Was sind wir wert?

Dienstleistungen richtig einpreisen


Dr. Michael Brysch

Das Auf und Ab der Honorare für Tests und Impfzertifikate sowie die ins Haus stehenden neuen pharmazeutischen Dienstleistungen werfen die Frage auf, zu welchem Preis Apotheken zusätzliche Tätigkeiten verkaufen sollten. Hier die Anleitung zur Entscheidungsfindung.

In den nächsten Wochen sollte der Schleier gelüftet werden: Welche Dienstleistungen werden ab 2022 separat honoriert? Bis dato wird verhandelt, und über die konkreten Leistungen ist wenig bekannt. Nur so viel: Sie sollen die Bereiche Medikationsmanagement, Prävention und Förderung der Patientenadhärenz bzw. Patientenbegleitung mitsamt erweiterter Anwendungsberatung umfassen. Um starten zu können, sind möglicherweise noch Schulungen oder andere Vorbereitungen (z.B. hinsichtlich EDV) nötig.

Die Entscheidung Ihrerseits, ob Sie überhaupt mitmachen wollen, sollte bald nach Veröffentlichung des konkreten Leistungskatalogs fallen. Bei einem Gesamtvolumen von 150 Mio. € netto (die Summe aus 20 Cent je Rx-Packung) bzw. knapp 8.000 € je Apotheke ist die Gefahr real, sich in erster Linie Zusatzarbeit „einzukaufen“.

Mehrere Rechenwege

Der einfachste Kalkulationsansatz lautet: Man nehme seine für die Leistung direkt angefallenen Kosten, und rechne einen gewünschten Gewinn in Euro und Cent sowie gegebenenfalls die Mehrwertsteuer obenauf. Das ist als Teilkostenrechnung bekannt. Bei Leistungen, die zusätzlich bei bereits vorhandener Infrastruktur erbracht werden, mag dies auf den ersten Blick Zusatzgewinne versprechen. Das ja nicht ganz falsche Argument lautet dann, dass Miete, Einrichtung, Steuerberater usw. ja „sowieso“ bezahlt werden. „Erbringen Sie die Leistung nicht, haben Sie weniger, aber die erwähnten Kosten trotzdem“, würde Ihr Gegenüber in einer Verhandlung argumentieren, um die Preise zu drücken. Im Falle einer schlechten Auslastung, von Personalüberhang (der nicht abgebaut werden kann) und einem schwierigem Geschäftsgang würden Sie zu diesem Strohhalm greifen – Hauptsache, es geht erst einmal weiter.

Faktisch muss aber auch die Infrastruktur getragen werden, und zwar idealerweise von allen erbrachten Leistungen und Verkäufen – in Form eines „Deckungsbeitrags“, der im Minimum die gesamten Betriebskosten abdecken sollte.

Doch von einer Kostendeckung allein leben Sie nicht. Zumindest die bisher erzielte Gewinnmarge sollte herausschauen. Nur dann kommt es zu keiner „Gewinnverwässerung“. Im Idealfall wirft die neue Leistung sogar eine höhere Gewinnmarge ab, trägt also zur Renditeverbesserung bei. Bei neu ins Programm genommenen Leistungen (oder Produkten) sollte das stets der Fall sein, während man sich von renditeschwachen oder gar defizitären Produkten eher trennt. So geht man jedenfalls in der Industrie vor – und zwar konsequent. Dort werden selbst stabile, gewinnbringende Geschäftsbereiche verkauft, wenn das Kerngeschäft erheblich bessere Renditen erwirtschaftet. Der Fokus mitsamt Investitionen kann dann auf diese „Perlen“ konzentriert werden.

Praktische Rechnungen

Rechnen wir das nun praktisch durch. Grob, aber in guter Näherung, teilt sich der Rohgewinn einer Apotheke wie folgt auf:

  • Personalkosten 45%,
  • sonstige Kosten 30%,
  • Gewinn 25%.

Diese Aufteilung stimmt (Corona-Verwerfungen außen vor) recht genau. Wer individuell und feiner rechnen will, sei auf eine Excel-Datei zum Download verwiesen (vgl. den Service-Kasten).

