Raus aus dem Mikromanagement

Mehr Zeit für Unternehmeraufgaben finden


Simon Nattler

Viele Chefs arbeiten selbst und ständig, weil sie ihre Rolle in der Apotheke nicht genügend weiterentwickeln. Das führt nicht nur zu Unzufriedenheit im Team, sondern auch dazu, dass die Chefs (zeitlich) überlastet sind und ihre Energie einbüßen. Was tun?

Apothekeninhaber müssen echte Allroundtalente sein, möchte man meinen. Zusätzlich zu ihren Unternehmeraufgaben und der Expertentätigkeit im Handverkauf übernehmen sie nämlich noch einiges mehr. Tatsächlich lasten sich die meisten Inhaber aber zu viele Aufgaben auf, die eigentlich nicht in ihren Tätigkeitsbereich fallen. Kurzfristig lässt sich das zwar bewerkstelligen, indem man einfach mehr arbeitet. Langfristig wird es aber problematisch, gerade weil wichtige unternehmerische Aufgaben zu kurz kommen.

Ein Schritt zu viel

Viele Inhaber begnügen sich nicht damit, Leiter aller Aufgabenbereiche zu sein, sondern mischen sich auch in jeden noch so kleinen Umsetzungsschritt ein: Entweder verzichten sie weitestgehend auf Delegation, oder sie erwarten, dass ihnen die Mitarbeiter zu wirklich allem einen Zwischenstand geben. Solche Inhaber werden auch Mikromanager genannt.

Grund dafür kann einerseits sein, dass man gerne als Ansprechpartner zur Verfügung steht, um dem Team Sicherheit zu geben und dadurch gleichzeitig das eigene Ansehen zu stärken. Außerdem: Ein Chef, der die Details nicht kennt, ist schließlich kein gutes Vorbild fürs Team – so zumindest der Glaubenssatz.

Andererseits steckt oft auch Misstrauen hinter dem ständigen Einmischen. Dabei spielt es natürlich insbesondere in Apotheken – mit ihren vielen rechtlichen Vorschriften und Risiken – eine Rolle, dass die Chefs eben auch die meiste Verantwortung tragen.

Viele Inhaber befürchten dementsprechend, dass ihrem Team die notwendige Kompetenz oder wichtige Hintergrundinformationen fehlen, um bestimmte Aufgaben allein zu erledigen. Die Konsequenzen wären schlecht ausgeführte Prozesse oder gar falsch getroffene Entscheidungen. Die daraus resultierenden Fehler müssten die Chefs dann selbst wieder korrigieren – was am Ende mehr Zeit frisst als die ursprüngliche Aufgabe.

Druck als Katalysator

Druck wirkt meist wie ein Katalysator für das Mikromanagement: Befindet sich das Unternehmen in einer angespannten oder unüberschaubaren Situation, wie z.B. in der Coronakrise oder auch in einer Filialisierungsphase, bekommt der Inhaber eine Menge Druck zu spüren. Auch die eigenen Mitarbeiter wollen dann Antworten und eine klare Richtung. In solchen Fällen dominiert oft die übergroße Angst vor Fehlern und dem eigenen Kontrollverlust.

Druck kann zudem entstehen, wenn ein guter Mitarbeiter kündigt – wodurch viel Erfahrungswissen verloren geht. Die entstehende Lücke ist zunächst schwer zu füllen, sodass der Inhaber übernimmt und sich mit zumeist hoher Motivation so tief in viele kleine Aufgaben einarbeitet, bis er zum Experten geworden ist.

Das Tückische daran: Während der Applaus für die langfristige Strategieplanung zumeist ausbleibt, hat man hier oft alles unter Kontrolle und kann schnelle Erfolge vorweisen – was nicht zuletzt das Selbstvertrauen steigert.

Die Folge: Der Inhaber macht sich unersetzbar und wird zum Engpass im eigenen Unternehmen, denn er kann sich schließlich nicht klonen. Wird der Schreibtisch immer voller, versucht man zunächst vielleicht noch, mit Zeitmanagementmethoden den letzten Zipfel Produktivität aus dem Alltag herauszuholen. Meistens wird die neu gewonnene Zeit aber nur mit noch mehr Kleinaufgaben gefüllt, die langfristig auszehren.

Schafft es der Mikromanager nicht aus seinem Kosmos heraus, ist er in einem Teufelskreis gefangen: Das ständige Einmischen zermürbt die Mitarbeiter, ihre Arbeitsmoral sinkt, Aufgaben bleiben liegen, und es entstehen mehr Fehler. Der Mikromanager wiederum sieht sich dadurch in seinen Befürchtungen bestätigt und verliert immer mehr Vertrauen in sein Team. Mit der Zeit werden sich die ersten (und meistens die besten) Mitarbeiter eine andere Arbeitsstelle suchen – wodurch der Druck auf den Inhaber weiter zunimmt.

