Medikationsanalysen, Telepharmazie und Co.

Worauf es bei den pharmazeutischen Dienstleistungen rechtlich ankommt


Dr. Bettina Mecking

Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen sind in aller Munde. Zwar dauert es noch ein paar Monate, bis Sie dafür (endlich) honoriert werden. Dennoch sollten Sie die Zeit nutzen, um schon einmal darüber nachzudenken, wie Sie die Dienstleistungen organisieren wollen bzw. dürfen.

Es wird noch ein gutes halbes Jahr dauern, bis Apotheken für jene neuen Dienstleistungen honoriert werden, die im Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) festgeschrieben worden sind. Denn die Regelung zur Finanzierung dieser Leistungen gilt erst ein Jahr, nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist – was am 15. Dezember 2020 der Fall war. Der neue Zuschlag wird folglich am 15. Dezember 2021 eingeführt.

Unabhängig vom gesetzlich zur Verfügung gestellten Honorartopf können Sie natürlich bereits heute Leistungen auswählen und erbringen, die zu Ihrer Apotheke sowie den Bedürfnissen Ihrer Patienten passen. Allerdings müssen Sie dann jeweils individuelle Vergütungsvereinbarungen treffen.

Besonders wichtig ist es aber, dass Sie sich schon jetzt Gedanken darüber machen, wie Sie die neuen Dienstleistungen angehen wollen. Dreh- und Angelpunkt sollte die Organisation sein – insbesondere angesichts beschränkter personeller Ressourcen.

Ein wertvolles Gut: Zusatzqualifikationen

Das VOASG begründet einen Anspruch der Versicherten "auf pharmazeutische Dienstleistungen durch Apotheken, die über die Verpflichtung zur Information und Beratung gemäß §20 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) hinausgehen und die die Versorgung der Versicherten verbessern." Ein besonderer Betreuungsbedarf wird bei bestimmten Erkrankungen und bei körperlichen oder kognitiven Einschränkungen gesehen.

Ausführliche, über §20 ApBetrO hinausgehende Beratungen bei den entsprechenden Patienten finden seit jeher in den Apotheken statt. Wenn Sie also künftig Honorare für solche Leistungen erhalten, die Sie ohnehin erbringen, ist das unabhängig von der vereinbarten Vergütungshöhe vorteilhaft – sofern Ihnen kein neuer Aufwand für die Dokumentation entsteht.

Voraussichtlich wird man vereinbaren, dass für anspruchsvolle neue Leistungen Zusatzqualifikationen nötig sind. Daher werden – zumindest anfangs – nicht alle Apotheken diese Leistungen aus eigener Kraft erbringen (können). Dann ergibt sich das Problem, dass diese Apotheken Patienten und somit Arzneimittelumsätze an die Konkurrenz verlieren – was es natürlich weitestgehend zu verhindern gilt.

Rechtlich und berufspolitisch müssen noch einige Fragestellungen intensiv diskutiert werden. Es kommt darauf an, sich möglichst bald so zu positionieren, dass die Zukunftsfähigkeit der Apotheken vor Ort in Zeiten allgegenwärtiger Personalprobleme sichergestellt ist.

Entscheidend: Die Anbindung an die Apotheke vor Ort

Inhaltlich wird es im Rahmen dieser Diskussion darum gehen, pharmazeutische Leistungen zu etablieren, die mit der Gesamtmedikation eines Patienten, aber nicht zwangsläufig mit einer bestimmten Arzneimittelabgabe zusammenhängen.

Im Raum steht überdies die Frage, inwieweit die Dienstleistungen

  • "offline" vor Ort in der Apotheke oder/und
  • "online" durch ein Telefonat oder einen Videochat erbracht werden.

Grundsätzlich gilt: Es handelt sich um spezialisierte apothekenübliche Dienstleistungen, die jedoch nicht apothekenpflichtig sind. Daher muss es das oberste Ziel sein, diese Dienstleistungen so eng an die Apotheke anzubinden, dass sie nicht an dieser vorbei anderswo erbracht werden können.

