Nicht nur die Risiken sehen

Wie Ihnen das E-Rezept den Alltag erleichtert


Monika Karos

Der Umstieg vom rosafarbenen Muster-16-Papierrezept auf die digitale Verordnung ist bekanntlich ein markanter Einschnitt im Apothekenmarkt. Im Interview erläutert Apothekeninhaber Florian Köster, wie er die anstehenden Veränderungen angeht.

Florian Köster, der sich mit Anfang 30 selbst zu den „jungen Wilden“ zählt, ist Inhaber der Cothenius-Apotheke in Anklam, einer klassischen Ärztehaus-Apotheke, die aber als zertifizierte Ausbildungsapotheke viele Teilbereiche der Pharmazie bedient – sei es die Heimversorgung mit Blistern, die Opiatsubstitution oder die digitalisierte Pflegedienstbetreuung. Im AWA 6/2021, S. 8f., hat Köster bereits über seine Erfahrungen mit der Inkontinenzversorgung berichtet.

Welche Vorteile bringt das E-Rezept Ihnen als Apotheker?

Köster: Zahlreiche Vereinfachungen im Bereich der Arzneimittelsicherheit stehen im Vordergrund. Verordnungen, die aufgrund der Arzthandschrift oder einer veralteten Praxissoftware unklar sind, sollte es zukünftig nicht mehr geben, sodass keine Zweifel mehr daran bestehen, welches Arzneimittel der Verordnende nun gemeint haben könnte.

Die direkte Nachvollziehbarkeit der Verordnung ist auch für den Arzt ein immenser Gewinn und wird in der Apotheke ebenfalls Folgen haben. Sofern deutlich wird, dass die Apotheke immer nur dann ein anderes Arzneimittel als das ursprünglich verordnete abgibt, wenn sie pharmazeutische Bedenken hat, muss direkter miteinander geredet werden. Das wird auf lange Sicht einen besseren Dialog auf Augenhöhe und eine Profilierung der Apothekerschaft nach sich ziehen – auch wenn es zu Beginn höchstwahrscheinlich viel Redebedarf geben dürfte.

Das E-Rezept ist es eine Zäsur im Gesundheitswesen und mischt die Karten neu. Die lokale Apotheke kann sich als moderner Ort der Gesundheit innovativ gegenüber veralteter Praxissoftware, faxliebenden Krankenkassen und marketingaktiven Internetversendern inszenieren. Natürlich muss man das entsprechende Mindset mitbringen – also frühzeitig mitspielen, nicht in der Deckung verharren und offensiv vorangehen.

Wie haben Sie sich auf das E-Rezept vorbereitet?

Köster: Wir sind in Anklam seit der ersten Welle an die Telematikinfrastruktur angeschlossen und haben gerade durch die Optimierung des Backoffice Kapazitäten geschaffen, um vom ersten E-Rezept an durchdachte Arbeitsabläufe anbieten zu können. Im Qualitäts-Management-System sind hier analog zu unserem zuvor schon betriebenen Webshop genaue Prozesse definiert worden, um Vorbestellungen, Chatanfragen oder – weiter gedacht – telepharmazeutische Beratungen hürdenlos in den Apothekenalltag zu integrieren. Wir haben

  • den neuen Thematiken bestimmte akustische Signale zugeordnet,
  • den neuen Arbeitsplätzen Kommissioniersystem-Ausgabestellen zugewiesen und
  • spezielle Bereiche im Abholregal für E-Rezept-Bestellungen geschaffen.

Im Regal liegt dann auch für jede Reservierung ein Flyer für unsere hauseigene App bereit, um die Patienten noch früher abholen zu können.

Durch eine offene Kommunikation und die Einbeziehung des gesamten Teams sind alle up to date und können dem interessierten Patienten auch jetzt schon Rede und Antwort stehen.

Die Arbeitsplätze im Backoffice sind – wie auch die Kassen – rechenstark gewählt und beispielsweise schon mit Webcams für die Telepharmazie ausgestattet. Zudem ist meine Software bereits jetzt auf das E-Rezept vorbereitet und Gematik-konform. Die Kassen in der Offizin sind modular in die Handverkaufs (HV)-Tische eingebettet und erweiterbar, sodass beispielsweise neue Scanner möglichst in Richtung der Patienten ausgerichtet werden können.

Zusätzlich zur Hardware nutzen wir auch die Software aktiv, z.B. mittels Anschlüssen an Marktplatz-Lösungen und Webshop-Systeme. So können wir schon jetzt E-Rezepte aus den Modellprojekten der Techniker Krankenkasse oder aus telemedizinischen Anwendungen empfangen.

