"Schon wieder zu wenig?"

Wie Sie Bestandsänderungen richtig erfassen


Ralf Dreczko

Was tun, wenn Sie in Ihrem Warenwirtschaftssystem (WWS) Bestände ändern müssen, die nicht aus einem entgeltlichen Verkaufsvorgang oder einer regulären Retoure resultieren? Wir geben einen Überblick über mögliche Fälle – und liefern Ihnen gleich Lösungsvorschläge mit.

Sofern Sie nichts verkaufen oder regulär retournieren, sind Bestandskorrekturen in Ihrem WWS regelhaft notwendig bei

  1. bewussten, unentgeltlichen Entnahmen und
  2. ungeplanten, nicht nachvollziehbaren Fehlbeständen.

"Da nehmen wir was raus!"

Schauen wir uns zunächst die Entnahmen an. Vorneweg: Manche Entnahmen betreffen Kosten, die nicht direkt mit dem Verkauf von Waren zusammenhängen – und haben daher keinen Einfluss auf Ihre Roherträge. Dementsprechend unterscheiden wir im Folgenden zwischen Entnahmen innerhalb und außerhalb der Rohertragsebene.

1. Entnahmen innerhalb der Rohertragsebene

Zu den Entnahmen innerhalb der Rohertragsebene zählen zunächst Ihre eigenen privaten Warenentnahmen. Die meisten von Ihnen werden sich dafür ein eigenes Kundenkonto im WWS eingerichtet haben.

Wichtig: Privatentnahmen sind in Höhe der Ihnen entstandenen Kosten ertrag- und umsatzsteuerpflichtig. Sie dürfen sie also nicht als "Abverkauf" mit 0,00 € einbuchen. Denn wenn Sie im WWS keinen Umsatz erfassen, handelt es sich zumindest um eine Steuerverkürzung.

Tipp: Hinterlegen Sie daher in Ihrem Kundenkonto als Preisbasis Ihre Selbstkosten – also den effektiven Einkaufspreis (EK) o.Ä. –, und schließen Sie den Vorgang über die Faktura ab. Erstellen Sie zudem – am besten monatlich – eine Rechnung an sich selbst, die Sie anschließend auf "bezahlt per Überweisung" setzen können.

Das Gleiche gilt für Artikel aus dem Warenlager, die Sie z.B. einem Verein oder einem Unternehmen aus Ihrer Umgebung spenden – wie aktuell etwa "Corona-Hygiene-Kits". Auch diese Entnahmen sind in der Höhe Ihrer Selbstkosten umsatz- und ertragsteuerpflichtig.

Schließen Sie solche Vorgänge ebenfalls über die Faktura auf einem separaten Kundenkonto ab, und setzen Sie die Rechnung anschließend auf "bezahlt". Damit werden die Kosten des Wareneinkaufs sowie die Vorsteuer praktisch "neutralisiert". Im Gegenzug können Sie den Bruttobetrag der Spende als solchen in Ihrer Gewerbe- und Einkommensteuererklärung absetzen.

Häufig kommen auch Warenentnahmen für Rezepturen vor. Die entsprechenden Artikel werden zwar nicht direkt abverkauft – als Rezepturbestandteil aber dann doch indirekt, wenn auch gewissermaßen scheibchenweise.

Tipp: Legen Sie sich hierfür am besten einen "Pseudokunden" mit der Preisbasis "100% Rabatt" an, sodass beim Abverkaufsvorgang an der Kasse kein Geldbetrag erscheint. Den Umsatz realisieren Sie ja später über den Abverkauf der Rezeptur.

Hin und wieder geben Sie guten Kunden im Rahmen eines Verkaufsvorgangs vielleicht auch mal einen Artikel aus dem Warenlager kostenlos obenauf mit (zu den rechtlichen Vorgaben vgl. AWA 13/2019). Das erfassen Sie am besten so, wie es ist – nämlich indem Sie den Artikel im Verkaufsvorgang abscannen und ihn mit 0,00 € (Rabatt=100%) einbuchen.

Übrigens: Eine kostenlose Zugabe stellt kein Geschenk im steuerlichen Sinne dar, weil sie im Zusammenhang mit einem Warenverkauf erfolgt – und als Teil davon ist sie wie ein (Natural-)Rabatt zu behandeln. Auch hier bleiben wir somit innerhalb der Rohertragsebene.

Auf dieser Ebene sind schließlich noch die Entnahmen von beschädigten oder verfallenen Artikeln anzusiedeln. Weil bei diesen Waren kein Abverkauf mehr infrage kommt, können Sie beim entsprechenden Großhändler bzw. Hersteller eine Retoure initiieren. Unterscheiden lassen sich zwei Fälle:

  • Erfolgt eine (anteilige) Gutschrift, erhöht diese Ihren Rohertrag wieder – und Sie können die Retoure entsprechend abschließen.
  • Erfolgt keine Gutschrift, können Sie die Retoure über eine Abschreibung abschließen. Dokumentieren Sie dies am besten durch eine Vernichtungserklärung des Lieferanten.

