Policen auf dem Prüfstand

Welche Versicherungen Sie eventuell anpassen können


Michael Jeinsen

Für viele Apotheker ist der Versicherungsordner so etwas wie ein Buch mit sieben Siegeln. Kein Wunder, dass sich darin zum einen wenig sinnvolle, zum anderen aber auch modifizierungswürdige Policen finden. Was also gehört in welcher Form wirklich hinein?

Einige Makler drehen Apothekeninhabern Policen an, die im Schadensfall ungeeignet sind, weil sie

  • das konkrete Risiko nicht rechtsverbindlich abdecken oder
  • einzelne Risiken nicht einschließen.

Besonders Letzteres ist jedoch oft "heilbar", meist sogar kostenfrei durch eine einfache Meldung.

Das betrifft auch Policen, die mit Begriffen wie "Praxis" oder "Heilwesen" betitelt sind. Denn sie orientieren sich regelmäßig an ärztlichen Schadenspotenzialen. Solche Policen gehören generell auf den Prüfstand, denn sofern darin nicht explizit berufsständische Risiken aufgeführt sind, müssen die Versicherer im Zweifel nicht zahlen, wenn es zu einem nach Apothekenrecht meldepflichtigen Schaden kommt. Für jeden versicherbaren Schaden, der am Ende nicht reguliert wird, ist die bezahlte Prämie sinnlos.

Worst Case eingetreten?

Wesentlich ist das vor allem beim Thema Arzneimittelgesetz (AMG)-Deckung: Das AMG schreibt vor, dass Hersteller von Medikamenten für Schäden bei Patienten haftbar zu machen sind (§84) und daher eine geeignete Deckungsvorsorge haben müssen (§94). Doch für welche Präparate, die in der Apotheke hergestellt werden, gilt das AMG wirklich?

Berater neigen dazu, hier alles außer Fertigarzneimitteln einzubeziehen – also Rezepturen, Defekturen, Verblisterungen, Auseinzelungen, Lohnherstellungen sowie Standardzulassungen. Die jeweiligen Risiken fallen aber nicht unter die Hersteller-, sondern vielmehr unter die Betriebshaftpflicht. Tatsächlich fällt nur die Herstellung von Eigenmarken unstreitig unter die Haftung gemäß AMG.

Übrigens: Früher war es durchaus strittig, was für Defekturen gilt. Nach gängiger Auffassung der Versicherer werden sie inzwischen aber ebenfalls der Betriebshaftpflicht zugeordnet.

Falls Sie regelmäßig Defekturen herstellen, Standardzulassungen anbieten oder als Lohnhersteller fungieren, sollten Sie zwar im Zweifelsfall gesondert prüfen lassen, ob es sich nicht doch um eine AMG-pflichtige Tätigkeit handelt. Häufig ist die Herstellerhaftpflicht aber für Apotheken unnötig.

Übrigens: Wer dennoch Wert auf einen aktiven AMG-Schutz legt, bekommt ihn mit einer Vorsorgedeckung deutlich günstiger.

Apotheke vorübergehend geschlossen?

Die im Zweifel teuerste "falsche" Police im Apotheken-Versicherungsordner ist der "kleine Betriebsunterbrechungsschutz" (KBU), der immer als Teil der Geschäftsinhaltsversicherung abgeschlossen wird. Das Problem: Damit teilen sich KBU und Geschäftsinhaltsversicherung auch die vereinbarte Versicherungssumme. Da sich diese Summe jedoch immer am Apotheken-Sachwert orientiert, bleibt bei größeren Schäden kaum noch Geld für die Kosten der Betriebsunterbrechung übrig. Stellt sich dann – wie oft bei älteren Policen – noch eine Unterversicherung heraus, reicht das, was die Versicherung letzten Endes zahlt, garantiert nicht aus.

Beispiel: Als Versicherungssumme wurden ursprünglich 350.000 € angegeben. Nach einem Umbau und der Anschaffung eines Kommissionierers wird der Apothekenwert am Schadenstag – bei vollem Warenlager – auf 420.000 € taxiert. Dann muss der Versicherer wegen einer 20%igen Unterversicherung nur 80% der entstandenen Kosten erstatten. Liegen diese bei 200.000 €, wären es also 160.000 €. Wenn der Schaden selbst 150.000 € bindet, bleiben nur noch 10.000 € für die BU-Kosten "im Topf".

Tipp: Überprüfen Sie mit Ihrem Vermittler, ob sich eine KBU in Ihrer Geschäftsinhaltsversicherung versteckt. Sinnvoll wäre ausschließlich eine eigenständige Versicherungssumme für Betriebsunterbrechungen, also ein "großer Betriebsunterbrechungsschutz".

