Immer noch ein rechtliches Minenfeld

Vorsicht bei kreativen Marketingaktionen


Dr. Bettina Mecking

Wenn Sie Rabatte und andere Werbegaben gewähren, müssen Sie verschiedene Vorschriften beachten. Hier tut sich aktuell eine Menge – nicht zuletzt auch mit Blick auf neue Dienstleistungen, wie etwa die Ausstellung der COVID-19-Impfzertifikate. Was ist erlaubt – und was verboten?

Seit dem 15. Dezember 2020 dürfen Apotheken den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) keine Rezeptboni mehr anbieten – das gilt nicht nur für Vor-Ort-Apotheken, sondern auch für Arzneimittelversender aus anderen EU-Mitgliedstaaten.

Die Musik spielt beim Verbraucherschutz

Dafür sorgt eine mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) eingeführte Neuregelung im Sozialgesetzbuch (SGB) V: Sie besagt, dass Apotheken nur dann Arzneimittel im Wege einer Sachleistung abgeben und mit den Krankenkassen abrechnen dürfen, wenn

  • für sie der Rahmenvertrag gilt und
  • sie die Festpreise gemäß der Arzneimittelpreisverordnung beachten – was impliziert, dass sie auch keine Zuwendungen gewähren dürfen.

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich einen Verweis auf die neuen SGB-V-Regelungen in §7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) aufgenommen. Damit ist klargestellt, dass Verstöße gegen die neuen Preisvorschriften im SGB V zugleich auch Verstöße gegen das HWG sein und folglich auch wettbewerbsrechtlich relevant werden können.

Auch zu Coronazeiten sollten Sie deshalb das HWG niemals aus den Augen verlieren. Die praktische Relevanz ist enorm: Denn jedes Jahr ergehen zahlreiche Entscheidungen, die sich darum ranken, wie insbesondere §7 HWG auszulegen ist. So sind zwar etwa

  • Preisnachlässe,
  • Werbegeschenke,
  • das Angebot "Zwei zum Preis von Einem" oder
  • die Koppelung von Produktangeboten und Gewinnspielen

im allgemeinen Handel gängige Werbemittel. Im Anwendungsbereich des HWG macht das Recht allerdings deutlich strengere Vorgaben. Endverbraucher sollen auf diese Weise vor unsachlichen Beeinflussungen geschützt werden, wenn sie Heilmittel erwerben. Das Ziel: Man will man einen Zuviel- oder Fehlgebrauch verhindern.

Gewinne, Gewinne, Gewinne!?

Werbegaben in diesem Sinne können nicht nur Rabatte, Gutscheine, Bonustaler, Werbegeschenke und Warenmuster sein, sondern auch die Möglichkeit, an einem Gewinnspiel von Versandapotheken teilzunehmen. Darum ging es nämlich in einem Fall, über den der Bundesgerichtshof (BGH) zuletzt zu entscheiden hatte (Beschluss vom 20.02.2020, Aktenzeichen: I ZR 214/18): Kunden, die bei einer Versandapotheke ein Rezept einreichten, nahmen hier an der Verlosung eines E-Bikes im Wert von 2.500 € teil. Außerdem waren neun hochwertige elektrische Zahnbürsten ausgelobt.

Auch wenn die Patienten für die Teilnahme kein konkretes Arzneimittel erwerben mussten, wurden sie durch die Gewinnaussichten dennoch dazu verleitet, auf eine objektiv in ihrem Interesse liegende Beratung in der stationären Apotheke zu verzichten – was unvernünftig sein kann. Die Entscheidung von Patienten, ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel über eine in- oder ausländische Versandapotheke statt in einer stationären Offizin (mit der Möglichkeit zur objektiv benötigten Beratung) zu beziehen, sollte stets auf sachlichen Gründen beruhen – und nicht durch zufällige "Reize" beeinflusst werden.

Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Sache sieht, muss sich nun zeigen. Eine Entscheidung, um die der BGH gebeten hat, soll schon am 15. Juli dieses Jahres verkündet werden (Aktenzeichen des anhängigen Verfahrens: C-190/20). Jedenfalls ist es besonders wichtig, dass diese Entscheidung hoffentlich im Sinne der Vor-Ort-Apotheken noch fällt, bevor das E-Rezept hierzulande flächendeckend eingeführt wird. Denn spätestens dann dürfte ein ganzer Strauß an rezeptbezogenen Werbestrategien aus dem Boden sprießen.