Basierend auf dieser Rohgewinnaufteilung lassen sich nun anhand einiger Modellfälle die erforderlichen Stunden- bzw. gar Minutensätze überschlagen, die eine neue Dienstleistung mindestens einspielen sollte (Tabelle 1). Wir gehen von zwei unterschiedlich hoch bezahlten PTA und Approbierten aus, deren Jahres-Lohnkosten wir mit der Faustformel „Monats-Bruttogehalt mal 16“ abschätzen. Damit haben wir die Nebenkosten recht gut erfasst. Diese Jahreskosten, stets als Vollzeitstelle ausgewiesen, legen wir nun auf die Zahl der effektiv geleisteten Jahresarbeitsstunden um. Bei einer 40-Stunden-Woche sind das erfahrungsgemäß 1.700 bis gut 1.750 Stunden p.a. Wir rechnen zurückhaltend mit 1.700 Stunden. Betriebswirtschaftliche Füchse werden einwerfen, dass man im Grunde nicht von einer Vollauslastung ausgehen kann, also eher noch einen Zeitabschlag von 10% bis 20% machen müsste. Wir lassen das hier aber mal außen vor.

Damit ergeben sich die direkten Gesamtpersonalkosten je Stunde oder Minute. Diese müssen immer erwirtschaftet werden, sonst legen Sie in Euro und Cent drauf. Eine Jung-PTA kommt da mit rund 24 € pro Stunde weg, approbierte Kräfte sind kaum unter 35 € anzusetzen und können die 50-€-Grenze rasch überschreiten (Tabelle 1).

Sollen noch die übrigen Betriebskosten erwirtschaftet werden, müssen die Stundensätze im Verhältnis der Anteile am Rohgewinn steigen, hier also um den Faktor 1,67, der sich aus der jetzt zu deckenden Kostensumme bezogen auf den Personalkostenanteil ergibt, also (45%+30%) ÷ 45%. Damit erhöhen sich die anzusetzenden Stundensätze schon auf 40 € für die Jung-PTA und auf über 90 € bei leitenden Approbierten.

Gewinne zählen!

Von einer Kostendeckung leben Sie indes nicht. Eine neue Leistung sollte in jedem Falle Ihre bisherige Gewinnmarge einspielen. Damit müssen die Stundensätze in den Beispielen um den Faktor 2,22 steigen, der sich aus der jetzt zu deckenden Kostensumme plus Gewinnanteil bezogen auf den Personalkostenanteil ergibt, also (45%+30%+25%) ÷ 45%.

Damit müssen die Jung-PTA schon 53 € und leitende Approbierte gar 124 € in der Stunde erwirtschaften. Gegebenenfalls ist auf all diese Sätze noch die Mehrwertsteuer aufzuschlagen. Diese Betrachtung illustriert, warum Sie entsprechende Stundensätze auf Handwerker- oder Werkstattrechnungen sehen (je nachdem, wie diese Anbieter ihre Ertragsverteilung kalkulieren).

Nebenbei: Diese Werte zeigen auch, welche Stundenleistungen sonst im täglichen Betrieb mindestens erbracht werden müssen!

Ja oder nein?

Mit diesen Stundensätzen im Hinterkopf können Sie nun realistisch die Dienstleistungen prüfen – je nachdem, welches Personal Sie dafür vorsehen. Für sich selbst sollten Sie mindestens den Satz für leitende Approbierte ansetzen, eher etwas höher.

Als Basis für die Berechnung gilt es zuerst, den Zeitaufwand realistisch einzuschätzen. Ein Medikationscheck, der z.B. eine halbe Stunde in Anspruch nimmt und typischerweise von Approbierten durchgeführt werden muss, sollte demzufolge bei Erhalt der Gewinnmarge gut 40 € bis 60 € plus Mehrwertsteuer einspielen.

Für die Entscheidungsfindung sind aber neben der kaufmännischen Betrachtung auch strategische Aspekte wichtig. Welchen Wettbewerbsnachteil werden Sie mittelfristig erfahren, wenn Sie diese Leistungen nicht anbieten? Ein damit verbundener Kundenschwund dreht die Rechnungen natürlich noch einmal komplett um. Insoweit ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass die anfänglichen Summen und Leistungsumfänge noch eher klein sind. So können Sie sich in die Thematik hineintasten, ohne dass bislang schon allzu viel auf dem Spiel steht.

Service

Auf OneDrive finden Sie diverse Rechenblätter des Autors – nicht nur zu diesem Thema.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(14):4-4