Einkünfte, Steuern und Ausgaben

Lehrreiches und Kurioses


Prof. Dr. Reinhard Herzog

In Wahlkampfzeiten spielt gerade das Thema Steuern eine große Rolle. Wir schauen uns die interessantesten Ergebnisse der offiziellen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes an und analysieren, welche Stellhebel des Staates die meisten Einnahmen versprechen.

Politiker sind vor Wahlen nie verlegen, Wohltaten zu versprechen, aber die Einnahmeseite vage zu lassen. Die einen möchten "starke Schultern" höher be-, die anderen gerade diese "starken Schultern" entlasten, um das Wirtschaftswachstum und somit die Steuerbasis zu stärken. Politik und Wunschdenken sind das eine, die wirtschaftliche Realität das andere.

Umsätze

Was wird hierzulande eigentlich umgesetzt? Hier liefert die Umsatzsteuerstatistik gute Einblicke: Im Jahr 2019 betrugen die Lieferungen und Leistungen der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen stolze 6.770 Mrd. € netto, also rund das Doppelte der Wirtschaftsleistung von 3.449 Mrd. €. Fast ein Drittel davon entfiel auf Großunternehmen mit Jahresumsätzen von über 1 Mrd. €.

Kleinere Firmen mit bis 10 Mio. € Umsatz spielten 22% der Umsätze ein. Die mittleren Unternehmen mit 10 bis unter 1.000 Mio. € Jahresumsatz erbringen somit 45% der (mehrwertsteuerpflichtigen) Umsatzleistung. Mit 2.221 Mrd. € schafft das verarbeitende Gewerbe am meisten heran – wir sind immer noch ein starkes Industrieland. Knapp darauf folgt der gesamte Handel (keineswegs nur der Einzelhandel) mit 2.188 Mrd. €! Erst mit großem Abstand kommen dann die Energieversorgung (374 Mrd. €), der Bau (340 Mrd. €), die Dienstleistungen (274 Mrd. €) und etliche andere, noch kleinere Segmente.

Wohin sind die verfügbaren Einkommen von 1.954 Mrd. € 2019 geflossen? Die Ausgaben des einen sind bekanntlich die Einnahmen eines anderen. Stolze 219 Mrd. € wurden gespart (was 2020 pandemiebedingt nochmals stark zugenommen hat). Die restlichen 1.795 Mrd. € flossen in private Konsumausgaben, vor allem der Privathaushalte. Wie sich diese aufteilen, zeigt Abbildung 1.

Am meisten wird für das Wohnen (samt Verbrauchskosten) aufgewendet, auf Platz zwei folgen Mobilität und Kommunikation. Dem leiblichen (Un-)Wohl hat man gut 240 Mrd. € zu Verbraucherpreisen gewidmet – von Biogemüse über Zigaretten bis zu "Hartem" in Flüssigform. Das entspricht rund 2.900 € oder fast dem Vierfachen des Brutto-Apothekenumsatzes pro Kopf. Im Corona-Jahr 2020 wurde für fast 13 Mrd. € (5,2%) mehr gefuttert, getrunken und gequalmt, während der Posten Mobilität und Kommunikation um kräftige 27,5 Mrd. € (rund 10%) sank. Insgesamt gingen die privaten Konsumausgaben 2020 um 4,5% oder 77 Mrd. € zurück. Rein gefühlt war es erheblich mehr.

Umverteilungsmaschine Staat

Atemberaubende 1.800 Mrd. € bzw. 52% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gingen 2019 durch die Hände des Staates sowie der gesetzlichen Sozialversicherungen. 2020 sind coronabedingt alle Grenzen gefallen und die Ausgaben auf 2.070 Mrd. € hochgeschossen – bei einer um 3,4% auf 3.332 Mrd. € gesunkenen Wirtschaftsleistung ein Anteil von 62%. Der Anstieg ging quer durch den Bund, die Länder und Gemeinden sowie die Sozialversicherungen, wobei der Bundeshaushalt mit einem Zusatzvolumen von 115 Mrd. € am stärksten strapaziert wurde (Abbildung 2). All dies will bezahlt sein, im Moment stopfen neue Schulden die Löcher.

Welche Steuer bringt was?

Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick darauf, welche Steuerart welches Aufkommen generiert (Abbildung 3). Bewusst nehmen wir die Daten von 2019, um den verfälschenden Corona-Effekt zu umschiffen: Im Jahr 2020 ist das gesamte Steueraufkommen nämlich um rund 60 Mrd. € (7,4%) auf 739,7 Mrd. € gesunken.