Der Weg aus der Krise

Spätestens wenn auch ein zusätzlich eingestellter Mitarbeiter nicht den erhofften Befreiungsschlag bringt und die Familie unter den langen Arbeitszeiten leidet, erkennen viele Mikromanager ihr Problem.

Die gute Nachricht: Beinahe immer ist es möglich, Aufgabenbereiche an das bestehende Team zu übergeben. Die Aussage „Mit meinen Leuten geht das nicht!“ ist nur eine Ausrede, um es nicht zu versuchen.

Allerdings muss das Team verstehen, dass der Chef es dieses Mal ernst mit der Delegation meint – und warum sie ihm nun so wichtig ist. Dazu empfiehlt es sich, in drei Schritten vorzugehen:

Schritt 1: Vertrauensvorschuss

Auch wenn es schwerfällt: Am Anfang braucht es Geduld! Eine Aufgabe, die der Inhaber seit Jahren für sich beansprucht, kann kein Mitarbeiter auf Anhieb genauso gut ausführen – zumal Mikromanager ihrem Team das selbstständige Arbeiten teilweise regelrecht abtrainiert haben.

Daher gilt: Bei Fehlern nicht sofort abbrechen, sondern darauf vertrauen, dass es die Mitarbeiter mit der Zeit schon wuppen werden, und sie mit Fragen coachen, wie z.B.:

  • Wie könnte die Lösung aussehen?
  • Welche Unterstützung wird benötigt?

Fehler passieren dem Chef ebenfalls. Nur hat er gelernt, darauf zu reagieren, weil ihm auch niemand sofort die Lösung verrät.

Schritt 2: Wissenstransfer

Der Inhaber muss sein eigenes Erfahrungswissen umfassend und am besten schriftlich weitergeben, z.B. in einem internen Wiki. Das Team kann dort bei Fragen jederzeit nachschlagen, anstatt ständig den Chef hinzuziehen zu müssen. Zudem können die Einträge laufend ergänzt werden, sodass sie immer aktuell sind.

Unterstützen lässt sich der Aufbau eines neuen, mit Verantwortung betrauten Teams durch eine Team-Software, über die sich alle Mitarbeiter untereinander vernetzen können. Die Folge sind beschleunigte Abläufe, da der Chef als Engpass entfällt und das Team sich besser gegenseitig hilft.

Ein weiterer Vorteil: Der Inhaber kann mitlesen und bleibt so auf dem Laufenden, ohne aktiv nachhaken zu müssen. Das ist gerade in den ersten Monaten sehr beruhigend.

Schritt 3: Toleranz

Mikromanager müssen ihre Angst überwinden, dass nur sie allein die perfekte Lösung kennen. Herausforderungen können vielmehr oft auf verschiedene Arten gelöst werden. Wenn sich das Team beteiligen darf, steigt die Anzahl der Ansätze – was in der heutigen Welt ein Vorteil ist! Vor allem aber wird die Aufgabe wirklich erledigt, während sie beim Inhaber vermutlich noch Monate schlummern würde.

Langweilig wird es trotzdem nicht

Nach einigen Monaten stellt sich Ihnen dann eine ganz neue Frage: „Was tue ich jetzt mit der neu gewonnenen Zeit?“

Zunächst gilt es, sich die ureigensten Unternehmeraufgaben vorzunehmen. Erst die Arbeit am – statt nur im – Unternehmen sorgt dafür, dass dem Team die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen. Nutzen Sie die Zeit, um

  • Ihre Apotheke zu positionieren,
  • Ihre Online-Strategie umzusetzen und
  • ein lokales Netzwerk aufzubauen.

Über Employer-Branding-Programme wird die Apotheke zudem attraktiver für neues Personal. Beobachten Sie überdies alle Abläufe genau, und trauen Sie sich, nicht mehr benötigte Prozesse abzuschaffen.

Besonders wichtig ist es, Zeit zu investieren, um sich persönlich weiterzuentwickeln und über den Tellerrand zu schauen. Denn jedes Unternehmen wächst nur so viel, wie es die Persönlichkeit des Unternehmers zulässt. Schließlich will niemand, dass die eigenen Leute irgendwann behaupten: „Mit unserem Chef geht das nicht!“

Simon Nattler, Inhaber der ELISANA-Apotheken, Gründer der Team-App apocollect, 45896 Gelsenkirchen, E-Mail: inbox@apocollect.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(16):8-8