Nähe trotz Distanz

Wie Sie Kunden in der Krise an sich binden


Andreas Kinzel

Die Coronakrise verändert unser aller Leben – und somit auch das der Kunden. Wie stellen Sie sich auf die neuen, hieraus resultierenden Anforderungen ein? Wie können Sie Ihre Kunden über eine adäquate Preispolitik und einen hervorragenden Service weiterhin an Ihre Apotheke binden?

Als Apotheker sind wir sowohl Gesundheitsdienstleister als auch Kaufleute – wobei stets die Patienten bzw. Kunden im Mittelpunkt stehen. Denn sie kaufen heilberufliche Leistungen und bringen uns damit Umsatz und Gewinn. Unser Ziel muss es deswegen auch in diesen Krisenzeiten immer sein, das Image der Apotheke positiv zu schärfen – sowohl was die Sortimentsauswahl und die Preispolitik als auch die Beratungsqualität und die Kundenorientierung betrifft.

Agieren statt reagieren

Dazu genügt es jedoch nicht, die Krise einfach auszusitzen. Vielmehr kommt es darauf an, sich auf die ständigen Veränderungen einzustellen. Um nur zwei davon zu nennen: Die Digitalisierung hat bekanntlich einen kräftigen Schub erfahren. Und auch das One-Stop-Shopping – also das Einkaufen an einem bzw. möglichst wenigen Kontaktpunkten – erfreut sich großer Beliebtheit.

In der Folge sind Angebote wie Click&Collect oder Botendienste in der letzten Zeit stark ausgebaut worden – was nicht zuletzt sinnvoll ist, um gegenüber den reinen Versendern zu punkten. Bei Click&Collect und teils auch beim Botendienst wird dann aus der Ferne bestellt. „Technische“ Erfolgsfaktoren dafür sind:

  • eine ansprechende und topaktuelle Website sowie
  • ein effektives Vorbestellsystem, das eine reibungslos-zuverlässige Abwicklung garantiert.

Übrigens: Weil viele „One-Stop-Shopping-Kunden“ eben nicht nur telefonisch oder online vorbestellen, zahlt sich ein auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtetes, gut sortiertes Lager nach wie vor aus.

Bleibt alles anders?

Hygienemaßnahmen wie Spuckschutz und Abstandsregeln erhöhen die physische Distanz zum Kunden. Daher gilt das Prinzip: „Emotionale Nähe trotz körperlicher Distanz“. Dazu zählt zum einen die klassisch-empathische Kommunikation. Zum anderen können Sie aber auch erheiternde Gimmicks verwenden, wie z.B. Comics oder Smileys, die – auf den Plexiglaswänden angebracht oder auf den Boden geklebt – auf die entsprechenden Abstandsregeln hinweisen. Ganz nach dem Motto: Besser lächelnde Gesichter als altes Paketband!

Vergessen Sie nicht, dass sich der Bedarf der Kunden verändert hat: Grundsätzlich ist die Nachfrage nach dekorativer Kosmetik, Erkältungsprodukten und Reisemedikation gesunken. Dafür haben das Masketragen und das häufige Händewaschen bzw. -desinfizieren den Bedarf an Präparaten zur Behandlung von unreiner Haut und trockenen Händen nach oben getrieben. Ebenfalls gestiegen – wohl insbesondere durchs Homeoffice am heimischen Esstisch – ist die Nachfrage nach Rückenschmerz-Therapeutika. Stellen Sie sich aktiv auf solche Veränderungen ein – und beobachten Sie genau, was sich mit der Zeit noch wandelt!

Das bedeutet auch, dass Sie Ihren Einkauf keinesfalls „wie immer“ gestalten sollten: Verlassen Sie sich also nicht nur auf die Bestellvorschläge Ihrer Software und die Durchschnittswerte der jüngeren Vergangenheit. Denn wenn Sie sich z.B. an der Ausnahme-Corona-Saison orientieren, würde schnell nur noch eine Schachtel Ibuprofen Ihre Sichtwahl zieren – während drei Packungen Rosuvastatin in der Schublade lägen. Analog dürfte der Bedarf an Paracetamol in der nächsten Zeit geringer ausfallen als zu den „Hamsterzeiten“ im Frühjahr 2020. Planen Sie Ihr Sortiment also stets mit entsprechendem Augenmaß!