Die gesetzlichen Regelungen geben die Rahmenbedingungen für den Weg vor, der hier zu gehen ist:

  • So postuliert §3 Abs. 4 ApBetrO, dass die "Bewertung der Analyse und die Beratung im Rahmen eines Medikationsmanagements [...] durch einen Apotheker der Apotheke erfolgen" müssen.
  • Gleichermaßen heißt es in §20 ApBetrO, dass die "Verpflichtung zur Information und Beratung über Arzneimittel [...] durch Apotheker der Apotheke ausgeübt werden" muss.

An diesen Formulierungen zeigt sich, dass es schon rein rechtlich notwendig ist, die Anbindung an die Apotheke vor Ort zu gewährleisten – und dies auch als einheitliche Linie im Rahmen der Diskussion um die Erbringung von Dienstleistungen zu verfolgen.

Wie kann das rechtssicher organisiert werden?

Nach §7 Apothekengesetz bleibt die volle Verantwortung immer bei Ihnen als Apothekenleitung: Sie müssen jede im Namen Ihrer Apotheke ausgeführte Leistung stets fachlich bewerten. Dabei haben Sie auf jeden Fall sicherzustellen, dass das dienstleistende pharmazeutische Personal Ihren Weisungen unterliegt (vgl. dazu ausführlich AWA 11/2018). Hier sind also folgende Möglichkeiten denkbar:

  1. Ihre Apotheke hat selbst die räumlichen und personellen Möglichkeiten, um die neuen Dienstleistungen vollständig oder teilweise anzubieten.
  2. Ihre Apotheke kann diese Leistungen nicht selbstständig aus eigenen Bordmitteln stemmen.

In diesem letztgenannten Fall wäre das "Insourcing" ein denkbarer und rechtlich zulässiger Ansatz. Sie könnten also besonders qualifizierte Apotheker stunden- bzw. tageweise anstellen, so etwa

  • für einen wöchentlichen oder monatlichen Medikationsanalyse-Tag in der Apotheke oder
  • für Telepharmazie-Beratungsstunden.

Wenn sich das bei Ihnen trotz des leergefegten Personalmarktes realisieren ließe, hätte das auch den Vorteil, dass die Tätigkeit des in Teilzeit angestellten Apothekers über Ihre Betriebshaftpflichtversicherung mitversichert wäre (zu den rechtlichen Vorgaben für freie Apothekenmitarbeiter vgl. z.B. AWA 9/2021, AWA 6/2019 und AWA 20/2010).

Tipp: Achten Sie darauf, dass eventuelle freie Mitarbeiter nicht nur im Innenverhältnis an Ihre Apotheke "angebunden" sind. Denn die Außendarstellung sollte ebenfalls stimmen, sprich: Auch Ihre Patienten sollten zu jedem Zeitpunkt merken, dass die besondere und hochwertige Leistung, die sie in Anspruch nehmen, unmittelbar aus Ihrer Apotheke stammt.

Keine "Callcenter-Pharmazie"!

Eine klare Absage ist gewerblichen Konstruktionen von Dritten zu erteilen, die systematisch eine "Callcenter-Pharmazie" als Beratungsleistung für die Apotheke vor Ort aus der Ferne anbieten. Denn es ist berufspolitisch immens wichtig, dass die stationären Apotheken durch das neue Angebot gestärkt werden und sich damit pharmazeutisch weiterentwickeln.

Die persönliche Beratung als Kernaufgabe der apothekerlichen Tätigkeit darf sich nicht immer stärker von der Apotheke als Institution lösen. Nicht zuletzt deswegen wäre es fatal, wenn die Apotheken die Chance, sich mit den honorierten Dienstleistungen zu profilieren, freiwillig aus der Hand geben würden.

Eine Alternative: Mitarbeiter durch Externe fit machen

Nun könnten Sie es eventuell wegen einer fehlenden Weisungsbefugnis für problematisch halten, pharmazeutische Dienstleistungen an freie Mitarbeiter zu delegieren. In solch einem Fallwäre es denkbar, dass externe, fachlich besonders qualifizierte Approbierte oder PTA ihre Kompetenzen trotzdem in den Apothekenbetrieb einbringen – aber eben nicht, indem sie die Dienstleistung selbst erbringen, sondern vielmehr, indem sie als Berater oder Support für Ihr eigenes pharmazeutisches Personal fungieren. Sobald Ihre Mitarbeiter mit dem entsprechenden Fachwissen ausgestattet sind, können sie dann selbst mit der Dienstleistung loslegen.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(11):12-12