Auch Arzt-Apotheken-Plattformen umwerben die Patienten schon derzeit mit vielen Zuwendungen, damit diese sich für die umfassende und medienbruchfreie "Online-Abwicklung" ihrer gesundheitlichen Belange entscheiden. Hier spielt etwa auch das umgedrehte Verhältnis zwischen Patienten und Ärzten eine Rolle. Denn wenn die Patienten Medikamente über die Plattform anfordern, fungieren die Ärzte überwiegend nur noch als "Verschreibungsdienstleister" – was übrigens auch mit dem Selbstverständnis des ärztlichen Berufsstandes nicht in Einklang zu bringen sein dürfte.

Leere Versprechungen?

Manchmal versprechen Apotheken (zumindest auf den ersten Blick) mehr, als sie tatsächlich halten, um die Patienten dazu zu bewegen, Rezepte bei ihnen einzulösen. Dies zeigt auch eine aktuelle, noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Leipzig (Urteil vom 20.05.2021, Aktenzeichen: 04 HK O 159/21).

Danach muss der Hinweis, dass Käufe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln nicht in einem Bonusprogramm berücksichtigt werden, "in engem räumlichen Bezug zu den blickfangartig hervorgehobenen, werbenden Angaben zum Bonusprogramm deutlich erkennbar angebracht und ausreichend aufklärend sein bzw. der Betrachter müsste durch ein deutliches Zeichen zum Hinweis geführt werden." Ein Hinweis unter "weitere Informationen im Überblick" jedoch reiche dazu nicht aus – gerade wenn er so angebracht ist, dass ihn ein "erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise" nicht wahrnehme und daher in die Irre geführt werde.

Kreativität nur innerhalbdes rechtlichen Rahmens

Zunächst waren es die Verteilung von Gratismasken und die Durchführung von Bürgertests, nun folgt die Ausstellung der digitalen COVID-19-Impfzertifikate: Nicht wenige Apotheken starten im Zusammenhang mit diesen neuen Aufgaben starke werbliche Aktivitäten. Zum einen, weil die Vergütung – zumindest jeweils zu Beginn – recht attraktiv war, und zum anderen, weil sich die Apotheken dadurch versprechen, die Kundenbindung nachhaltig zu fördern bzw. neue Kunden zu gewinnen.

Wer an diese (und auch weitere) neuen Dienstleistungen Rabatte, Zugaben oder Gutscheine koppelt, wirft verschiedene Fragen auf, wie etwa: Ist die Verordnung zur Abrechnung der COVID-19-Impfzertifikate eine Marktverhaltensregelung, die einen entsprechenden Wettbewerb der Apotheken untereinander verbietet? Ähnlich wie bei den Masken-Rabatten dürfte das zwar eher nicht der Fall sein. Allerdings gibt es noch keine "Erfahrungswerte" dazu, wie die Rechtsprechung zu diesbezüglicher Werbung steht.

Manch einer entwickelt auf die Neuerungen fußende eigene innovative Konzepte, die aber möglicherweise die rechtlichen Rahmenbedingungen außer Acht lassen. Ein aktuelles Beispiel ist das Angebot, das digitale COVID-19- Impfzertifikat auf der Basis von elektronisch übermittelten Impf- und Ausweisdokumenten auszustellen – was laut Bundesgesundheitsministerium nicht zulässig ist.

Denn wie sollten sich die beiden Dokumente in einem online durchgeführten Verfahren so sicher überprüfen lassen wie vor Ort? Auch ein sogenanntes "VideoIdent"-Verfahren hilft an dieser Stelle nicht weiter. Um einen Missbrauch zu verhindern, sollten die Geimpften die Apotheke (oder natürlich auch die Arztpraxis sowie sonstige IT-affine Drittunternehmen) also vielmehr persönlich aufsuchen (müssen).

Insbesondere erfüllt eine solche Online-Prüfung nicht die Voraussetzungen des §22 Abs. 5 Nr. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG), wonach eine Impfdokumentation "vorzulegen" ist. Zudem verweist §6 Abs. 5 der Coronavirus-Impfverordnung darauf, dass Sie die Zertifikate erst ausstellen dürfen, nachdem Sie die Identität der geimpften Person im Sinne des §22 Abs. 5 IfSG überprüft haben. Hier drohen nicht zuletzt auch strafrechtliche Konsequenzen.

Übrigens: Bei Familien kann es ausreichen, dass nur ein Elternteil in die Apotheke kommt und Impfbücher sowie Ausweise der kompletten Familie vorlegt. Sie bzw. Ihre Mitarbeiter müssen aber in jedem Fall entscheiden, ob die Prüfung auf Plausibilität anhand der vorgelegten Dokumente möglich ist.

Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(13):14-14