Urteile des Bundesfinanzhofs zur Rentenbesteuerung

Doppelbesteuerung: Ja oder nein?


Helmut Lehr

Lange hat man die aktuellen „Rentenurteile“ des obersten Steuergerichts herbeigesehnt. Auf den ersten Blick halten sie allerdings nicht, was sich viele davon versprochen haben. Dennoch besteht Hoffnung, dass die Besteuerung der Altersrenten ein weiteres Mal reformiert wird.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits vor einiger Zeit in seiner Grundsatzentscheidung zur Rentenbesteuerung klargestellt, dass die Besteuerungen

  • von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und
  • von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen („Renten“)

so abzustimmen sind, dass nichts doppelt erfasst wird (Urteil vom 06.03.2002, Aktenzeichen: 2 BvL 17/99). Daraufhin hat der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen und die Rentenbesteuerung komplett neu geregelt: In einer langen Übergangsphase wurde und wird der Besteuerungsanteil der Renten schrittweise erhöht (bis 2040 auf 100%). Daneben steigt auch der als Sonderausgaben abzugsfähige Teil der „Rentenbeiträge“ weiter an.

Am 19. Mai dieses Jahres hat der Bundesfinanzhof nun zur vermeintlichen Doppelbesteuerung der Altersrente entschieden. Weil sich eine doppelte Besteuerung in Einzelfällen (noch) nicht nachweisen ließ, hat er u.a. die Klage eines Steuerberaters in eigener Sache abgewiesen (Aktenzeichen: X R 33/19). Auch scheiterte die Klage eines Zahnarztes, der als Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung geblieben ist (Aktenzeichen: X R 20/19).

Komplizierte Berechnung nötig

Obwohl die Klagen keinen Erfolg hatten, drängt sich die Doppelbesteuerungsproblematik für künftige Renteneintrittsjahrgänge geradezu auf: Wenn man sich vergegenwärtigt, dass Steuerpflichtige, die 2021 in Rente gehen, bereits 81% ihrer Altersrente versteuern müssen und dieser Anteil für spätere Renteneintrittsjahrgänge weiter steigt, wird schnell klar, dass die Besteuerungsanteile aus den Streitjahren 2007 (54% für den Steuerberater) und 2009 (58% für den Zahnarzt) noch vergleichsweise gering waren.

Der Bundesfinanzhof hat in beiden Urteilen grundlegend Stellung bezogen und wichtige Berechnungsparameter aufgezeigt, an denen sich die Praxis künftig zu orientieren hat. Unterm Strich muss geprüft werden, ob

  • die Summe der vom jeweiligen Steuerpflichtigen aus versteuertem Einkommen geleisteten Rentenversicherungsbeiträge höher ist als
  • die Summe der steuerfrei bleibenden Teile der voraussichtlichen künftigen Rentenbezüge.

Wäre das der Fall, läge tatsächlich eine unzulässige Doppelbesteuerung vor. Allerdings ist die Berechnung, ob bzw. in welcher Höhe doppelt besteuert wird, derart komplex, dass Finanzbeamte und Steuerberater ihre liebe Mühe haben werden, um zu annähernd richtigen Ergebnissen zu gelangen.

Ein weiteres Problem: Der Bundesfinanzhof bürdet die Beweislast für eine etwaige Doppelbesteuerung der Rente dem Steuerpflichtigen auf („Erwerbsbiografie und Rentenversicherungsverlauf“): Womöglich sind dafür die Steuerbescheide der letzten 25 bis 40 Jahre heranzuziehen – die aber nur in den wenigsten Fällen vollständig vorliegen werden, und bei der Finanzverwaltung ohnehin nicht.

Hinweis: Wenn Sie jetzt oder in den nächsten Jahren in Rente gehen, sollten Sie in jedem Fall prüfen lassen, ob die Rente (teilweise) doppelt besteuert wird. Legen Sie gegebenenfalls Rechtsmittel ein, sofern die Finanzverwaltung die Steuerbescheide insoweit nicht wieder mit einem Vorläufigkeitsvermerk versieht. Unabhängig davon ist die Politik gefordert, mit einer erneuten Reform der Rentenbesteuerung für klare und verlässliche Leitlinien zu sorgen.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(14):18-18