Editorial

Digitale Lehrstunde


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Liebe Leserinnen und Leser,

etliche deutsche (IT-)Debakel, nicht nur das Drama um die Impfzertifikate, lehren: Das einstige Aushängeschild „Made in Germany“ kehrt zu seinen ursprünglichen Wurzeln zurück. So war doch dieses Label einst zum Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten dazu gedacht, deutsche Produkte gezielt abzuwerten. Doch es kam anders, „deutsche Wertarbeit“ wurde zum weltweiten Markenzeichen. Nach einer langen Blüte unserer technischen Kompetenzen verlieren wir allerdings mehr und mehr den Anschluss. Aber wir wollen es nicht wahrhaben. Allzu oft überspielen wir das dann durch geschäftigen Dilettantismus.

Vor diesem Hintergrund ist auch die momentane „App-Mania“ äußerst kritisch zu sehen, zumal sie allzu gerne von unbekannten Klein- und Kleinstfirmen vorangetrieben wird. Alle möglichen Apps und internetbasierten Anwendungen erinnern an einen Goldrausch, der auf dem besten Wege ist, unsere Rechner mit allerlei Schnickschnack förmlich zu infizieren, und dessen Risiken wir nur schwer abschätzen können.

Digitalisierung in den nötigen, infrastrukturellen Dimensionen ist nichts für eine Feilbietung auf einem zersplitterten IT-Markt voller Bastler-Firmen. Sie lässt sich auch nicht mit klandestiner Engstirnigkeit unter dem Altar der Partikularinteressen bewältigen. Sie erfordert vielmehr die volle Aufmerksamkeit des Staates und all unserer Vertreter – einschließlich der Bereitschaft, in diese digitale Infrastruktur kräftig zu investieren. Und zwar professionell unter Rückgriff auf wissenschaftliche Top-Ressourcen und die fähigsten Anbieter!

Bleiben Sie gesund und sommerlich heiter,

Ihr

Prof. Dr. Reinhard Herzog

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(16):2-2