Noch nicht Umgesetztes umsetzen (Teil 2)

Was durch Corona gestärkte Apotheken jetzt tun können


Joachim Ullrich

Nachdem wir uns bereits mit denjenigen Apotheken beschäftigt haben, die besonders mit den Auswirkungen der Coronakrise kämpfen, widmen wir uns nun den "Gewinnern": Vor welchen Herausforderungen stehen sie – und wie können sie diese Herausforderungen meistern?

Anders als Apotheken in Innenstädten, Einkaufszentren und Co. (vgl. AWA 7/2021) profitieren Apotheken in Wohngebieten oder Stadtteillagen sowie auf dem Land teils sehr stark von der eingeschränkten Mobilität der Menschen. Deswegen haben sie mitunter sogar mehr Kunden als vor Beginn der Pandemie.

Damit entstehen diesen Apotheken zumeist keine größeren Ertrags- bzw. Kostenprobleme. Dennoch sehen auch sie sich genügend neuen Herausforderungen gegenübergestellt – welche übrigens die stark von Corona getroffenen Apotheken teils ebenfalls meistern müssen.

Eine Frage der Größe

So wird die Größe der Offizin sehr schnell zum Problem. Denn schließlich müssen die Abstandsregeln eingehalten werden: Weniger Kunden dürfen in die Apotheke, und oft kann nicht mehr an allen Kassenplätzen bedient werden. Schlangen vor dem Eingang sind die Folge, und die Kunden sehen sich der Witterung ausgesetzt.

Viele Apotheken haben daher einen Wetterschutz (z.B. ein Partyzelt) installiert und zusätzliche Sitzgelegenheiten für ältere Kunden geschaffen (vgl. auch AWA 6/2021). Mancherorts bedient man sogar durch Fenster oder Türen.

Das sind zwar alles Notlösungen, die dem Kundenservice nur bedingt gerecht werden. Sofern Sie trotzdem auf solche "alternativen" Bedienplätze ausweichen müssen, empfiehlt sich eine mobile Kasse mit sämtlichen Zusatzgeräten (Drucker, EC-Lesegerät usw.). Alles Notwendige kann z.B. in ein fahrbares Stehpult eingebaut sein – das natürlich über alle erforderlichen Anschlussmöglichkeiten verfügen muss. Sind diese nicht vorhanden, kann man gegebenenfalls – zumindest für eine Weile – Abhilfe mit Verlängerungskabeln etc. schaffen.

Alles neu – nicht nur im Mai

Die Breite und Tiefe des Warenlagers sind auch für "Gewinner"-Apotheken eine große Herausforderung:

  • Neue Kunden bringen Rezepte mit Verordnungen, die in der Apotheke bislang teils noch nie abgegeben worden sind.
  • Außerdem kommen die Rezepte nun eventuell auch aus Arztpraxen, die vorher keine oder allenfalls eine untergeordnete Rolle in der Rezeptabrechner-Statistik gespielt haben.

Auch hier steht die schnelle Warenverfügbarkeit im Fokus. Daher müssen die Spielregeln für die Frage, wann ein Artikel an Lager gelegt wird, immer wieder aufs Neue geprüft werden. Noch intensiver ist allerdings zu kontrollieren, wann und wie viele Artikel eventuell wieder aus dem Lager zu nehmen sind. Wer hier nicht sorgfältig vorgeht, muss mit Verlusten durch Verfall rechnen. Außerdem wird unnötig Liquidität gebunden. An dieser Stelle ist vor allem eine erhöhte Aufmerksamkeit des Personals gefragt.

Wer kommt wann?

Die Personaleinsatzplanung ist ebenfalls deutlich erschwert, da man in diesen Zeiten schwer einschätzen kann, wie sich die Kundenfrequenzen verändern. Pauschal sagen lässt sich lediglich, dass die Kunden zumeist alle Besorgungen auf einen Tag legen, um ihre Kontakte auf das Notwendige zu reduzieren. Wenn sich allerdings alle Kunden dafür dieselbe Zeit aussuchen, kommt es einerseits zu Spitzenbelastungen mit hohen Wartezeiten und andererseits zu "Durchhängern" mit niedrigen Frequenzen.

Oftmals orientiert sich der Personalbestand noch an den Kundenzahlen vor Corona – was bei einem Mehr an Kunden jedoch zu Überlastungen führt. Wenn jemand erkrankt oder in Quarantäne muss, verschärft sich diese Situation noch. Schnellstes "Gegenmittel" sind zwar Überstunden – doch die müssen dann auch wieder irgendwann abgebaut werden. Und der (Rest-)Urlaub kommt noch obenauf.