Besonders schmerzlich waren 2020 die Rückgänge bei der Umsatz-, Lohn- und Gewerbesteuer (jeweils über 10 Mrd. € Minus). Bei den Gemeindesteuern (insgesamt 71,6 Mrd. €) schlägt die Gewerbesteuer (mit 55,4 Mrd. € im Jahr 2019 und nur 45,3 Mrd. € im Jahr 2020) am stärksten zu Buche. Die Grundsteuer (nicht zu verwechseln mit der Grunderwerbsteuer, die übrigens ähnlich viel einbringt) spülte mit über 15 Mrd. € ebenfalls eine Menge in die öffentlichen Kassen und erwies sich als naturgemäß pandemieresistent.

Doch wer trägt nun was zum warmen Steuerregen bei? Schauen wir im Hinblick auf die Umverteilungsdiskussionen in die Einkommensteuer-Statistiken (in denen wir mit einer gewissen Verzögerung die relevanten Daten finden, hier vom Veranlagungsjahr 2017). Viele Neiddiskussionen entzünden sich bekanntlich an Themen wie der "Reichensteuer" oder dem Spitzensteuersatz.

Blick auf die Einkünfte

Rund 40,5 Mio. Steuerpflichtige erzielten 2017 Einkünfte von 1.696 Mio. € (fast alle positiv, lediglich rund 200.000 "Verlustfälle" hatten negative Einkünfte von 3,5 Mrd. €). Nach Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen resultierten 1.419 Mrd. € an zu versteuerndem Einkommen, woraus der Staat fast 304 Mrd. € Lohn- und Einkommensteuer ziehen konnte. Woher die Einkünfte der Bürger hierzulande stammen, zeigt Abbildung 4.

Einkünfte aus Angestelltentätigkeiten haben den mit weitem Abstand größten Anteil. Kein Wunder, dass der Staat Arbeitsplätze für abhängig beschäftigte Lohnempfänger um fast jeden Preis favorisiert, zumal diese ja auch noch die Sozialkassen füllen. Die gerne als zusätzliche Verteilungsmasse in den Raum gestellten Einkünfte aus Kapital, Vermietung und Verpachtung machten in Summe mit knapp 44 Mrd. € gerade einmal 2,6% der Einkünfte aus. Das Abschöpfungspotenzial ist hier, für manchen vielleicht überraschend, doch überschaubar, zumal mit einigen Nebenwirkungen verbunden. So wird z.B. eine deutlich höhere Belastung von Mieteinkünften wohl kaum die Mieten senken!

Einkommensschichtung

Welche Einkommensklassen tragen wie viel zum Lohn- und Einkommensteueraufkommen bei? Abbildung 5 zeigt es (Daten nach: Statist. Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 7.1).

"Nur" 24.743 Steuerzahler hatten 2017 Einkünfte von mehr als 1 Mio. €. Diese summierten sich zu 67,2 Mrd. € (Ø pro Steuerpflichtigem rund 2,7 Mio. €) und brachten in der Summe 24,1 Mrd. € festzusetzende Einkommensteuer ein (975.000 € pro Kopf).

Am lukrativsten für den Fiskus ist der (gehobene) Mittelstand mit jährlichen Einkünften von 50.000 € bis 250.000 € – worunter die meisten Apotheken fallen dürften. Diese 24% der Steuerzahler erwirtschafteten knapp 50% der Einkünfte und gut 56% der Einkommensteuer. 75% der Steuerzahler bringen dem Fiskus knapp 22% der Steuern ein, sie stellen indes 39% der Einkünfte.

Betrachtet man gar nur die 45% Steuerzahler mit maximal 25.000 € Jahreseinkünften, dann beträgt deren Anteil an der Lohn-/Einkommensteuer gerade mal 3,5%. Die bereits heute hohe Umverteilungswirkung durch den progressiven Einkommensteuertarif ist insoweit evident. Tatsache ist natürlich auch, dass Ärmere eine Menge anderer Steuern (wie Verbrauchssteuern) zahlen.

Finanzminister spielen

An welchen Steuerschrauben können wir drehen, um möglichst hohe Einnahmen zu generieren? Als erstes sticht die gewaltige Lohnsumme ins Auge. Breit ansetzende Maßnahmen wie ein Solidaritäts-Zuschlag (künftig Corona-Zuschlag?) schlagen kräftig zu Buche. Jeder Prozentpunkt auf die Lohn- bzw. Einkommensteuer bringt gut 3 Mrd. €. Auch die Stärkung der "Bemessungsgrundlage" ist sehr wirksam. Ein 1.000 € niedrigerer Grundfreibetrag pro Kopf brächte über 40 Mrd. € zu versteuerndes Einkommen ein – und grob überschlagen 8 Mrd. € Steuern, verbunden mit flächendeckendem (Wähler-)Ärger.