Tipp: Wenn Sie schon von vornherein wissen, dass es keine Gutschrift geben wird, können Sie den betreffenden Artikel auch auf einen "Pseudolieferanten" ("Bruch/Verfall" o.Ä.) als Retoure einbuchen – und den Vorgang spätestens am Jahresende über eine Abschreibung abschließen.

Achtung: Bitte schließen Sie Retouren nicht über Gutschriften ab, die gar nicht existieren. Denn das gibt Stress bei Betriebsprüfungen.

Übrigens: Eine Rohertragsschmälerung durch die Abschreibung von beschädigten bzw. verfallenen Waren ist in jedem Handelsgeschäft ganz normal und wird nur bei einem unüblich hohen Wert als eine "echte" Abschreibung außerhalb des Rohertrags erfasst. Dabei sind die wertmäßigen Bestandsverringerungen aus dem Wareneinsatz in die Kosten umzubuchen. Eine zusätzliche Gewinnminderung entsteht hier nicht. Das wäre vielmehr nur bei wertmäßigen Abschreibungen ohne Bestandsveränderungen der Fall – dann also, wenn Sie Artikel mit einem geringeren Preis als dem Zugangspreis bewerten müssten (vgl. AWA 19/2018).

2. Entnahmen außerhalb der Rohertragsebene

Nicht auf der Rohertragsebene finden zum Ersten Entnahmen von solchen Waren für den Bedarf bzw. Verbrauch in der Apotheke statt, die nie weiterverkauft werden. In Corona-Zeiten etwa zählen hierzu vor allem Desinfektionsmittel für Mitarbeiter und Kunden, Einmalhandschuhe für die Rezeptur sowie Masken für die Mitarbeiter in der Apotheke bzw. im Botendienst. Diese Bestandsverringerungen stellen keinen Wareneinsatz dar und können bei nennenswertem Umfang in die betrieblichen Kosten umgebucht werden.

Zum Zweiten zählen zu dieser Art von Entnahmen auch Geschenke aus dem Warenlager, die nicht in direktem Zusammenhang mit einem Abverkauf stehen, wie z.B. ein Kosmetikartikel für die benachbarte Arztpraxis zu Weihnachten. Da hier ebenfalls kein Wareneinsatz vorliegt, müssen diese Sachverhalte steuerlich separat als Geschenk verbucht werden.

Tipp: In beiden Fällen können Sie sich einen Pseudokunden (einmal "Apothekenbedarf", einmal "Geschenke") anlegen. Preisbasis ist der effektive EK. Die Abverkaufsvorgänge sollten Sie jeweils über die Faktura abschließen. Erstellen Sie dann spätestens zum Ende Ihres Geschäftsjahres eine Rechnung, für die Sie einen Vollrabatt (100%) angeben. So bleibt die Gesamtsumme der Artikel sichtbar, und es wird kein unzutreffender Umsatz im WWS erzeugt.

Hinweis: Beachten Sie bei Geschenken auch die steuerliche Abzugsgrenze von 35 € netto pro Empfänger und Kalenderjahr, sowie die Möglichkeit, sie – sofern an Geschäftspartner gerichtet – pauschal mit 30% zu "verlohnsteuern" (vgl. AWA 22/2017). Dafür ist eine Aufstellung der Empfänger nebst Anlässen notwendig.

"Da fehlt doch was!"

Sofern Sie im Rahmen einer (permanenten) Inventur Fehlbestände (z.B. aufgrund eines Diebstahls oder eines Anwendungsfehlers) feststellen, können Sie eine Bestandskorrektur über Ihr Inventurprogramm vornehmen.

Fällt Ihnen "außerplanmäßig" auf, dass Sie einen Artikel vermissen, legen Sie sich einen Pseudolieferanten "Fehlbestände" an und buchen eine fiktive Retoure ab. Schließen Sie diese wieder über eine Abschreibung ab – und nicht über eine fiktive Gutschrift.

Ist hingegen ein Artikel zu viel an Lager, können Sie ihn über diesen Pseudolieferanten als (fiktiven) Warenzugang erfassen – und als Zugangspreis den im Artikelsatz gespeicherten effektiven EK verwenden.

Übrigens: Manuelle Bestandveränderungen, bei denen Sie keinen Vorgang im WWS erzeugen, sollten Sie am besten ganz vermeiden bzw. auf ein Mindestmaß beschränken.

Hinweis: Da Fehlbestandskorrekturen stets den Wareneinsatz betreffen, zählen sie zur Rohertragsebene.

Ralf Dreczko, Diplom-Kaufmann, Treuhand Hannover, 10115 Berlin, E-Mail: ralf.dreczko@treuhand-hannover.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(10):6-6