Wenn sich Mitarbeiter weigern

Was Sie zur Corona-Impfung Ihres Personals wissen sollten


Dr. Morton Douglas

"Eine Impfpflicht wird es bei der Corona-Schutzimpfung nicht geben", hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht im November 2020 postuliert. Wie sieht es heute aus? Erfahren Sie mehr über den aktuellen Stand und die Möglichkeiten, mit impfunwilligen Mitarbeitern umzugehen.

Dass eine gesetzliche Impfpflicht und die damit verbundene grundrechtliche Einschränkung prinzipiell möglich sein dürften, hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen von Eilanträgen gegen die Regelungen zum Nachweis einer Masern-Schutzimpfung angedeutet (Urteil vom 11.05.2020, Aktenzeichen: 1 BvR 469/20). Eine gesetzliche Pflicht, sich impfen zu lassen, besteht jedoch, wie seitens der Justizministerin angekündigt, nach wie vor nicht:

  • Weder die "Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2", die die Priorisierung der zu impfenden Gruppen in der Bevölkerung regelt,
  • noch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) enthalten eine entsprechende Regelung.

§20 Abs. 6 IfSG ermächtigt zwar das Bundesministerium für Gesundheit, "durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzuordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist." Davon wurde bislang allerdings noch kein Gebrauch gemacht.

Impfungen per Weisungsrecht anordnen?

Damit bleibt die Frage offen, inwiefern Sie als Arbeitgeber kraft Ihres Weisungsrechts eine Impfpflicht gegenüber Ihren Arbeitnehmern implementieren können. In grundrechtlicher Hinsicht stehen sich

  • das Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers auf der einen Seite und
  • das Recht der unternehmerischen Freiheit sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Arbeitgebers auf der anderen Seite gegenüber.

Auch wenn Sie als Arbeitgeber ein erhebliches Interesse daran haben, dass Ihr Betrieb aufrechterhalten werden kann und nicht etwa durch infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zum Erliegen kommt, ist der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch eine Impfung ein gewichtiges Argument auf Seiten Ihres Personals. Überdies ist es zwar äußerst unwahrscheinlich, dass die Impfungen mit den hierzulande zugelassenen Corona-Vakzinen zu schweren Nebenwirkungen oder gar zum Tod führen. Ganz ausschließen lässt sich dies dennoch nicht.

Unter Juristen herrscht deswegen derzeit die Ansicht vor, dass die grundrechtlichen Interessen des Arbeitgebers, die letztlich "lediglich" monetärer Art sind, hinter denjenigen der Arbeitnehmer zurücktreten. Damit scheidet eine generelle Impfpflicht für Ihr Personal, die Sie über Ihr Weisungsrecht begründen, aus.

Über die "Gesundheitsinstitution Apotheke" argumentieren?

Etwas anderes kann jedoch für Berufsgruppen gelten, die mit besonders schützenswerten Personen in Kontakt kommen, wie etwa mit pflegebedürftigen oder behinderten Menschen, und die deswegen systemrelevant sind. Auch das medizinische Krankenhauspersonal dürfte zu dieser Personengruppe gehören.

Ein Anhaltspunkt, welche Arbeitnehmergruppen der Gesetzgeber in diesem Sinne für systemrelevant hält, findet sich im Katalog des §23 Abs. 3 IfSG. Nach dieser Vorschrift haben die Leiter von

  • Krankenhäusern,
  • Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen,
  • Arztpraxen sowie
  • weiteren medizinischen Institutionen

"sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um [...] Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solche[n] mit Resistenzen, zu vermeiden."

Apotheken sind in der anfänglichen Aufzählung allerdings nicht erwähnt. Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass es in seinen Augen hier nicht zu einem erhöhten Infektionsgeschehen kommt. Über die Argumentation, dass in Apotheken als "Gesundheitsinstitutionen" unter besonderen Bedingungen gearbeitet wird, können Sie somit auch keine Impfpflicht für Ihre Belegschaft begründen.

Schnelltestzentren als Sonderfall?

Gesondert hinterfragen könnte man jedoch, was für Corona-Schnelltestzentren gilt, die auch viele von Ihnen teils kurzfristig hochgezogen haben. Denn die hohe Fluktuation und der enge Kontakt mit den Testpersonen ließen sich durchaus als Argumente dafür ins Feld führen, dass hier eine erhöhte Exposition für das Personal besteht.

Dem könnte man allerdings entgegensetzen, dass das Testen in diesen Zentren sicherlich nicht zum Kerngeschäft von Apotheken zählt, sondern vielmehr eine freiwillige und vermutlich auch nur temporäre Leistung darstellt. Deswegen ist wohl kaum davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Apotheken, die ein Testzentrum betreiben, grundsätzlich anders einordnen wird.

Die Impfmotivation mit Anreizen steigern?

Nichtsdestotrotz dürfen Sie als Arbeitgeber die Impfbereitschaft in der Belegschaft durch Anreize erhöhen. Damit geht zwar eine Ungleichbehandlung von impfwilligen und nicht impfwilligen Personen einher – die sich aber über den Infektionsschutz sowie die Aufrechterhaltung des Betriebes rechtfertigen lässt. Als Anreize denkbar wären etwa

  • eine bezahlte Freistellung für den Zeitraum der Impfung,
  • monetäre Anreize, wie etwa Impfboni in Form einmaliger Sonderzahlungen, oder
  • zusätzliche Sonderurlaubstage.

Tipp: Sofern Sie ein Testzentrum betreiben, wäre es denkbar, dass Sie dort nur geimpfte Personen arbeiten lassen. Wenn Sie Ihren Mitarbeitern dann für die entsprechenden Dienste Sondervergütungen in Aussicht stellen, kann das auch ein Anreiz sein, um die Impfbereitschaft zu erhöhen.

Übrigens: Stellt sich heraus, dass sich ein Arbeitnehmer z.B. mit gefälschten Impfpapieren Sondervergütungen oder andere Vorteile erschlichen hat, wäre es nicht nur zulässig, ihn abzumahnen, sondern vielmehr dürfte dann auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Darüber hinaus ist ein derartiges Verhalten möglicherweise strafbar.

Impfunwillige sanktionieren?

Eine indirekte Impfpflicht über arbeitsrechtliche Sanktionen – indem Sie Impfunwillige also z.B. abmahnen oder ihnen mit einer Kündigung drohen – ist unwirksam, da hier wieder das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit greift.

Den Impfstatus des Personals abfragen?

Grundsätzlich sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet, ihren Arbeitgebern Auskunft über den eigenen Impfstatus zu geben. Denn hierbei handelt es sich nicht um allgemeine Daten, sondern um Daten, die einen Gesundheitsbezug aufweisen und daher als besonders sensibel einzustufen sind.

Nur im Einzelfall wären solche arbeitgeberseitigen Abfragen auch datenschutzrechtlich zulässig – so etwa, wenn Sie in Bereichen mit hoher Fluktuation und engem Kundenkontakt (wie eben z.B. in einem Testzentrum) nur Arbeitnehmer einsetzen wollen, die durch eine Impfung entsprechend vor einer Infektion geschützt sind. In solchen Fällen dürfte Ihr Interesse an den gesundheitsbezogenen Daten Ihrer Mitarbeiter deren Datenschutzinteresse überwiegen.

Dr. Morton Douglas, Rechtsanwalt und Partner, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB | Rechtsanwälte, 79098 Freiburg, E-Mail: morton.douglas@fgvw.de

Dr. Andreas Schubert, Rechtsanwalt, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB | Rechtsanwälte, 79098 Freiburg, E-Mail: andreas.schubert@fgvw.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(11):10-10