Das Personalproblem zeigt sich auch bei der Frage, wer die Botendienstfahrten übernehmen soll – zumal die Kunden oft nicht nur am frühen Morgen oder am späten Abend, sondern über den Tag verteilt beliefert werden wollen. Sofern Sie sich an die rechtlichen Vorgaben halten (vgl. dazu AWA 8/2020), können Sie hier u.a. darüber nachdenken, externe Dienstleister (wie Taxiunternehmen oder Fahrradboten) sowie z.B. studentische Aushilfen einzusetzen.

Online first?!

Ein weiteres, durch die zusätzlichen Kunden getriggertes Problem ist die telefonische Erreichbarkeit der Apotheke: Oft laufen die eingehenden Anrufe auf Leitungen auf, die niemand bedient. Es klingelt also für den Kunden, in der Apotheke nimmt aber niemand ab. Dieses Problem lässt sich mit einer Mailbox-Ansage abmildern. Eventuell ist eine Rufumleitung möglich, über die zusätzliche Telefone einbezogen werden können. Hier empfiehlt es sich, den Status quo Ihrer Apotheke zu überprüfen. Denn sonst entsteht bei den Anrufern Unmut oder Frust, obwohl sich das leicht vermeiden ließe.

Erreichbar muss die Apotheke aber nicht mehr nur telefonisch sein. Denn zur Erreichbarkeit zählt auch die Möglichkeit, Medikamente auf elektronischem Weg vorzubestellen – egal ob per App, per Mail oder per Fax. Durch die erhöhte Personalbelastung verlieren einige Apotheken diese Kontaktwege aus den Augen – oder kümmern sich erst nach den Kunden in der Offizin darum.

Wichtig: Gerade Kunden, die sich auf diesen elektronischen Wegen melden, wollen schnelle und klare Rückmeldungen, z.B. zur Warenverfügbarkeit oder Lieferzeit. Das Zeitfenster für eine Reaktion ist also sehr knapp! Bevor ein "Fernkunde" abspringt, sollte also lieber ein Kunde in der Offizin warten müssen. Das ist allerdings erfahrungsgemäß zumeist kein Problem – sofern die Mitarbeiter eine vorher abgesprochene, plausible und höfliche Entschuldigung parat haben.

Kommunikations-Test

Inzwischen besteht für Apotheken die Möglichkeit, neue Dienstleistungen anzubieten, die es so ohne die Pandemie nicht geben würde. Ein Beispiel ist Durchführung von Corona-Tests, um die es bereits im AWA 8/2021 ging. Ergänzend sei erwähnt, dass hier generell die Kommunikation mit den Kunden sehr wichtig ist – und zwar möglichst über alle Kanäle, angefangen vom Schaufenster bis hin zum Internetauftritt:

  • Falls Sie keine Tests anbieten, sollten Sie Ihre Gründe verständlich und klar darlegen.
  • Falls Sie diese Dienstleistung anbieten, müssen Sie eindeutig erläutern, wie genau das Ganze bei Ihnen funktioniert.

Damit ersparen Sie sich zum einen Nachfragen. Und zum anderen können Sie sich durch eine klare Kommunikation als verlässlicher Partner positionieren – womit Sie gerade in diesen Zeiten punkten, in denen die Menschen durch das medial-politische Hin und Her stark verunsichert sind.

Immer für die Kunden

Auch wenn wir die im Zusammenhang mit Corona zu lösenden Probleme hier nur bruchstückhaft vorstellen konnten, gilt stets: Jede Lösung muss im Sinne der Kunden sein! Ansonsten sind nicht nur neue Kunden, die die Apotheke und ihren Service gerade erst kennenlernen, sondern auch treue Stammkunden enttäuscht. So entsteht ein Imageschaden, dessen Auswirkungen wir heute noch gar nicht abschätzen können.

Die Pandemie wird hoffentlich in absehbarer Zeit überwunden sein. Aber selbst wenn sich das Leben dann normalisiert, werden die Menschen ihre Erfahrungen im Guten wie im Schlechten nicht vergessen. Für Sie in der Apotheke stellen sich daher jetzt die Fragen:

  • Gelingt es Ihnen, neue Kunden fest zu binden?
  • Oder verlieren Sie durch Fehler zusätzlich Stammkunden?

Es liegt in Ihrer Hand, wie die Antworten auf diese Fragen und somit auch Ihr zukünftiger Erfolg ausfallen.

Joachim Ullrich, Apothekenberatung und -entwicklung, 61381 Friedrichsdorf, E-Mail: info@apothekenberatung-ullrich.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(10):10-10