Alles hat seinen Preis

Der Preis ist dabei immer mit dem Image verknüpft. Falls Sie z.B. de facto die gleichen Masken wie die Drogerie nebenan anbieten, nur wesentlich teurer, dann sind die Kunden schnell enttäuscht, wenn sie das merken. Denn „teuer“ kann jeder. Ihr Preisimage wäre somit negativ besetzt. Bieten Sie zumindest die gleiche Qualität zu (fast) gleichen Preisen an. Ganz so wie in Nicht-Krisen-Zeiten sollten Sie den Kunden zudem im Gespräch verdeutlichen, warum ein Produkt bei Ihnen vielleicht doch mal etwas teurer ist als in der Drogerie nebenan. Denn die Kunden zeigen sich oft verständnisvoll, wenn Sie als lokaler Einzelhändler z.B. mit logistischen Kostenfaktoren argumentieren, also etwa damit, dass Sie dem Großhandel nur kleinere Einkaufsmengen abnehmen (können) als eine große Kette – und deswegen selbst auch höhere Preise zahlen müssen.

Besser aber noch: Verlangen Sie zwar einen höheren (jedoch immer noch fairen!) Preis, bieten Sie den Kunden dafür aber mehr als Ihre Mitbewerber – was Sie natürlich unbedingt kommunizieren sollten! Dieser Mehrwert kann beispielsweise aus Ihrem Service resultieren – vor allem also aus der hervorragenden Beratung, aber auch aus einem Lieferdienst oder einer Garantie.

Der Mehrwert kann aber auch im Produkt begründet sein. Welchen Vorteil bieten z.B. Ihre Masken?

  • Können die Kunden leichter durch sie atmen als durch Konkurrenzprodukte?
  • Sind sie mikrofaserfrei?
  • Befinden sich Trocknungsmittel in jeder einzelnen Packung?
  • Oder liegt der Vorteil schlicht im „Made in Germany“?

Tipp: Wenn es Ihnen – wie vereinfacht in Tabelle 1 dargestellt – gelingt, Ihren Absatz durch einen geringeren Aufschlag (z.B. von 65% statt 100%) zu steigern (z.B. auf das Doppelte), erwirtschaften Sie nicht nur einen höheren Gewinn, sondern profitieren zusätzlich von einem besseren Preisimage.

Übrigens: Mit der Zeit kann sich die Wahrnehmung von Preisen durchaus ändern. So reagieren die Kunden heute beispielsweise erheblich sensibler auf Anpassungen von FFP2-Maskenpreisen als zu Beginn der Krise.

Anonymitäts-Ausweg Apotheke

Für den Mehrwert, den die Apotheke bieten kann, spielt in der Krise auch die physische und psychische Isolation eine wichtige Rolle: Bringt ansonsten die Kaffeemaschine in der Kantine oder der Sport die Menschen zusammen, bleiben viele derzeit im Lockdown bzw. Homeoffice allein.

Holen Sie die Kunden hier ab! Holen Sie sie aus der Anonymität! Selbst wenn die Maske und der Covid-Test bei Ihnen etwas teurer sind: Für den sozialen Kontakt zahlt der Kunde diesen Aufpreis gerne. Auch typische Mitnahme- und Impulsartikel wie Bonbons oder der Stift für trockene Lippen können durchaus Katalysatoren sein: Was sonst als Impulskaufartikel vor allem den Umsatz steigern soll, dient jetzt überdies als soziale Brücke.

Tipp: Wie auch in Nicht-Krisen-Zeiten gilt, dass Sie keine Ware verstecken sollten. Denn nur das, was der Kunde sieht, kann ihm einen Kaufimpuls bieten.

Das Team nicht vergessen

Ist die Kundenfrequenz in wohnortnahen Apotheken durch Homeschooling, Homeoffice und Kurzarbeit gestiegen (vgl. auch AWA 10/2021, S. 10f.), reibt sich das Team oft in Mehrarbeit und damit in Stress auf. Deswegen sollten Sie gerade dann nicht vergessen, Ihre Mitarbeiter zu motivieren: Zeigen Sie ihnen Ihre Wertschätzung für das, was sie in der Krise bereits geleistet haben, z.B. indem Sie ihnen

  • eine Coronaprämie zahlen (vgl. AWA 12/2021, S. 18) oder
  • zusätzliche Urlaubstage gewähren.

Das ist nicht zuletzt sinnvoll, weil zufriedene Mitarbeiter ihre Zufriedenheit an die Kunden weitergeben. Und bekanntlich kaufen zufriedene Kunden ja mehr!

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(14):10-10