begründet?"
  • "Was überfordert Sie auf der Arbeit am stärksten – und was am zweitstärksten?"

Mehr Klarheit schaffen

Damit Sie und Ihr betroffener Mitarbeiter einfacher einschätzen können, wo Letzterer aktuell steht und was mögliche nächste Schritte sein könnten, lassen sich gut Skalierungsfragen verwenden, beispielsweise: "Stellen Sie sich eine Skala von 1 bis 10 vor: Die 1 bedeutet, dass Sie sich gar nicht überfordert fühlen, und die 10, dass Sie sich völlig überfordert fühlen. Wo würden Sie sich aktuell einstufen?"

Mit dem Ergebnis können Sie dann prima weiterarbeiten. Nehmen wir an, Ihr Mitarbeiter antwortet: "Ich stufe mich bei einer 6 ein". Dann könnten Sie z.B. folgendermaßen fortfahren: "Eine 6 ist keine 10. Was macht für Sie den Unterschied zwischen einer 6 und einer 10 aus? Und was müsste passieren, damit Sie auf eine 10 kämen?"

Diese Frage beinhaltet zwar eine gewisse Provokation. Aber oft ist der Anstoß, sich Gedanken darüber zu machen, was man tun müsste, damit es noch schlimmer wird, hilfreich. Denn damit lässt sich ebenfalls herausfinden, was passieren müsste, damit es besser wird.

Alternativ könnten Sie allerdings auch fragen: "Mal angenommen, Sie wären auf der Skala eine Stufe weiter nach unten gekommen, also von der 6 auf die 5: Was genau hätten Sie selbst getan, um das zu erreichen? Was wäre auf der 5 anders als auf der 6?"

Die Einleitung "Mal angenommen" wirkt sich besonders positiv aus. Denn damit versetzen Sie Ihren Mitarbeiter in eine hypothetische Situation, in der er den nächsten gewünschten Schritt schon gegangen ist. So öffnen Sie neue Türen und geben ihm die Möglichkeit, konkret in Richtung einer Lösung zu denken.

Das Gegenüber aufpowern

Eine weitere, gut für BEM-Gespräche geeignete Technik sind sogenannte Bewältigungsfragen. Hiermit drücken Sie Wertschätzung und Anerkennung für das aus, was der Mitarbeiter bisher zur "Krisenbewältigung" geleistet hat – und bestärken ihn auf diese Weise weiterzumachen. Beispiele sind:

  • "Wie haben Sie es geschafft, die Situation bis hierhin zu meistern?"
  • "Was hat Ihnen dabei geholfen?"
  • "Gab es schon mal ähnliche Situationen in Ihrer Vergangenheit? Wie ist es Ihnen damals gelungen, die Herausforderungen zu bewältigen?"

Insbesondere wenn Mitarbeitern eine Situation zunächst unverrückbar erscheint, können Sie sie auch mit Fragen nach Veränderungen bestärken, wie z.B.: "Was hat sich seit unserer Terminabsprache für Sie geändert?" Denn damit suggerieren Sie, dass eben nicht unbedingt alles in Stein gemeißelt sein muss und Veränderungen durchaus möglich sind.

Exkurs: Unerwünschter Besuch

Immer mal wieder kann sich Ihr Gegenüber im Gespräch als sogenannter "BEM-Besucher" erweisen – als Mitarbeiter, der meist nicht von sich aus zu einem BEM-Gespräch kommt, sondern eher nach dem Motto: "Oh, eine offizielle Einladung vom Chef, das scheint was Wichtiges zu sein. Damit ich nichts falsch mache, gehe ich da besser mal hin."

Da keine gesundheitlichen Beschwerden vorliegen, die sich über ein BEM beheben ließen, sind solche Gespräche kaum zielführend. Das merken Sie schnell daran, dass der "BEM-Besucher" vermutlich versuchen wird, Ihren Fragen auszuweichen – denn er kann sie nicht wirklich beantworten. Wie Sie "BEM-Besuche" von vornherein vermeiden, erfahren Sie – auch als kleine Rekapitulation unseres letzten Beitrags – am Ende des Artikels.

Richtig aufhören

Schließlich gilt es natürlich auch, einen guten Abschluss für das BEM-Gespräch zu finden. Dazu eignen sich operationale Fragen, die darauf abzielen, konkrete nächste Schritte zu vereinbaren – eine Art in die Zukunft gerichtete Bewältigungsfragen also. Auch hierfür zwei Beispiele:

  • "Was werden Sie nun als Erstes tun?"
  • "Gibt es Hindernisse bei der Umsetzung? Und wie könnten wir diese Hindernisse gemeinsam bewältigen?"

Zum Abschluss die gute Nachricht: Mit diesen Fragen stehen Sie in Ihrem BEM-Gespräch tatsächlich immer auf der sicheren Seite. Denn falsch machen können Sie damit nichts. In der Praxis zumindest haben sich diese Fragetechniken vielfach als sehr hilfreich bewährt!

Wie Sie "BEM-Besuche" vermeiden

  1. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter im Vorfeld gut zum BEM. Damit reduzieren Sie die Wahrscheinlichkeit, dass jemand aus einem reinen Pflichtgefühl heraus zum Gespräch kommt.
  2. Führen Sie vor dem offiziellen BEM-Gespräch ein kurzes Vier-Augen-Gespräch, um zu überprüfen, ob überhaupt Hilfe nötig ist.

Esther Stollenwerk, Wirtschaftspsychologin (M.Sc.), Beraterin für betriebliches Gesundheitsmanagement, 50670 Köln, E-Mail: esther_stollenwerk@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(09):8-8