"Mit 66 Jahren fängt das Leben an"

Was Sie tun können, damit es Ihnen im Ruhestand nicht langweilig wird


Karin Wahl

Irgendwann steht der Tag vor der Türe, an dem Sie Ihre Apotheke an einen Nachfolger übergeben oder sie vielleicht auch endgültig schließen werden. Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Sie dann mit Ihrer frisch gewonnenen Zeit anfangen können? Wir geben Ihnen einige Anregungen.

"Mit 66 Jahren ...": Wer kennt ihn nicht, jenen Song von Udo Jürgens, der sicherlich auch dazu beitrug, das Image der Rentnergeneration gehörig aufzupolieren? Sogar von "Silver Agern" ist seitdem die Rede. Auch die Firmen und Werbeagenturen haben diese Generation plötzlich als Zielgruppe für hochwertige und -preisige Güter entdeckt – wovon nicht zuletzt unsere Apotheken profitieren konnten.

Typsache

Irgendwann beginnt man selbst, sich für die entsprechenden Produkte in der eigenen Offizin zu interessieren – und bemerkt dabei, dass der Schlager, über den man mit 40 oder 45 Jahren noch geschmunzelt hat, auf einmal gar nicht mehr so realitätsfern ist. Und so stellt man sich dann auch selbst die Frage: "Was kommt nach der Apotheke?"

Man grübelt und diskutiert mit der Familie und mit Freunden, zu welchem "Rentner-Typ" man wohl gehört. Denn abhängig davon bieten sich verschiedene Tätigkeiten für den Ruhestand an. Wichtig dabei ist allerdings immer, dass Sie ehrlich zu sich selbst sind. Denn wenn Sie sich z.B. als fit einordnen, aber gar nicht so gesund sind, können Sie sich auch leicht mal übernehmen.

Hier nun also ein paar Anregungen für unterschiedliche "Rentner-Typen" – natürlich ohne den Anspruch auf Vollständigkeit.

Das Hobby zum "Rentner-Beruf" machen

Wenn Sie nach Tätigkeiten fernab der Apotheke suchen, dabei sportlich-gesund sind und außerdem immer schon viel Spaß etwa am Golf- oder Tennisspielen hatten: Warum nutzen Sie nicht Ihre Zeit jetzt, da Sie sie endlich haben, dazu, um z.B. selbst auch mal an einem Wettbewerb, vielleicht sogar an einem internationalen, teilzunehmen?

Oder sind Sie eher an Motoren und Co. interessiert, also etwa ein Harley-Davidson-, Sportflugzeug- oder Oldtimer-Fan? Dann könnte es sich doch anbieten, ein paar "Sammelobjekte", die schon länger in Ihrer Garage stehen, aufzumöbeln, um beispielsweise bei einem Oldtimer-Rennen in exklusivem Rahmen zu starten.

Ist Ihnen das alles mit zu viel "Arbeit" verbunden? Wollen Sie einfach mehr genießen und sind überdies ein großer Reisefan? Wie wäre es dann mit einer verdienten Weltreise nach so vielen Arbeitsjahren? Besuchen Sie doch endlich all jene Ziele, die Sie bisher nur über Reisekataloge und -bücher erschließen konnten, weil Ihre Apotheke nicht ausreichend lange ohne Sie ausgekommen wäre.

Reisefans, die sich größeren Herausforderungen stellen wollen, können sich auch auf Expeditionen nach Südamerika, an die Pole oder in den Himalaja austoben. Sie müssen ja nicht gleich jeden Berg besteigen!

Oder sind Sie ein meditativer Typ? Dann bieten sich eventuell Aufenthalte in Klöstern auf der ganzen Welt an, wo sich zumindest nachträglich jene Gelassenheit erlernen lässt, die Sie so manches Mal in der Apotheke mehr als gut hätten gebrauchen können. Eine Alternative wäre auch der Jakobsweg.

Sind Sie Hobby-Archäologe? Wieso schließen Sie sich dann nicht als Helfer einer international-universitären Forschergruppe an? So können Sie weltweit an Grabungen, Expeditionen etc. teilnehmen – mit unterschiedlichen Belastungsgraden, je nach eigener körperlicher Fitness.

Oder schlägt Ihr Herz für die Musik? Hätten Sie Ihr früher einmal erlerntes Instrument während des Arbeitslebens gerne häufiger gespielt, sind aber nicht dazu gekommen? Wieso holen Sie es dann nicht wieder aus dem Schrank hervor? Oder lernen erstmalig bzw. noch ein neues Instrument, um dann vielleicht sogar im Orchester gemeinsam mit anderen zu musizieren?