Da ist der Griff in die Taschen der "Reichen" lukrativer – oder? Beispielhaft wollen wir alle Einkommen über 250.000 € höher besteuern. Dazu müssen wir ermitteln, welche Beträge betroffen wären. Von den Einkünften über 250.000 € (Abbildung 5) ist der "Sockel" bis 250.000 € abzuziehen. Es verbleiben näherungsweise um die 100 Mrd. €. Jeder Prozentpunkt an höherem Spitzensteuersatz spielt so rund 1 Mrd. € ein. Berücksichtigt man noch die Splitting-Problematik (bei Verheirateten würde erst oberhalb von 500.000 € höher besteuert), reduziert sich das Steuerplus auf vielleicht 0,8 Mrd. € je Prozentpunkt. Mit anderen Worten: Allzu viel kommt da nicht rum, selbst wenn man drei oder vier Prozentpunkte hochginge.

Ein reichhaltigeres Steuerbüffet tut sich bei der Mehrwertsteuer auf, 2019 waren das über 180 Mrd. € im Inland. Die Steuersenkung für das zweite Halbjahr 2020 (um drei bzw. zwei Prozentpunkte auf 16% bzw. 5%) hat geschätzt 20 Mrd. € gekostet. Das illustriert, was winkt, wenn man die Schraube in die andere Richtung dreht. Die Mehrwertsteuer ist eine der ergiebigsten Steuern.

Reiche Ernte mit Energie

Ertragreiche Hebel stecken in der Strom- und Mineralölsteuer. Deutschland verbraucht 500 bis 550 Terawattstunden Strom pro Jahr, knapp die Hälfte davon die preissensible Industrie. Jeder Cent mehr je Kilowattstunde (die Industrie bewusst ausgenommen) spielt so etwa 3 Mrd. € ein.

Heute werden noch etwa 65 Mrd. Liter Benzin und Diesel pro Jahr verfahren, zwei Drittel von Pkw, der Rest im Güterverkehr. Plus 10 Cent Mineralölsteuer je Liter Benzin/Diesel ergäben 6,5 Mrd. € und die Mehrwertsteuer obenauf. Während der Strombedarf steigen wird, fällt der Mineralölverbrauch perspektivisch. Da bietet sich die Strompreisschraube (z.B. für Elektroautos) als Ersatz für die Mineralölsteuer förmlich an.

Mit der CO2-Steuer ist eine weitere erfolgversprechende Stellschraube installiert. Bei 750 Mio. Tonnen CO2-Emissionen jährlich und Preisen je Tonne, die sich manche Umweltvertreter bei über 100 € wünschen, schlummert hier ein schönes zukünftiges Steuerpotenzial, selbst wenn nicht alle Emissionen (die obendrein insgesamt fallen sollen und werden) vollumfänglich besteuert werden können.

Vergessen wir nicht die guten alten Glimmstängel mit einem Verbrauch von noch 74 Mrd. Stück im Jahr. Sie versprechen ein nettes Geschäft obenauf. Einige Cent mehr gehen immer – und addieren sich schnell zur einen oder anderen zusätzlichen Steuer-Milliarde.

Zankapfel Vermögensteuer

Kommen wir noch zur Vermögensbesteuerung. Etwa 7 Bio. € reines Geldvermögen, über 10 Bio. € Immobilienwerte und viele Bio. € an Firmenwerten, dazu ungleich verteilt, wecken Begehrlichkeiten. Was wäre 1% nur allein vom Vermögen der "Reichen" für ein schöner Betrag Jahr für Jahr! Leider ist die Erhebung kompliziert und streitbehaftet. Eine Alternative wäre, leicht "greif- und erfassbares" Vermögen unabhängig von der Höhe nur minimal zu besteuern, z.B. mit 0,1%. Die Summe wäre dabei trotzdem beachtlich. Mit der Negativzins-Politik, die ja sogar schon in "Verwahrgebühren" für höhere Kontostände durchschlägt, wird so etwas bereits viel härter (0,5% Strafzins!) praktiziert (vgl. auch den Beitrag "Wer nicht handelt, muss zahlen"). Doch landet dieses Geld dort, wo es soll?

Was bleibt an Erkenntnis? Wer wirklich hohe und stabile Einnahmen erzielen will, muss an die Masse der Leute und an die Güterströme heran, verärgert damit aber auch viele. In der Spitze ist weniger zu holen als gerne gedacht, ungeachtet einer Gerechtigkeitsdiskussion. Zudem gilt: Kapital ist scheu wie ein Reh – und weltweit gefragt. Und über die Notwendigkeit so mancher öffentlichen Ausgaben haben wir hier bewusst vornehm geschwiegen.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(17):4-4