Welche Anforderungen haben Sie an eine Software?

Köster: In meinen Augen muss Software nicht nur umsetzen, was gesetzlich gefordert ist, sondern Dinge abbilden, die Alleinstellungsmerkmale bilden – weiterdenken also! Besonders gefallen mir durchdachte Module, die z.B. statistische Werte da ausweisen, wo ich nicht damit gerechnet hätte, wie etwa Rohgewinne in Pflegehilfsmittelabrechnungen. Wichtig ist mir auch das direkte Feedback in ein Ticketing-System, sodass jeder User seine Gedanken an die Programmierer zurückspielen kann, um Fehler auszumerzen und Optimierungen auch bei uralten Versionen immer weiter zu treiben.

Was verändert sich durch das E-Rezept?

Köster: Die größte Angst der Technik-Muffel ist, dass sich alles ändert. Genau das Gegenteil ist allerdings der Fall! Vom Arbeitsablauf ändert sich in der Kassensoftware (fast) nichts – abgesehen davon, dass durch ein Symbol angezeigt wird, dass es sich um ein E-Rezept handelt. Ob ein Rezeptscanner ein A6-Blatt Papier einlesen muss oder ein digitaler Datensatz durch das Scannen eines QR-Codes in das Rezeptbearbeitungsprogramm gelangt, führt doch zum gleichen Ergebnis. Das gilt auch für die Prüfung der Rezeptdaten und die Anpassung an die individuellen Anforderungen sowohl der Patienten als auch der Krankenversicherungen. Die bereits etablierten Arbeitsabläufe werden also nicht entscheidend geändert.

Welche digitalen Eingangskanäle planen Sie zu nutzen?

Köster: Wir setzen vor allem auf Apps, über die sich die E-Rezepte mit den Stammkundenkarten „vernetzen“ lassen. So können wir digitale Kassenbons ausstellen, die Vorgangsverläufe nachvollziehen und individuelle Rabattmodelle fahren. Weitere Vorteile: Die Kunden sehen die Preise, können die Verfügbarkeit checken und auch gleich mit uns kommunizieren.

Daher müssen die verwendeten Patienten-Apps der Hauptbestandteil einer jeden E-Rezept-Strategie sein. Ich werde weiterhin alle anderen Eingangskanäle für das E-Rezept bedienen. Aber wenn man den eintreffenden Strom lenken kann, würde ich immer versuchen, so nah wie möglich an meinen Services zu arbeiten.

Haben Sie Ihre Kunden schon auf das E-Rezept vorbereitet?

Köster: Gerade Stammkunden mit besonderen Rabattmodellen haben wir schon direkt an uns gebunden und empfangen ihre Bestellungen sowie Reservierungen meist digital. Aber auch andere Patienten erkennen leicht, wie vorteilhaft es ist, schon mal aus der Ferne vorzubestellen: Weil wir die „besonderen“ Arzneimittel von Fachärzten nicht immer an Lager haben, müssten diese Patienten ansonsten häufig zweimal in die Apotheke kommen. Das E-Rezept eilt aber digital dem Weg in die Apotheke voraus – und so ist oft nur noch ein Besuch vonnöten.

Was bedeutet das E-Rezept für die Arzt-Apotheker-Beziehung?

Köster: Die interdisziplinäre Kommunikation wird durch das E-Rezept auf ein neues Level gehoben. Der Arzt wird in Zukunft genau sehen können, was in der Apotheke passiert ist, z.B.

  • welche Generika abgegeben worden sind, weil er eventuell kein Aut-idem-Kreuz gesetzt hat, oder
  • wie wir Apotheker im Notdienst mit zwei N1-Packungen jonglieren mussten, um die verschriebene Antibiose möglichst gut und schnell umsetzen zu können.

Natürlich bergen diese neuen Abläufe auch Risiken für mögliche Missverständnisse – aber es ist, wie ja eingangs schon erwähnt, gleichzeitig eine Chance, interdisziplinär auf Augenhöhe zu kommunizieren und sich deutlich als Arzneimittelexperten zu positionieren. Keine Faxe mit Kontraindikationen mehr, sondern direkte Chats mit fundierten Aussagen in Fachsprache.

Monika Karos, Marketingleitung Pharmatechnik GmbH & Co. KG, 82319 Starnberg, E-Mail: m.karos@pharmatechnik.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(14):8-8