Viele Optionen, um Gutes zu tun

Als Apotheker sind Sie vermutlich bzw. hoffentlich ein "Menschenfreund". Je nachdem, wie extensiv Sie auch im Ruhestand noch helfen wollen, könnten daher vielleicht die "Apotheker ohne Grenzen" (AoG) eine Option für Sie sein (vgl. auch Service). Wer für diese gemeinnützige Organisation vorhat zu arbeiten, kann sich auf oft sehr aufwühlende Einsätze in Krisengebieten einlassen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich ehrenamtlich bei weniger anstrengenden Aufgaben zu engagieren.

Eine Idee für ein mögliches Projekt, die sich aus einem nicht pharmazeutischen Beispiel herleiten lässt: Eine sehr engagierte deutsche Metzgerin hat in Südafrika gemeinsam mit den Einheimischen exzellente Metzgereien aufgebaut, die alle Hygienevorschriften erfüllten. Finanziell unterstützt wurde sie dabei von "Manager ohne Grenzen", einer mit AoG vergleichbaren Organisation. Die Metzgerin war total begeistert und nahm anschließend gleich ihren nächsten Einsatz in einem anderen Teil der Welt in Angriff.

Wenn Sie sich solche Projekte ebenfalls vorstellen können: Warum bauen Sie nicht eine neue Apotheke in einem afrikanischen Land auf – oder bringen eine bestehende auf Vordermann?

Im Augenblick erleben wir, was eine Pandemie mit der Welt und der Gesellschaft machen kann. In diesen Zeiten (aber auch darüber hinaus) eröffnet sich eine weitere Option für fitte "Ruhestands-Apotheker". Denn schließlich können Sie Ihre Kompetenz auch als ehrenamtliche Helfer z.B.

  • bei den Gesundheitsämtern,
  • beim Roten Kreuz oder
  • den Johannitern einbringen.

Außerdem besteht die Möglichkeit, sich den "Grünen Damen" bzw. den "Grünen Herren" anzuschließen, die ehrenamtlich in Kliniken und Altersheimen aktiv sind. Darüber hinaus kann es Ihnen sehr viel geben, in einem Hospiz auszuhelfen – allerdings nur dann, wenn Sie den Umgang mit Krankheit und Tod gut verkraften. Denn im Ruhestand sollten Sie möglichst nichts tun, was Sie belastet, sondern stattdessen etwas, das Ihnen viel gibt und Sie zufrieden macht.

Manches Mal nimmt die Anzahl der persönlichen Kontakte auch jenseits der Coronakrise mit dem Alter leider etwas ab. Falls Sie dem vorbeugen und gleichzeitig etwas bewegen wollen: Wie wäre es dann mit der Mitgliedschaft in einem der renommierten, weltweit agierenden Service-Clubs (wie z.B. den Lions oder Rotary Clubs)?

Sofern Sie die teils strengen Aufnahmekriterien erfüllen, können Sie sich in diesen Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) aktiv oder auch in Form von Spenden für gute Zwecke einbringen. Außerdem gibt es regelmäßige Clubtreffen, auf denen man organisatorische, aber auch private Angelegenheiten bespricht und die Gemeinschaft mit anderen genießt.

Oder darf es doch noch etwas Pharmazie sein?

Wenn Sie Ihre Finger im Ruhestand nicht ganz von der Pharmazie lassen wollen, können Sie z.B. stundenweise in der Apotheke arbeiten oder Urlaubsvertretungen übernehmen. Sie wissen es ja selbst: Auf dem leergefegten Arbeitsmarkt werden kompetent-flexible Kollegen immer gesucht!

Und wieso betätigen Sie sich nicht als Aushilfslehrer an einer PTA- oder PKA-Schule in Ihrer Nähe? Das macht erfahrungsgemäß eine Menge Spaß – ebenso wie übrigens das Verfassen von (pharmazeutischen) Büchern oder Zeitschriftenartikeln.

Sie können sich natürlich auch z.B. bei Ihrer Stadt als Experte für (Kloster-)Gartenführungen und Co. ins Gespräch bringen. Denn dazu sind wir mit unseren Botanik-Kenntnissen doch geradezu prädestiniert.

Oder warum halten Sie nicht Vorträge, z.B. in Seniorenresidenzen oder in Kirchengemeinden – zumal gerade historisch interessierten Apothekern Giftmorde und Co. eine gute Grundlage für spannende Geschichten bieten?

Service

Eine Übersicht über Hilfsorganisationen unseres Berufsstandes finden Sie auf den Webseiten der ABDA.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Beraterin im Gesundheitswesen, 70195 Stuttgart, E-Mail: karinruthwahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(17):10-10