Editorial

DocMorris = Vogeltransporteur?


Dr. Michael Brysch

Liebe Leserinnen und Leser,

wer es Ihnen jetzt noch als Neuigkeit verkaufen will, dass der Versandhandel durch die Coronakrise deutlich zugelegt hat, dürfte wohl Eulen nach Athen tragen. Dennoch offenbart die neue ABDA-Broschüre "Zahlen – Daten – Fakten 2021" noch einmal deutlich, in welchem Ausmaß auch unsere Branche betroffen ist. So haben die (in- und ausländischen) Versender 2020 mit einem Marktanteil von 20,2% nach Umsatz im Over-the-Counter (OTC)-Arzneimittel-Segment sogar erstmals die 20%-Marke geknackt. 2019 hatten sie mit 16,4% noch deutlich darunter gelegen.

Der umsatzmäßige Marktanteil der (nur ausländischen) Versender bei den GKV- Arzneimittelausgaben (die in der Broschüre näherungsweise das Rx-Segment widerspiegeln) entspricht mit 1,2% zwar dem Vorjahreswert. Dass das so bleibt, scheint jedoch mehr als fraglich – gerade mit Blick auf die Einführung des E-Rezepts.

Die nämlich will z.B. die Zur-Rose-Gruppe laut DAZ.online für eine "massive Marktoffensive" nutzen – mit ihren 9,8 Mio. OTC-Kunden (darunter zwei Mio. Chroniker) als Ausgangsbasis. Allein in den nächsten drei bis fünf Jahren könnte der Versandhandels-Marktanteil im Rx-Segment bereits auf etwa 10% ansteigen, so die Erwartung.

Hierzulande ist das E-Rezept noch weitgehend unbekannt (vgl. den Beitrag "Wie vielen Menschen das E-Rezept ein Begriff ist"). Die Versender werden aber alles tun, um das in ihrem Sinne zu ändern. Daher ist es nicht nur an der Standespolitik, sondern an uns allen, schneller zu sein und die Begriffe "E-Rezept" und "Vor-Ort-Apotheke" unweigerlich in den Köpfen der Menschen zu verknüpfen. Wenn die Versender dann erklären wollen, was das E-Rezept überhaupt ist, tragen sie hoffentlich Eulen nach Athen.

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Dr. Michael Brysch

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(13):2-2