Das Beispiel zeigt überdies, wie wichtig eine rechtzeitige Meldung des nun höheren Apothekenwerts gewesen wäre: Dann nämlich hätte die Versicherung tatsächlich die 200.000 € gezahlt.

Schadstoffe ausgelaufen?

In der Betriebshaftpflicht von Apotheken ist immer auch ein Umwelthaftpflicht-Baustein enthalten, der greift, wenn fremder Grund durch einen Apotheken-Schadensfall kontaminiert wird. Wer seine Apotheke aber auf einem eigenen Grundstück betreibt, benötigt auch den antragspflichtigen Zusatzbaustein 1 zur Umwelthaftpflicht. Damit wird der eigene Grund und Boden mit abgesichert, der ja zwingend zuerst betroffen ist.

Hinweis: Zumeist nehmen Versicherer diesen Zusatzbaustein kostenlos mit in die Police auf. Eigentümer sollten also prüfen, ob der Vermittler das auch wirklich getan hat. Denn sonst gibt es im Schadensfall keinen Cent.

Wer eine Apotheke in einer exponierten Lage betreibt (z.B. in Einkaufszentren, Fußgängerzonen, historischen Ortskernen, Bahnhöfen oder Flughäfen), sollte die Feuerhaftung prüfen: Ist sie zu niedrig kalkuliert, erfüllt die Umweltschaden-Police ihren Zweck hier ebenfalls nicht so, wie sie es sollte.

E-Bike abhandengekommen?

Immer mehr Apotheken nutzen Lieferfahrräder, die als begehrte Beute mit vollem Wert und rund um die Uhr in der Geschäftsinhaltsversicherung mitversichert sein sollten.

Moderne, hochwertigere Varianten, wie E-Bikes, E-Lastenräder, Roller oder andere kreative Lieferfahrzeuge, sollten nach einem Diebstahl ebenfalls ersetzt werden – auch im nicht abwegigen Fall, dass sie angekettet an einen Fahrradständer abhandenkommen. In der Regel werden sie kostenlos in die Geschäftsinhaltsversicherung aufgenommen, sind dafür aber zu melden – woran es leider häufig scheitert.

Längerfristig erkrankt?

Eine Krankentagegeldversicherung hat im familiären Kontext durchaus ihre Berechtigung. Doch leider wird sie häufig auch zum Schutz der Apotheken-Liquidität für den Fall angepriesen, dass der Inhaber für längere Zeit krankheitsbedingt ausfällt – was betriebswirtschaftlicher Unsinn ist.

Für all diejenigen, die eine größere Apotheke oder einen ganzen Verbund betreiben, rechnet sich eine solche Police nicht – denn wenn Sie als Inhaber ausfallen, haben Sie in der Regel ausreichend approbiertes Personal an Bord, das Ihre Fehlzeiten abdecken kann.

Und kleineren Apotheken mit nur ein oder zwei Teilzeit-Approbierten entstehen bei einem längeren Inhaber-Ausfall zwar hohe Kosten durch Überstunden oder die Verpflichtung externer Kräfte. Hier allerdings greifen die Leistungen einer Krankentagegeldversicherung zu spät – abgesehen davon, dass die Versicherungssummen so gut wie nie mit den Schadenssummen korrelieren.

Tipp: Sofern Sie Ihr Liquiditätsrisiko für den Fall mildern möchten, dass sie unfall- oder krankheitsbedingt ausfallen, wäre ein spezieller Vertreterkosten-Schutz interessant, der früher greift und zudem günstiger ist.

Übrigens: Da die Krankentagegeldversicherung privat abgeschlossen wird, kommen Sie für die Prämie aus Ihrem versteuerten Einkommen auf. Sofern Sie dann eine Schadenszahlung der Apotheke zur Verfügung stellen, wäre das steuerlich entweder als Schenkung oder als Privateinlage zu verbuchen – also auch in dieser Hinsicht kein guter Deal.

Drum prüfe, wer sich bindet

Grundsätzlich gilt: Versichern kann man (fast) alles. Jeder Einzelne sollte aber – gegebenenfalls mit einem Berater – abschätzen, inwiefern die jeweiligen Versicherungen in der derzeitigen Form für ihn tatsächlich sinnvoll gestaltet sind.

Zum Weiterlesen

Michael Jeinsen, Diplom-Politologe und -Pädagoge, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), IHK-Dozent für Maklerfortbildung, 12209 Berlin, E-Mail: berlin@die-apothekerhelfer.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(10):12-12